Frau Brüllen fragt, was wir eigentlich den lieben langen Tag so machen und zwar immer am 5. eines Monats. Wir haben den 5. März, bei Ihnen müsste es jetzt sieben Stunden früher sein als hier, wo ich sitze. An meinem Schreibtisch inmitten von Reisfeldern, mit Blick in den Wald. Hier ist alles grün, denn ich bin in Ubud, auf Bali.
Ich wachte das erste Mal um halb sieben auf, denn die Hähne – und davon gibt es gefühlt 50 in der näheren Umgebung – veranstalteten ein Wettkrähen. Ich nahm die Geräusche als „gehört ab sofort halt dazu, wenn man in der Natur wohnt“ in mein Akustikgedächtnis auf und schlief wieder ein, bis der Wecker um halb acht den Morgen für begonnen meldete.
Schnell ins Bad, die Kontaktlinsen einsetzen, kurz über das Gesicht feudeln, Haare zusammenknüddeln und in die Sportklamotten springen. Raus aus dem Haus und eine halbe Stunde Intervalllaufen zwischen Reisfeldern. Mehr geht bei 28 Grad vor acht Uhr morgens auch nicht. Außer mir ist nur der Hausherr mit seinem hechelnden Golden Retriewer Leon auf der Morgengassirunde unterwegs. Wir grüßen uns, wie auch alle Arbeiter auf den Reisfeldern immer ein freundliches Lächeln und ein „Good Morning“ für mich übrig haben. Die Menschen hier sind an Touristen gewöhnt, aber das ist es nicht, es gibt eine Grundfreundlichkeit der Balinesen, die unaufdringlich ist, ganz anders als jene in Thailand, bei der hinter vielen lächelnden Lippen die Dollarzeichen blinken.
Zurück im Haus, duschte ich, wusch mir die Haare, nur um verzweifelt die Abwesenheit jeglicher Frisur zu bejammern. Meine Haare sind keinesfalls für tropische Temperaturen gemacht. Sie kringeln sich, werden wattig oder stehen gleich ganz zu Berge, wenn sie nicht einfach nur schlapp machen. Einzige Alternative zur Frisur: ein halbwegs geknüdelter Dutt. Die Kreuzköllner Hipster-Dutts wurden garantiert in den Tropen erfunden.
Dann ging ich zum Frühstück in den Kreativraum. Der heißt nicht nur so, meine Nachbarin arbeitet dort auch tatsächlich an ihren Fotoprojekten. Morgens um neun ist sie allerdings noch nicht auf, und sie frühstückt lieber in ihrem Zimmer. Dafür leistete mir Kaya Gesellschaft. Kaya und Ida sind die Hofkatzen. Kaya legte sich einfach mitten auf den riesigen Tisch und sah sehr zufrieden aus. In meinem nächsten Leben möchte ich gern als Katze wiedergeboren werden. Gern auf Bali, gern in diesem Haus. Ihnen geht es gut.
Ich trödelte ein wenig herum, schrieb einige E-Mails und rief Robert an, den Fahrer, der mich am ersten Tag von A nach B gebracht hatte, und der sehr freundlich und auch günstig war. Ich buchte ihn gleich für Morgen, denn ich verlasse Ubud und fahre an die Küste, nach Canggu, juvenile Surferkörper betrachten. Ich stand ein oder zweimal in meinem Leben auf einem Surfbrett und verstehe diese Sportart nicht. Aber es sieht halt gut aus.
Dann machte ich mich auf den Weg ins Dorf. Ich wollte den „Campuhan Ridge Walk“ bewandern. Seit dem Tag zuvor hatte ich die üblichen Tropenprobleme (Ödeme an den Knöcheln, Zehen und Fingern) und dagegen hilft bei mir Bewegung. Der Himmel war mit Schattenverheißenden Wolken betupft und die waren auch bitter nötig. Denn auf dem Ridge Walk war es stellenweise so heiß, dass ich jeden Baum ansteuerte, um ein wenig im Schatten zu rasten. Ich wanderte nicht ganz bis zum Ende, denn dort ist nur ein Café und der schöne Teil ist ohnehin nach knapp einem schweißtreibenden Kilometer zu Ende. Also drehte ich um und lächelte ein wenig in mich hinein, denn das balinesische Jugendlichen-Pärchen unter seinem Baum, das ich aufgrund meiner Rastbedürftigkeit aufstörte, saß noch in genau der gleichen Pose wie auf dem Hinweg (sie, ihren Kopf an seine Schulter gelegt, er aufrecht sitzend und mit dem kleinen Oberlippenbärtchen Erwachsenheit vorspielend). Dass die Bäume und die Aussicht darunter ins Tal ein beliebtes Sonntagsziel sind, wurde mir bewusst, als mir immer mehr verliebte Pärchen entgegen kamen.
Wieder im Tal angekommen, war ich völlig durchgeschwitzt. Ich glaube, ich habe noch nie so sehr geschwitzt wie an diesem Tag. Daher musste ich feststellen, dass mein Lunchpausenselfie in der Bachklamm auch die riesigen Schweißflecken abbildet. Naja, gibt bestimmt irgendeinen Filter dafür.
Ich setzte mich ins Café des Artistes, aß ein Eis und trank ein Lassi dazu. Dann war ich wieder halbwegs hergestellt und wanderte zur Post, um Postkarten einzuwerfen. Da ich vorher noch Wasser und eine Tüte von meinen Lieblingschips (Seetanggeschmack, ja, seltsam, ja, lecker!) gekauft hatte, wollte ich die gut anderthalb Kilometer zu meiner Unterkunft nicht mehr laufen. Daher heuerte ich ein Moto-Taxi an, das mich schnell, gut und sicher an mein Ziel brachte.
Die ungewohnte Anstrengung hatte mich sehr ermüdet und so schlief ich einen kleinen Nachmittagsschlaf bis um halb fünf. Ich überlegte, ob ich noch einmal ins Dorf gehen sollte, um mir eine Tanzperformance anzusehen, hatte aber keine Lust. Viel mehr Lust hatte ich darauf, mir heute ein richtig gutes Essen zu gönnen. Mir war beim morgendlichen Joggen ein kleines Hotel aufgefallen, nur knapp 200 Meter über den Reisfelddamm von meinem B&B entfernt. Im Netz hatte ich gelesen, dass Paul und Grace hier vor zwei Jahren ihren Traum vom eigenen Hotel verwirklicht haben, das auch ihren Ansprüchen als Weitgereiste genügt. Nun, mein B&B kostet ein Viertel des günstigsten Zimmers, aber das Hotel ist wirklich sehr schick, sehr edel und bis auf die schummrige Beleuchtung, mit der ich als halbblinder Mensch wenig anfangen kann, sieht das so aus, wie man es sich nur wünschen kann. Auf jeden Fall sagte mir aber die Karte des BBQ-Restaurants sehr zu, und ich entschied mich für eine Seebrasse mit Kapernsauce als Starter sowie Black Angus-Filet mit Rotweinsauce, dazu einen Weißwein aus Neuseeland (ja, da werde ich wohl auch das ein oder andere Weingut besuchen), weil ich Rotwein nicht so gut vertrage, obwohl es besser gepasst hätte.
Vor der Vorspeise kam als Gruß aus der Küche eine Mini-Bruschetta mit Kresse und salsa verde – ausgezeichnet! Als Brotteller gab es eine in Butter gebratene Briochescheibe mit Hummus – ebenfalls ausgezeichnet! (Hier bitte ein sehr glückliches Wortschnittchen vorstellen, das selig von seinem Fensterplatz im ersten Stock über die Reisfelder blickend den kitschigen Sonnenuntergang bewundert.)
Die Vorspeise war dann schon fast eine Hauptspeise und, ja, wieder ausgezeichnet. Und während draußen die ersten Frösche zu quaken anfingen, dachte ich daran, wie sehr das dem Mann hier gefallen hätte. Sein leichter Hang zum Luxus wäre hier sehr erfüllt worden und das Essen hätte ihn ebenfalls begeistert.
Zum Hauptgang kam dann das perfekt auf den Punkt Medium gebratene Filet. Die Kartoffel-Wedges hätten dazu nicht sein müssen, das war meine eigene schlechte Wahl. Dazu hätte sicher etwas anderes besser gepasst, z.B. Gratin. Der Service schenkte immer wieder kaltes Wasser nach und weil eine kleine Familie und ich die einzigen Gäste des frühen Abends waren, kam das Team abwechselnd, um mich ein wenig auszufragen.
Draußen funkelten die ersten Sterne und zwischen den Palmwedeln blinkte ab und zu ein Glühwürmchen – auch das hätte dem Mann sehr gefallen, denn seine erste Reise nach dem Fall der Mauer ging nach Italien, wo er zu seinem Entzücken Glühwürmchen en masse sehen konnte. So ist der Mann eben doch immer ein bisschen mit dabei, und mit den selbstgemachten Zitronenwodka aufs Haus habe ich dann kurz in den Himmel geprostet.
Ich bezahlte (nicht günstig, das gebe ich zu) und lehnte die freundlichen Angebote ab, mich doch gratis mit dem Moped bis vor die Haustür zu fahren. Ich wollte, ausgerüstet mit einer Taschenlampe, noch ein bisschen über den Damm laufen. Angst vor Schlangen oder Überfällen habe ich hier keine. Im B&B war der Strom ausgefallen, aber der Haustechniker Wayan hatte das Problem nach einer Viertelstunde im Griff. Der Router für den bachseitigen Bereich blieb aber gestört, und so stellte ich mir über den besseren Handyempfang ein Netzwerk zum anderen WLAN-Netz des B&B her. Wie immer musste ich alles erst einmal im Web nachlesen, aber nun kann ich auch das und finde es wunderbar.
Jetzt sitze ich am Schreibtisch, habe die Beine auf die Tischplatte gelegt, damit ich Morgen nicht wieder geschwollene Knöchel habe und gehe heute früher ins Bett. Draußen plätschert der Bach, die Grillen zirpen vor sich hin und aus dem Reisfeld singen die Frösche ihr Lied. Mir geht es schon ganz schön gut in diesem, in meinem neuen Leben.
So schön! Dein Bericht weckt sofort meine Ubud-Erinnerungen: Gerüche, Geräusche (Hähne und Frösche inklusive), Blick über Reisfelder in den Sonnenuntergang, Schwitzen auf dem Capuhan Ridge Walk – alles ist sofort wieder präsent. Danke fürs Mitnehmen! Und auch für den Restaurant-Tipp, den würde ich bei einer eventuellen Wiederkehr unbedingt mitnehmen.
Ich wünsche Dir weiterhin herrliche Tage & viel Spaß beim Surfer-Gucken!
P.S.: Verrätst Du auch den Namen Deines Quartiers?
Google mal Air Ubud, dann findest du es!
Und ich habe ja seinerzeit mit Fernweh deine Bildertweets verfolgt…
Gegen das Tropen-Haar-Problem hilft Kokosöl. Einfach ins gewaschene, handtuchtrockene Haar einmassieren und dann lufttrocknen.
Liebe Mira, danke für den Tipp. Leider verabscheue ich alles, was mit Kokos zu tun hat, ich mag den Geruch einfach nicht. Ich muss wohl bis Neuseeland mit einer sehr speziellen Frisur herumlaufen…
Oh wie schön (und traurig)… Und um Neuseeland, wo ich zweimal war (schon 12 Jahre her), beneide ich Sie jetzt schon im Vorhinein!
Sie sind toll.
Das muß jetzt mal so gesagt werden.
Nicht übel nehmen oder falsch verstehen, bitte.
Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen eine wunderschöne, spannende Reise.
Danke schön! <3
hach,
nachdem ich im letzten jahr ein paar monate auf borneo kann ich ihr frisuren- und schweissproblem gut verstehen und ich mochte es. am ende lief es auf vollverlotterung hinaus, die ich in teilen bis heute nicht losgeworden bin.
sollten sie nach sandakan, sabah, borneo zu reisen planen, so lassen sie es mich wissen, ich würd sie gerne mit einigen unglaublichen malaien zusammenbringen! sie würden die wunderbaren menschen dort lieben!
viel tolle zeit noch!
🙂 Danke!
Noch wehre ich mich ja gegen die Vollverlotterung, obwohl ich feststellen konnte: drei Tops, ein Kleid und eine Hose hätten gereicht, um in den Tropen zu überleben.
(Ja, wusste ich vorher. Ja, war Schwachsinn, den ganzen Kram mitzuschleppen. Aber.)
Leider werde ich alle von Ihnen genannten Ziele nicht bereisen, aber wer weiß… – vielleicht irgendwann einmal. Die Reiselust ist bei mir genetisch und wird mit Sicherheit nicht nach dieser Reise verschwinden.