WMDEDGT 06/17.

Wir haben Juni, es ist kalt in Buenos Aires, aber ich dokumentiere für die Nachwelt und Frau Brüllen natürlich gern, was ich eigentlich am 5. eines Monats den lieben langen Tag so mache.

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Der Tag begann früh, denn ich ging erst um fünf ins Bett. Zuvor hatte ich noch die Teller abgewaschen, die Rotweingläser mit Wasser zum Einweichen gefüllt und die Essensreste in den Kühlschrank gepackt. Die Dinnerparty war erst um kurz vor halb fünf zu Ende gegangen. Ich war sehr müde, aber ich mag es nun einmal überhaupt nicht, wenn die Küche aussieht wie ein Schlachtfeld. Egal, wo auf der Welt, da bin ich furchtbar preußisch veranlagt.

Ich ging erschlagen ins Bett und erwachte um halb zehn von einer WhatsApp-Nachricht einer Gästin der Dinnerparty, die sich noch einmal herzlich bei mir bedankte und mir schrieb, wie schade es sei, dass ich die Stadt schon bald wieder verlassen würde. Sie sei sehr gerne meine Freundin geworden. Ich bin grundsätzlich nicht leicht zur Freundin zu bekommen, das dauert manchmal Jahre, und zudem schätze ich doch die Unterscheidung zwischen Freundschaft und Bekanntschaft. Außerdem gibt es ja noch einmal die engen und weiteren Freunde, die Internetfreunde und -bekannten und Arbeitsfreunde.* In ihrem Fall aber habe ich mich sehr gefreut, denn wir haben so schnell einen guten Draht zueinander gefunden, sie, die Syrerin, die vor einem Jahr nach Argentinien kam und alles verloren hat bis auf die weit verstreuten Freunde und Familie. Ich mag ihren spitzzüngigen Humor, ihre Intelligenz und wenn sie sich erst freigetanzt hat, ist ihr orientalisches Schulterschütteln weltbewegend. *(Ich nehme jetzt einmal das generische Maskulinum, man verzeihe mir bitte, aber Sternchen und Binnenmajuskeln sind gerade aus.)

Ich dämmerte kurz ein, aber mein frisch erworbener Schnupfen und das Halsweh ließen mich bald wieder wach werden. Außerdem schickte der Verehrer seine morgendliche „Hallo meine Schöne, hast du gut geschlafen, was machst du heute, bist du glücklich, ich hoffe es, ich vermisse dich“-Nachricht. Ich gähnte ein wenig und ging ins Bad, um lange und ausgiebig zu duschen. Mein Tattoo tat noch ein wenig weh, aber mit einer guten Salbe klingen auch die kleinen Wunden schnell ab.

Mittlerweile war es halb elf und ich frühstückte Müesli und trank einen starken Kaffee dazu. Danach spülte ich die restlichen Gläser ab, zählte die leeren Weinflaschen und freute mich noch eine ganze Weile an dem wunderbaren Abend gestern. Mir ging es schlechter, der Kopf tat mir weh und ich verzog mich ins Bett, wo ich noch ein wenig vor mich hinlitt. Gegen halb zwei stand ich wieder auf und versuchte, noch ein wenig Ordnung in den halbfertigen Artikel für das Magazin zu bringen. Ohne Erfolg, mir fielen die Augen immer wieder zu und ich ging wieder ins Bett. Morgen muss ich fit sein, denn dann reise ich zu den Iguazu-Wasserfällen an der Grenze zu Brasilien.

Gegen halb fünf stand ich wieder auf und brachte endlich die Heizung im Wohnzimmer in Gang. Vom Vermieter bekam ich leider die schlechte Nachricht, dass ich nicht noch zwei Tage länger bleiben kann, denn dann ist die Wohnung bereits wieder vermietet. Nun muss ich mir für zwei Nächte eine Übernachtungsmöglichkeit suchen. Ich frage mal die Damen, ob eine von ihnen ein günstiges Hotel weiß. (Ich nehme auch ein teureres Hotel, aber zurzeit bin ich nicht so auf Luxus eingestellt.)

Ich setzte mich an den Esstisch in die unmittelbare Nähe der Heizung (Gasheizer, ich vermute, in der DDR wäre das als GAMAT-Heizung durchgegangen, aber ich kenne mich da nicht so aus, als Wessi), um noch ein bisschen Reiseplanung für Kanada zu betreiben. Ich habe einige Pläne umgeworfen und nun muss Uruguay leider unbesucht bleiben. Aber ich möchte einfach wieder ins Warme.

Gegen halb sieben stand meine Reiseplanung in groben Zügen, das Hotel für die erste Nacht in Toronto ist gebucht und einen günstigen Mietwagen für die Tour durch den östlichen und frankophonen Teil Kanadas finde ich auch noch. In den nunmehr vier (!) Monaten dieser Reise habe ich wieder gemerkt, dass mich eigentlich nur zwei Reiseformen wirklich glücklich machen: selbst bestimmt mit dem Auto durch das Land zu fahren (Neuseeland, Chile) oder mit dem Bus (bevorzugt in Asien, in Argentinien hat das leider zeitlich hingehauen). Ich freue mich schon sehr auf das Fahren in Kanada, auf Quebec und bin gespannt, ob ich es noch zu den letzten beiden Tagen des Francofolies-Festivals in Montreal schaffen werde. Und ob der Verehrer und ich und dann tatsächlich dort treffen werden… (Telenovela, Sie wissen schon.)

Dann ein für südamerikanische Verhältnisse frühes Abendessen um sieben. Ich kann mich definitiv nicht daran gewöhnen, erst nachts zu essen, selbst, wenn ich nachmittags noch eine „Once“ (Teilchen mit Kaffee in Chile) oder ein Alfajor, ein factura oder eine medialuna zum Mate (in Argentinien) bekomme. Und noch einmal ins Internet, um nach Flügen von New York nach Schottland zu suchen, wo ich mich am 16. August mit der besten Freundin treffen werde.

Um acht Uhr abends hatte ich das dann entsprechend koordiniert und einen günstigen Flug ergattert. Meine Rückreise nach Europa ist also festgelegt. Was ich in den noch knapp zwei Monaten bis dahin auf dem nordamerikanischen Kontinent anfange, wird sich zeigen. Ich schaute noch eine Folge der chilenischen Kuppel-Show „Match“, dessen zauberhaften bretonischen (!) Moderator ich doch gern mal im deutschen Fernsehen sehen würde. „Match“ ist soviel netter als Bauer sucht Frau oder vergleichbare Endemol-Produkte auf dem deutschen Fernsehmarkt.

Ich war um zehn Uhr so erledigt, dass ich nur noch schnell einige Sachen für die morgige Kurzreise packte und schlafen ging.

Ein Gedanke zu „WMDEDGT 06/17.

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