WMDEDGT 08/17

#WMDEDGT bringt einmal monatlich und immer am 5. den Tagesablauf ins Internet. Initiatorin des Ganzen ist Frau Brüllen. 

Der Morgen begann mit meiner offenbar unabhängig von diversen Zeitzonen eingestellten Aufwachzeit um kurz vor sechs Uhr. Ich weiß nicht warum, aber ich wache seit Beginn der Reise immer um irgendwas um die zehn vor sechs auf, ärgere mich dementsprechend – ich müsste ja erst um sieben oder halb acht aufstehen, je nachdem, ob ich im Hotel Frühstückszeiten einhalten muss oder mich auf eine Reise begebe -, und lese ein bisschen im Internet herum, bis ich mich weiter wachgeärgert habe. So auch heute. Daher stand ich schon um sieben auf statt um acht wie geplant, hatte aber meine Reisetasche schnell fertig gepackt und konnte meinen aufgestauten Ärger nach dem Frühstück gleich bei der Autovermietung loswerden. Die hatte mir nämlich gestern am Flughafen Boston, den ich gegen halb zehn abends nach eineinhalbstündiger Verspätung des Fliegers endlich erreichte, ein kaputtes Navi angedreht, das einen hübschen Kabelbruch hatte.

Daher konnte ich schlussendlich doch erst gegen kurz vor halb elf in Richtung Gloucester und Rockport starten, zwei Ziele auf meiner Neuengland-Tour, die hübsche Häuschen und Häfen zum Begucken versprachen. In Gloucester ist auch der sehr packende Roman „Der Sturm: die letzte Fahrt der Andrea Gail“ von Sebastian Junger angesiedelt, der mit George Clooney mehr recht als schlecht verfilmt wurde. Leider regnete es Bindfäden, sodass ich mich um Gloucester herumstahl, um gleich nach Rockport zu fahren. Ein hübsches Städtchen, in dem ich eine kurze Mittagsrast machte, ein sehr schmackhaftes Croissant mit Feta- und Spinatfüllung aß und einen trinkbaren Kaffee fand.

Dann machte ich mich gegen eins langsam auf den Weg nach Manchester (New Hampshire) ins Landesinnere, wo ich eine Nacht gebucht hatte. Denn die Hotels und Pensionen am Meer sind zur Ferienzeit, wenn nicht komplett belegt, einfach nur so schweineteuer, dass selbst ich als „reiche Witwe“ (haha) es mir nicht leisten kann / will. Kurz hinter Gloucester wollte das neue Navi, dass ich auf den Highway fahre. Ich dachte eine Sekunde nach und fuhr nach rechts in Richtung Essex und Ipswich. Ja, die alten Gründerväter, sie nahmen einfach die alten englischen Ortsnamen mit in die neue Welt. Und die hübschen Häuschen sehen mehr oder weniger ebenso aus wie in Irland oder Großbritannien. Also folgte ich meiner inneren Route, fuhr durch grünes Marschland, an dichten Laubwäldern vorbei und durchquerte Städtchen um Städtchen, bis ich in Hampton Beach noch einmal kurz an einem der breiten Atlantikstrände hielt, und meinen Nachmittagskaffee um drei zu genießen. Ich streckte meinen rechten Fuß in die Wellen und bedauerte nicht, meinen Bikini im Koffer gelassen zu haben. Eiskalt! Was keinen der amerikanischen Urlauber davon abhalten konnte, sich in die Fluten zu stürzen. Vielleicht bin ich auch einfach nur eine Memme.

Nach der kleinen Pause ging es auf der 101 in Richtung Manchester. Ich drehte das Autoradio auf und sang lauthals die schlimmsten Rockklassiker mit. So ist das, wenn man mit „Final Countdown“ oder „It’s my life“ großgeworden ist. Gegen vier war ich in Manchester, checkte in meinem Günstig-Motel ein und machte mich noch einmal auf den Weg in die Innenstadt.

Diese enttäuschte mich. Nicht nur, dass zwischen den wenigen älteren Gebäuden lieblose Mehrgeschosser gepflanzt worden waren, nein, es gab auch die in fast allen deutschen Nachkriegsstädten üblichen Waschbetonpflanzkübel mit traurig aussehenden Büschen. Das wollte ich mir nun nicht auch noch in den USA antun. Außerdem hätte ich an einem samstäglichen Spätnachmittag deutlich mehr Leben erwartet. Die meisten Geschäfte hatten schon zu und die wenigen Restaurants waren Ketten-Filialen und lockten mich um diese Uhrzeit noch nicht. Also entschloss ich mich, in den auf der Herfahrt gesehenen Laden- und Dienstleistungskomplex im Außenbezirk Manchesters zu fahren.

Dort angekommen, entschloss ich mich spontan zu einer Mani- und Pediküre und kam so in den Genuss, mich mit Mi-Ra über ihr Geburtsland Vietnam auszutauschen und zu entdecken, dass Pho Bo unser gemeinsames Lieblingsgericht ist, gefolgt von Sommerrollen mit Ente und viel Minze. Nun habe ich wieder auf das Beste gepflegte Füße und ungewöhnlich ordentlich aussehende Hände und freue mich, dass Mi-Ra ihren Beruf auch nach dreißig Jahren immer noch als ihren Traum-Beruf bezeichnet.

Um kurz vor sieben war ich aus dem Salon gekommen und wollte noch in den großen Supermarkt am Rand der Innenstadt fahren, als sich bewahrheitete, was ich beim Nägelmachen im TV gesehen hatte: dicke Unwetterwolken ballten sich zusammen und es begann zu regnen. Nicht nur zu regnen, nein, es goss. Monsunartige Wassermassen stürzten vom Himmel, während ich das Auto vorsichtig durch knöcheltief gefüllte Senken manövrierte, immer eingedenk der Bilder aus Berlin von vor einigen Wochen und dem Merksatz meines Vaters „wenn die Füße nass werden, haste ein Loch im Unterboden oder dein Motor ist gleich kaputt“. Ich schaffte es bis zum Supermarkt, watete mit meinen Flipflops durch tiefe Pfützen und kaufte Schmackhaftes und Gesundes. Nach den letzten beiden Wochen mit wenig Bewegung und viel Essen in Gesellschaft fühle ich mich unwohl und lechze geradezu nach Obst und Gemüse.

Gegen acht kam ich wieder im Hotel an, aß Hummus, gefüllte Weinblätter und Tabouleh, Obst und ein bisschen Salat, bevor ich noch ein wenig die weitere Reise plante. In Portland werde ich bei Mark und seinen beiden Söhnen wohnen. Mark betreibt ein AirBnB, wobei das in seinem Fall wohl eher einer Pension gleichkommt. Jedenfalls plant er auch eine Weltreise und möchte Tipps von mir. Ich meinerseits möchte in Portland zum Friseur gehen und hoffe auf einen Tipp von ihm.

Gegen elf ging ich schlafen, obwohl ich noch nicht müde war – es sind schon wieder drei Stunden Zeitverschiebung von West nach Ost. Immerhin (fast) zeitgleich mit Buenos Aires und Santiago, das macht die Kommunikation mit Verehrer(n) und Freunden leichter. So schrieb ich noch einige Nachrichten, freute mich über den Erfolg, in einem fremden Land einen Beitrag in einer Zeitung platziert zu haben und schlief ein.

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