All(Tag).

Langsam werden die Häuser niedriger, die herbstlich bunten Bäume dichter, und endlich verlässt der Zug die große Stadt. Felder ziehen an mir vorüber, kleine Dörfer. Eigenheimsiedlungen für die Großstadtmüden, die nur ein ganz klein wenig an amerikanische Vorstadthöllen erinnern.

Der Regen bettet alles in ein weiches Tuch. Tropfen an der Fensterscheibe ziehen sich zu langen Wasserschlieren und über allem singt Anna Depenbusch:

Stumm und leise gehst Du auf die Reise
Schwerelos, ziehst Du Kreise durchs tiefblaue All
Du schaust in die Ferne, Du brauchst nur die Sterne
Astronauten sind gerne, für sich allein

Ich schaue in den Himmel und denke an den Astronauten, der mich so lange begleitet hat. Er zwinkert mir zu und nimmt meine Hand. „Komm“, sagt er, „ich nehme dich mit, willst du mit mir fliegen?“ Und ich fliege mit ihm, die Regentropfen peitschen mir ins Gesicht, bis sie zu Eis werden und mit einem kleinen, zärtlichen Geräusch an meiner Haut zerplatzen und zurück zur Erde fallen. Höher, immer höher, wir verlassen den Mantel, der die Erde umgibt.

Zwischen Planeten spielst Du blinde Kuh
Unbeschreiblich diese Aussicht, dieses Licht
Du jagst nach Raketen und bunten Kometen
Nur das Leben hier unten siehst Du nicht

„Halt“, sage ich. „Ich möchte das nicht. Ich will zurück. Da unten ist das Leben. Lass mich los.“ Er schaut traurig. Dann nickt er. „Geh“, antwortet er und gibt mir einen kleinen Schubs. Ich falle, falle immer schneller. Ich stürze, gleich werde ich aufschlagen und zerschmettert auf dem Boden liegen, in kleinen Eiskristallen verstreut, die langsam schmelzen. Bis nichts mehr von mir übrig ist.

„Die Fahrkarten, bitte.“

Adieu, Astronaut. Ich mache mich auf meine Reise. Aber ich sehe manchmal in den Himmel und zwinkere dir zu.

7 Gedanken zu „All(Tag).

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