Nachlasssachen (2).

Vor einigen Tagen flatterte mir ein Brief ins Haus. Eine ehemalige Patientin des Mannes möchte ihre Patientenakte. Ich hatte so etwas schon länger befürchtet. Zu seinen Lebzeiten konnten wir noch besprechen, was zu tun sei. Denn als ehemaliger Arzt hatte er auch nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben und der Schließung der Praxis weiterhin die Verpflichtung, seine Patientenakten/-Daten 10 Jahre lang aufzuheben und auf Verlangen des Patienten Kopien zu erstellen und herauszugeben.

Es war im Februar oder März, als wir diese Regelung diskutierten, da er das Archivierungsprogramm gern auf meinem alten Rechner laufen lassen wollte und er mir einen neuen Rechner spendierte. Der Vorteil: keine Updates, kein Aufwand – das geht natürlich nur, wenn der Rechner quasi eingefroren wird, ergo nicht ans Netz geht.

Damals wurde mir aber klar, was das im Falle eines Falles für mich und alle anderen Hinterbliebenen von Ärzten bedeutet: Ich bin irgendwann verantwortlich für das Berufsleben eines Toten. Ich kann zwar eine Haftpflichtversicherung nach dem Tod des Mannes abschließen, aber ich bin nach wie vor in der Pflicht, genau die Aufgaben zu erfüllen, die dem Mann in der arztnahen Dienstleistung obliegen würden (nach der Gebührenordnung für Ärzte, übrigens). D.h. ich müsste auch Rechnungen schreiben, das Patientengeheimnis wahren und stünde im Fall eines erst später erkannten ärztlichen Kunstfehlers in der Haftung.

Der Umstand an sich, dass es hierfür – und diese Fälle werden in der Zukunft sehr, sehr häufig auftreten – keine gesetzliche Regelung gibt, die es den Ärztekammern bzw. Kassenärztlichen Vereinigungen als verantwortlichen Interessenverbänden auferlegt, diese Daten zu übernehmen, schockiert mich. Und leider, leider, gibt es nur in einigen Bundesländern entsprechend eingerichtete Stellen bei den Kammern, die sich mit der Verwaltung von Patientenakten alter Praxisbestände befassen. In Berlin und Brandenburg gibt es so etwas bislang leider nicht. Eine erste schriftliche Anfrage wurde – wie erwartet – entschuldigend beantwortet, aber ohne einen Lösungsansatz. Es kann doch nicht sein, dass auf dem Rücken von ärztlich nicht verantwortlichen Erben Arbeit abgewälzt wird und damit auch in letzter Konsequenz die Rechte von Patienten mit Füßen getreten werden!

Nun habe ich mich mit dem besten Freund des Mannes – ebenfalls Arzt – verabredet, damit er mir, der ärztlichen Laiin, ein Programm beibringt, das mich zukünftig befähigt, die Akten auszugeben. Wenn das so weiter geht, eröffne ich einfach demnächst eine Praxis. Als Patientenbewahrerin.

4 Gedanken zu „Nachlasssachen (2).

    • @kaltmamsell: Nicht nur das – und irgendein mit den Noten seinen Nachwuchses unzufriedenes Elternteil könnte Sie noch vors Verwaltungsgericht zerren, um ein Zeugnis anzufechten.

      Und ich müsste im Fall des Falles alle Pressemitteilungen und Verlautbarungen meiner verblichenen PR-Frau parat haben und vor die Kamera treten, wenn irgendwelche zurück liegenden Vorfälle aus ihrem Arbeitsbereich neue Medienanfragen generieren. Jesses…

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