Der Mai macht alles neu, aber eines bleibt, und das ist die Frage von Frau Brüllen, was wir eigentlich am 5. eines Monats den lieben langen Tag so machen.
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Ich wachte gegen zwanzig vor sechs chilenischer Zeit auf und las ein wenig die morgendliche Twitter-Timeline durch. Ist ja auch selten, dass ich aufgrund der Zeitverschiebung von aktuell fünf Stunden den Tagesrhythmus erwische. Außerdem bin ich schon so lange auf Reisen, dass mir einige Threads und Twitterdorfsäue schon nach Millisekunden die Freude an Twitter verderben und ich sofort auf meine Wohlfühl-Liste springe. Man muss sich ja nicht alles antun.
Wenigstens schlief ich wieder ein und wachte um halb neun einigermaßen ausgeschlafen auf. Der Tinnitus der Nacht nach dem Evanescence-Konzert hatte sich mittlerweile wieder reduziert. Laut und schön war es, auch wenn mich der Taxifahrer nach dem Konzert sauber abgezockt hat. (Sehr zur Empörung des Verehrers, der das als Angriff auf seine Nationalehre auffasste: „Der Schweinehund kann kein Chilene sein!“)
Ich trödelte ein wenig im Bad herum und versuchte, die Auswirkungen des gestrigen Friseurbesuchs etwas in Form zu bringen. Der gute Friseurmeister sah nicht nur aus wie Jürgen von der Lippe, sondern hatte beim Färben und Fönen meiner Haare auch genau jenen süffisanten Zug um den Mund wie der Showmaster, wenn sich einer seiner Probanden so richtig in die Sch… ritt. Ich verließ den Salon gestern demgemäß mit schnurglatt gebügelten Haaren und wunderte mich nur, wie man so etwas ohne Glätteisen hinbekommt. Für mein Evanescence-Konzert passte das allerdings ganz gut.
Nach Müesli und starkem Kaffee beschloss ich, meine Reisen noch ein bisschen zu planen. Nachdem ich das Go für das Schreiben eines Portraits bekommen habe, muss ich ein wenig umdisponieren. Außerdem langweilte sich der Verehrer anscheinend auf seiner Arbeit – was machen eigentlich diese IT-Ingenieure den lieben langen 5. eines Monats so? – und sandte mir etliche kleine WhatsApp-Botschaften, die ordentlich zu beantworten ich immer noch nur mittels Wörterbuch imstande bin.
Mittags telefonierte ich per WhatsApp mit der Freundin, um den gemeinsamen Trip durch Schottland im August zu planen. Durch einen in Chile lebenden Bekannten, Schotte wie er im Buche steht, könnten wir das AirBnB seiner Eltern in Edinburgh zu einem Sonderpreis mieten. Nun hängt es nur noch von der Freundin-Planung ab, wie lange sie Zeit hat. Ich für meinen Teil möchte doch gern ein Stückchen des „Gin-Trails“ abklappern.
Gegen halb zwei machte ich mich langsam fertig für die Arbeit. Vorher musste ich noch tanken. Das chilenische System ist ein bisschen umständlich. Man geht ans Kassenhäuschen (gut gesichert), bezahlt einen Betrag x, den man für seinen Tankinhalt schätzen muss. Dann wird die Tanksäule freigeschaltet. Verbraucht man nicht alles der Summe x, geht man zurück zum Kassenhäuschen und bekommt die Differenz ausgezahlt. Manchmal stehen zehn Leute vor einem, sodass das Volltanken eines Autos durchaus etwas dauern kann. Ich bin noch nicht dahintergekommen, warum das so umständlich läuft, gehe aber davon aus, dass das hier mit den durchaus vorkommenden Raubüberfällen oder Benzindiebstählen zu tun haben könnte.
Danach fuhr ich quer durch die halbe Stadt in den Vorort, wo meine Freiwilligenstelle ist. Es hatten wegen einer umgehenden Magen-Darm-Geschichte mehrere Patienten abgesagt, sodass der Nachmittag eher ruhig verlief und wir früher Schluss machen konnten. Meine mexikanische Kollegin Nati und ich fuhren gemeinsam durch den Feierabendstau zurück in die Innenstadt. Eigentlich wollten wir noch einen kurzen Abstecher zum Gallery-Weekend machen, das heute begann, aber Nati hatte Kopfschmerzen und ich war noch von gestern Abend müde. Also beschlossen wir, nur noch einzukaufen und uns dann nicht mehr ins Nachtleben zu stürzen.
Wir wurden bei Lider-Express fast totgetrampelt. Das System „Einkaufen“ passiert hier eher zufällig und ungeplant. Niemals habe ich Chilenen mit Einkaufszettel gesehen und auch die im meinem Studium eingepaukten Handelsmarketing- und POS-Maximen scheinen hier nicht zu gelten. Aber bislang habe ich fast alles gefunden, und die Superdupermarktkette „Jumbo“ hat nichts, was es nicht gibt.
Ich whatsappte noch ein bisschen mit dem Verehrer, der heute mit seinen Freunden unterwegs ist, machte mir einen Salat und gammelte lesend und schreibend auf dem Sofa herum. Kultur, Tanz und Spaß dann Morgen wieder.