#WMDEDGT fragt immer am 5. eines Monat, was der gemeine Tagebuchblogger so den lieben langen Tag treibt. Initiatorin des Ganzen und Linksammlerin ist Frau Brüllen.
Mein Wecker klingelte an diesem Novembersonntag um halb neun, denn auch heute hatte ich einen Tanzworkshop, der um 10 Uhr beginnen sollte. Zuvor musste ich noch meine sevillanische Mitstreiterin einsammeln und in den nicht ganz so hübschen Teil von Marzahn-Hellersdorf fahren. Es gibt sicherlich schöne Eckchen auch in diesem Stadtteil, aber unsere Tanzschule lag im zweiten Stock eines zur Hälfte leer stehenden Einkaufszentrums inmitten mehrstöckiger Plattenbauten und ein frischer Novemberwind voller DDR-Nostalgie umwehte uns, als wir um kurz nach zehn eintrafen. Jorge, der kubanische Tanzlehrer, erwartete uns schon. Als einzige zum Kurs Erschienenen hatten wir bereits gestern Salsa in einer Art Privatunterricht erlernt. Heute widmeten wir uns Bachata und Merengue. Ich muss gestehen, ich kann meine europäische – zudem noch mit einer leichten Dysplasie versehene – Hüfte nicht ganz so locker bewegen, wie es diese Tänze erfordern, aber Jorge und meine Mitstreiterin versicherten mir, dass ich sehr gut tanze. Nun denn, ich werde weiter fleißig üben, denn ich habe das Tanzen lange vermisst.
Um kurz vor eins waren wir fertig und das in jeder Hinsicht. Meine linke Hüfte tat weh, M. stöhnte über ihre Lendenwirbelsäule und auch Jorge zeigte erste Ermüdungserscheinungen. M. und ich entschieden uns, noch etwas gemeinsam Mittag zu essen und fuhren zu einem Asiaten bei uns ums Eck. Gegen kurz nach zwei waren wir gesättigt, hatten ein wenig über unsere Ex-Freunde ausgelästert und verabschiedeten uns für einen Salsaabend in nicht allzu weiter Ferne. Daheim packte ich meine Schwimmsachen für später ein, denn ich war noch mit Madame Modeste im Stadtbad Oderberger Straße verabredet, einem Bad, das lange leer stand und letztendlich doch eine sehr schöne Funktion innerhalb eines Hotels gefunden hat und überaus entspannt zu beschwimmen ist. Nach einem kurzen Mittagsschläfchen ging ich zu Fuß durch mein Viertel; es tröpfelte schon und ich war froh, das erste Mal meine neue, graue Wintermütze aufgezogen zu haben.
Madame, ihr kleiner Sohn und ich schwammen ein, zwei Stündchen und gingen dann durch den Regen nach Hause. Dort aß ich zu Abend, bevor mich der Anruf meiner Schwiegermutter ereilte. Ihr geht es gerade nicht ganz so gut, aber außer regelmäßiger ärztlicher Kontrolle ist halt nichts zu ändern. Alt sein ist schon nicht schön, sich alt fühlen noch schlimmer, besonders, wenn der einzige Sohn noch vor der Zeit starb, nur zwei Jahre nach seinem Vater. Aber so ist es das Leben, und ich hoffe nur, dass ich, sollte ich dereinst mein Ende erwarten, den Mut und die Kraft besitze, meine Zeit selbst zu wählen.
Ich war nach den ganzen sportlichen Aktivitäten zu nicht mehr viel in der Lage, plauderte aber noch kurz mit dem Verehrer, dessen Lieblingsmannschaft heute ein wichtiges Spiel kickte. Dann setzte ich mich vor den Fernseher, um einmal mehr „Tribute von Panem“ zu sehen, eine Film-Dystopie, deren Buchvorlage wirklich gut und spannend umgesetzt wurde.
Danach ging ich ins Bett.
Ich fühle mit Dir, was die Einschätzung des Alterns betrifft und auch ich hoffe, den Mut zu haben, meine Zeit selbst zu wählen
Das ewige Problem ist nur: Wann ist es richtig, sich durchzubeißen und wann ist der richtige Zeitpunkt, stopp zu sagen.
Das ist sehr individuell. Und vor allem ein Privileg.