Arbeit.

Vor einigen Tagen fand die re:publica 2015 statt. Nach etlichen Jahren Teilnahme an mehr oder weniger begeisternden, spannenden, skurrilen, kritischen und aufrüttelnden Sessions, Vorträgen, Abendbierchen, Digitaldamen-Kaffeekränzchen oder einfach nur Gagaschnack auf dem „Affenfelsen“ – der Ansammlung von Kisten, Podesten und Stühlen im großen, zentralen Lichthof – war ich in diesem Jahr nicht dabei. Und das war auch gut so.

Denn: ich fand nichts mehr für mich. Ich hatte irgendwann vor einigen Jahren den Draht zur digitalen Welt verloren. Mir sagt digitale Netzkultur wenig. Ich habe mich lange Zeit mit der Vermarktung von realer Kultur beschäftigt, da muss mir wohl die Verbindung abgerissen sein. Ja, aber die Menschen! Die ganzen coolen, hippen, witzigen, klugen Menschen! Die konnte man doch immer alle dort treffen!

Das stimmt. Mir ist es leider eher nicht gegeben, zwanglos Smalltalk zu betreiben. Mein zwischenmenschlicher Vertrauensvorschuss und mein Freundlichkeitendepot reicht im Zweifel gerade bis zur nächsten Parkuhr. Daher sind solche Veranstaltungen Gift für mein Menschen- und Selbstbild. Die re:publica muss zudem gut geplant werden, damit man auch Menschen treffen kann. Denn alle waren in den vergangenen drei Jahren irgendwie nur damit beschäftigt, den nächsten Vortrag, die nächste coole Session oder einfach nur den nächsten wichtigen Gesprächspartner zu suchen. Mir wurde das ein bisschen zu hektisch. Es war wie auf dem Schulhof in der kurzen Pause, wenn alle Kontakte auf ein Minimum reduziert und strategisch geplant werden mussten, denn „gleich klingelt’s“. Nun, mir wurde auch klar, dass die Vorabplanungen meiner digitalen Bekannten mich eher nicht einschlossen. Ich musste ein wenig darüber nachdenken, ob ich nicht interessant, eloquent oder witzig genug bin, um mich mit den digitalen Bekanntschaften treffen zu dürfen, die ich gern träfe.

Möglicherweise bin ich wirklich langweilig. Oder mache zu wenig „was mit Medien“, bin keine Rampensau. Oder bin unsympathisch. Oder eher Beobachterin als Teilnehmerin. Oder was auch immer. Ich kam zu keiner Lösung. Aber ich kam zu dem Schluss, dass ich mich vor allem darüber freuen kann, so viele interessante Menschen ausschließlich in der digitalen Welt zu lesen, sie leben zu lesen, so kann man es tatsächlich ausdrücken.

Worauf wollte ich nochmal hinaus? Ach so, ja. Außerdem arbeite ich mir gerade die Seele aus dem Leib. Ist halt die reale Kultur, mal wieder.

4 Gedanken zu „Arbeit.

  1. … oder die Menschen können auch keinen SmallTalk. Oder sie sind auch komplett überfordert von dem gewusel und haben es nur noch nicht gemerkt.

    Ich traf letztens auf einer Bloglesung jemanden, auf den ich mich sehr gefreut hatte. Und sie sich auf mich, wir hatten uns das vorher bestätigt.
    Wir sprachen quasi außer „Hallo wie schön” kein Wort.

    Um es mit Herrn Budenbohm zu sagen: Es ist kompliziert. Vielleicht sind weder 5-Minuten-Pausen noch die republica dazu gemacht, Menschen zu treffen. Vielleicht auch nur nicht, wenn man an „treffen” den Anspruch hat, den Du offensichtlich (und ich auch) haben.

  2. Da könnte ich ganze Absätze unterschreiben. Ich habe es durchaus genossen, einige Sessions (vier bis fünf) wenige Tage später auf youtube in Ruhe daheim anzuschauen, nebenher laufend, während ich anderweitig herumgewuselt habe oder mit dem Kopf in der Sonne. So konnte ich der Veranstaltung inhaltlich hier oder da Respekt zollen. Aber ich spürte währenddessen auch, dass vor Ort zu sein nicht so beglückend gewesen wäre, wie ich es mir die Jahre zuvor, den Ort nicht kennend, immer vage vorgestellt hatte, verursacht durch die ekstatischen tweets, die euphorisiert von Begegnungen und Geselligkeit und „phantastischer Atmosphäre“ kündeten. Aber das haben wir ja schon an dem sehr netten Steinzeitbloggerabend erörtert, für den ich sehr dankbar war, weil die Information nicht so unter Verschluss gehalten wurde, dass auch ich davon erfahren konnte, ohne twitter-Account und ohne zu einer Clique zu zählen. Ich habe es sehr genossen, mit dir mehr als nur zwei Floskeln reden zu können. Von solchen Treffen in einer offenen, geselligen Runde würde ich mir mehr wünschen. Natürlich nicht dauernd, aber manchmal. In einem Rahmen, der für Begegnungen offen ist, ohne Eintrittspreis und ohne exclusiv-Kommunikation.

  3. Ja, das kann ich unterschreiben. Ich war ja erstmals da. Ich hatte ein paar sehr nette Begegnungen, aber in Summe wäre ein Treffen von gedrosseltem Tempo vorteilhafter für mich.

  4. Das Drama der Konferenzen, die sehr viele Berater und sehr wenig Akteure beherbergen. Das ist wie am Strand, da kommt alles mögliche an, nur nennt das niemand „networking“ oder „gettogether“.

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