AltersGerecht.

Via Twitter und Frau Kaltmamsell fischte ich folgenden Artikel zum Thema „altersgerechte Bekleidung“ aus dem Wust der täglichen Informationen. Was mir den Satz der besten Freundin von neulich ins Gedächtnis rief, dass „lange Haare nichts für Frauen ab 40“ seien. Nun, wir sind beide über 40 und tragen beide lange Haare – sofern schulter- bzw. überschulterlang (sie) schon als lang gilt. Es wäre ihrer Meinung nach also an der Zeit, den Friseur zum Erfinden eines alters- und typgerechten Schnitts zu animieren.

Nun habe ich schon vor einiger Zeit mit dem Zauberfriseur besprochen, dass ein kinnlanger Bob mit kurzem Pony in schlohweiß – und maximal einer breiten schwarzen Strähne, ein quasi negativer Piebaldismus – samt schwarzrandiger Klugscheißerbrille am besten zu mir passen würde. Aber da ging es eher um Typgerechtigkeitheit denn Altersgerechtigkeitheit. Denn was mir seit Anbeginn aller Zeiten immer sauer aufstößt, ist die Deutungshoheit, wie sich eine Frau (und natürlich auch ein Mann oder jedes Geschlecht dazwischen) zu kleiden hat, wie sie ihre Haare zu tragen hat oder wie sie sich ganz allgemein zu geben hat – wenn sie/er/es ein bestimmtes Alter überschritten hat!

Mal ganz ehrlich: wen interessiert es, ob ich grünkarierte Strümpfe zu roten Shorts trage? Wenn meine Beine einigermaßen aussehen, ich Bock darauf habe oder mir gerade die einfarbig schwarzen ausgegangen sind, sollte ich auch als Mittvierzigerin, Baldfünfzigerin oder ganz altes Krüstchen (O-Ton meines Vaters über Omama und Ur-Großmutter) alles tragen können, was mir gefällt. Gut, ich lebe in Berlin, und hier ist eher das Thema, dass man im Straßenverkehr nicht übersehen werden sollte, daher kann man zu farbenfroher Kleidung nur raten. Aber wer sollte uns denn vorschreiben, was wir zu tragen haben?

Ich jedenfalls habe mich für die Modelle 1, 10 und 12 der Damen entschieden – je nach Laune und Wetter möchte ich diesen Stil weiter beibehalten, den ich schon seit längerem trage. Und Herr Kid wies mich freundlicherweise noch auf Sarah Jane Adams hin, deren Frisur und Einstellung zu Stil und Alter mir gut gefällt. Ein gutes Vorbild! Allenfalls trägt sie etwas bunte Kleidung für meinen Geschmack, aber wer weiß – vielleicht werde ich gerade im Alter besonders farbenfroh? Alles, alles – nur kein Beige, wie es der wunderbare Sven van Thom besingt!

Was mich auf ein anderes Thema bringt: wir, die Babyboomer wie auch die nachfolgende Generation, sind akut gefährdet, in die Altersarmut zu rutschen. Wie werden wir unseren Stil, unsere Identität beibehalten, wenn wir es uns nicht mehr leisten können?

Ich für meinen Teil habe mich entschieden, die bestgekleidete Klofrau Berlins zu werden. Geben Sie mir bitte 50 Cent für meine Dienste. Ich werde Sie aus kirschroten Lippen zahnlos anlächeln. Danke.

 

6 Gedanken zu „AltersGerecht.

    • Nähen muss ich erst noch lernen. Ich kann zwar ordentlich Knöpfe annähen und Socken stopfen, aber ich habe eine Höllenangst vor Nähmaschinen und bin die Meisterin darin, deren Nadeln zu zerstören.

  1. *stellt eine leere dickbauchige Flasche auf und beginnt 50 Cent-Stücke zu sammeln, um sie dermaleinst der bestgekleideten Berliner Klofrau zuzuschieben, nur um ihr grandioses zahnloses Lächeln auf den kirschroten Lippen wieder und wieder zu sehen*

    • Lippenstift nutzt sich bei sparsamem Gebrauch glücklicherweise wenig ab. Ganz im Gegensatz zum Lächeln. Für mehr Lächeln auf dieser Welt!

  2. Weil in der 24er-Reihe auch Beatrix Ost auftaucht, möchte ich zum Thema stilgerechtes Altern den wunderbaren Kurzfilm „No Sour Meadows“ erwähnen, der zeigt, wie sie und ihr Mann durch fleißige Gartenarbeit ihrem bescheidenen, aber stilvoll gestalteten Ruhestand Sinn verleihen. Mir auch als Mann ein Vorbild, in der Schlußszene sehe ich mich quasi selbst auf einem kleinen Aufsitzrasenmäher oder Mini-Moped Faxen machen:
    https://www.nowness.com/story/no-sour-meadows

    • Als begeisterte Balkongärtnerin wäre das natürlich für mich natürlich der Idealzustand. Ich plädiere allerdings für leicht erreichbare Hochbeete (der Rücken, der Rücken!). Und ein wenig kleiner darf der Garten sein, schließlich muss ich das alles alleine bewirtschaften. (Aber wunderbar, ich werde alles auspendeln, das hilft bei Entscheidungsproblemen. Ob ich nun nächstes Jahr noch Rosen auf dem Balkon haben möchte, zum Beispiel.)

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