WMDEDGT 04/17.

Frau Brüllen fragt, was wir eigentlich den lieben langen Tag so machen und zwar immer am 5. eines Monats. Wir haben den 5. April und endlich, endlich nach dreieinhalb Wochen Neuseeland stimmen zumindest die Tagesdaten weitgehend wieder mit der Bezugsgruppe daheim überein. Gestern bin ich das erste Mal in meinem Leben an einem 4. April abends losgeflogen und an einem 4. April mittags angekommen. Das Überfliegen der Datumsgrenze hat allerdings Auswirkungen bis in den heutigen 5. des Monats und so gestaltete sich mein Tag entsprechend ungeordnet.

Um 2.38 – 7.38 nach deutscher Zeit – wachte ich das erste Mal in Santiago de Chile auf. Da ich am Abend zuvor um kurz vor elf todmüde und erschlagen ins Bett gegangen war, erwischte mich der Jetlag eben knappe vier Stunden Schlaf später. Ich kann mit wenig Schlaf ganz gut umgehen, aber die sofort einsetzenden Kopfschmerzen musste ich mit einer Ibu bekämpfen. Ich las ein wenig dem morgendlichen Erwachen meiner Twitter-Timeline hinterher, freute mich über eine Mail aus Mittelamerika samt Reisebeschreibungen (wie anders das Erleben doch sein kann, wenn Reisen mit Arbeiten verbunden ist!) und horchte auf die Geräusche der Stadt, in der ich nun knapp zwei Monate sein werde.

Gegen halb fünf schlief ich wieder ein, nur um kurz nach sieben von den ersten Biep, Bieps der Autoschließanlagen, einem hysterisch bellenden Hund und dem anschwellenden Verkehr auf der ums Eck liegenden Avenida Providencia zu erwachen und mich zu wundern. Nun war ich tatsächlich in Südamerika! In meiner eigenen Mietwohnung! Ich wurde oft gefragt, wie ich es geschafft habe, das alles und die ganze Reise innerhalb von knapp drei Wochen zu organisieren, denn genauso lange hat es von der endgültigen Entscheidung kurz nach Weihnachten bis zum Erledigen der letzten Vorbereitungen (exklusive: Leerräumen der untervermieteten Wohnung) gedauert. Es war sicher ein bisschen Glück dabei, weil ich auf Anhieb fand, was ich wollte (Volunteer Workstelle, Wohnung, Reiseroute auch, die war irgendwie von Beginn an klar). Und ich hatte wenigstens den halben Tag Zeit, mich intensiv um alles zu kümmern. Und ausreichende Geldmittel. Ein Luxus. Mein eigenes, nicht ganz kleines Talent zum Organisieren, Planen und Entscheiden mag mir da auch geholfen haben.

Nach etlichen Wochen relativer Ruhe und mit viel Natur um mich herum muss ich mich erst wieder an eine Großstadt gewöhnen. Berlin ist ja schon für viele ein Härtetest, aber irgendwie sind die meisten Großstädte dieser Welt in ihren Strukturen ähnlich und so habe ich wenig Bedenken, mich hier durchzuschlagen. Nur die Sprache, ja, die muss ich noch bedeutend besser lernen. Ich schlief wieder ein, träumte wilde Dinge, an die ich mich nicht erinnern kann, aber die mit Sicherheit auch die mannigfaltigen Autoalarmanlagentöne einbanden. Ob es tatsächlich Anlass für deren Einsatz gab?

Gegen halb elf stand ich dann endgültig auf und versuchte, mich mit der Dusche anzufreunden. Die Wohnung ist hübsch, aber alt und der Wasserdruck ist nicht eben der Allerbeste. Aber ich werde das noch lernen: mit der einen Hand den Duschkopf auf die schampoonierten Haare halten und mit der anderen die Temperatur auf genau diesen einen schmalen Grat zwischen kochendheiß und eiskalt regeln.

Ich frühstückte das gestern erstandene Müesli mit Banane und Joghurt und winselte ein bisschen vor mich hin, weil ich den Kaffee vergessen hatte. Ein Tagesbeginn ohne Kaffee, nun ja, stellen Sie sich die Apokalypse vor, nur schlimmer. Dann telefonierte ich mit der Agentur, die hier in Chile vieles für mich erledigt hatte und fragte nach einem Autovermieter. Man gab mir einen guten Rat und telefonierte für mich, sodass ich Morgen Vormittag meinen Kleinwagen abholen kann. Endlich wieder Rechtsverkehr! Dann kann ich auch den Großeinkauf im „Jumbo Bilbao“ erledigen, denn in der Wohnung fehlen kleine Dinge, die ich bereits vermisse und für unerlässlich halte (Klobürste, Verlängerungsschnur,…).

Danach ging ich gegen halb drei einen Kaffee trinken im Benevento Jazz-Café, nur einen kleinen Fußweg von meiner Wohnung entfernt. Endlich Kaffee! Und dann noch einen so guten!

Da mir nach den langen Wochen „aushäusigen“ Essens doch sehr nach einer Eigenproduktion gelüstete, ich dringend Geld abheben musste und mir ohnehin noch die „Tarjeta Bip“, also die hiesige aufladbare Karte für U-Bahn und Bus fehlte, machte ich mich auf den Weg die Avenida Providencia entlang. Gerade rechtzeitig, um die After Work-Treffen in den Cervezerias und kleinen Cafés zu erleben. Man trinkt einen Kaffee oder ein Bier, isst ein Dulce dazu und verabredet sich möglicherweise noch für später. Da ich mich noch nicht gewappnet fühlte für den Eintritt ins Santiagoer Nachtleben, tätigte ich nur noch meine Einkäufe und ging – ja! – heim. Hier machte ich mir einen großen Salat mit meiner Hausvinaigrette (geht auch mit dem hiesigen Essig und aus Frankreich importiertem Senf) und Nudeln mit Gorgonzolasauce. Den Rest des Abends verbrachte ich auf dem Sofa, übte ein wenig meine Vokabeln und freute mich darüber, dass ich durchaus schon in der Lage bin, einfachen Handlungsabläufen der hiesigen Soap-Operas im Fernsehen zu folgen. Übrigens: TVN Chile setzt dem Bachelor/der Bachelorette übrigens ein charmantes Format namens „Match“ entgegen, in dem Kinder für ihre alleinerziehenden Eltern den passenden Partner/die passende Partnerin suchen. Nix mit Traummenschen, da präsentieren sich schon interessante Charaktere – natürlich alle gut gecastet, aber überaus amüsant zu sehen, wie sich Tochter und Sohn über die Kandidaten für ihre Mutter beömmeln.

Gegen elf ging ich schlafen, mit dem festen Vorsatz, dem Autoalarmanlagenbesitzer, den ich beim Heimkommen vor dem Haus erwischte – es war gar keine Alarmanlage, sondern einfach nur seine ganz individuelle automatische Türschließung anstatt des üblichen kurzen Biep, Bieps -, bei ausreichend vorhandenem Sprachschatz zur Schnecke zu machen. Oder vielleicht doch nicht und ich gewöhne mich einfach wieder an den Krach der Großstadt. Wir werden sehen. Es gibt ja noch einen zweiten 5. des Monats in dieser Stadt.

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