Fräulein Read On hat beschrieben, wie ihr Oktober in Irland riecht und nach dem unsrigen gefragt. Wohl an.
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Mein Oktober riecht nach den Blüten des falschen Jasmins, der hier etliche Straßen säumt. Süß duften sie, nach Hoffnung auf einen schönen Frühling, nach Hoffnung auf Liebe, auf Leichtigkeit des Sommers, nach den schönen Dingen des Lebens. Aber es ist eben nicht der echte Jasmin und falsch ist manchmal auch die Hoffnung.
Der Oktober auf der Südhalbkugel riecht nach dem lauen Wind der Anden, der noch ein wenig die Feuchtigkeit des Winters in sich trägt. Er riecht nach dem Gin&Tonic der ersten Balkonabende mit Blick auf die Berge, nach dem Lachen neu gewonnener Freunde, nach dem Vermissen alter und nach dem Versprechen, das das Leben dir manchmal gibt: es ist alles genau so wie es sein soll.
Er riecht auch nach dem, das nicht so ist, wie es einst sein sollte. Nach dem Duft der Küsse, den vertrauten Morgenkaffees, der vietnamesischen Suppe, die wir uns teilten. Er riecht nach dem letzten Kuss, den wir uns gaben. „Wir haben so viel verloren. Ich liebe dich, immer“, sagte der Verehrer. Manchmal muss man verlieren. Manchmal muss man gehen. Manchmal trifft man sich zweimal im Leben. Manchmal nicht. So riecht der Oktober auch.
Mein Oktober riecht nach frisch gewaschener Wäsche, die auf dem Balkon trocknet, nach den bunten Farben der T-Shirts, die das Grau-in-Grau des Winters ersetzen. Er riecht nach dem dunkelroten Nagellack, jetzt kann man ja wieder die Füße zeigen oder doch jedenfalls bald. Er riecht nach den Wolken, die über die Stadt ziehen, das Meer ist nicht weit und sie zeigen in Richtung Pazifik.
Der Oktober riecht nach Papier und Schweiß, nach Korrekturstift und Tränen, denn die finalen Examen stehen an und die Studenten haben sich überschätzt. „Es ist zu viel, viel zu viel“, klagen sie, aber so riecht er eben, der Ernst des Lebens. In den Büros der Unternehmen stinkt es bisweilen schlimmer, sage ich mir. Der Oktober riecht nach der U-Bahn, die ich auf dem Weg zu den Behörden nehmen muss. Nach vielen Menschen, die diesen Weg jeden Tag machen. Er riecht nach Alltag.
Mein Oktober riecht nach dem Kaffee im Büro des Chefs, der dafür verantwortlich ist, dass ich so viele Behördengänge machen muss. Der Kaffee ist kein Pulverkaffee sondern frisch gemahlen, das gefällt ihm besser und mir auch. „Deine Arbeit gefällt mir, sieh zu, dass du alle Papiere beglaubigt bekommst, dann noch ein Jahr und du kannst dir die Jobs in aller Welt aussuchen, was ich für uns aber nicht hoffe“, sagt er. Der Oktober riecht nach einer Berufung, nach dem Beginn eines zweiten Berufslebens, dann eben aber mit offiziellem Titel.
Der Oktober riecht nach dem Blondiermittel, das Madlen auf einige Strähnen meines Haars aufträgt. Ich bin das erste Mal in meinem Leben ziemlich blond und es soll noch mehr werden, denn es sieht gut aus. Und die weißen Schläfen verschwinden in schmeichelnder Helle.
Ganz am Ende des Oktobers kriechen auch hier die Hexen, die Geister und die Toten hervor, sie haben gerade geduscht und fragen nach Süßem oder Sauren. Ich gebe Süßes und denke an den einen Geist, der mir dieses Leben hier ermöglicht hat. Danke, mein Liebster. Dieser Oktoberabschied ist nur für dich.
Mhmmmm!