Bauen und halten.

Es gibt Menschen, die sind sowas wie menschlicher Mörtel. Sie verbinden Einzelne zu einem Bauwerk, das stabil ist und trotz widriger Umstände nicht umkippt. Dann und wann kommen ein paar Steine dazu, verschönern und erweitern es, und so mancher steht dann außen vor und denkt sich: Wow, das sieht gut aus! Da möchte ich auch rein.

So einer war der Mann. „K. hat wieder Zucker in der Tasche“, sagte oft sein bester Freund, wenn dem Mann wieder einmal fremde Kinder, Frauen oder ältere Herrschaften zuliefen und ihr Vertrauen schenken wollten. Sie und alle seine Freunde, Freundinnen und Wegbegleiter mochten das, diese unaufdringliche, zugewandte Art. Sehr das Gegenteil von mir, der misstrauischen Krähe, die lieber beobachtete als dabei zu sein. Aber ganz nebenbei hat der Mann auch mich eingearbeitet – nicht gemauert – in das Bauwerk seiner, unserer Freunde und Freundinnen, die ja doch mitunter viel wichtiger sind als die Familie.

Die Trauerfeier war voll mit Menschen seines Bauwerks. Unsere Freundeskreise hatten sich im Lauf der letzten Jahre unmerklich verzahnt – nicht komplett, das war uns beiden wichtig, dass wir immer auch unsere „eigenen“ Freunde hatten. Dennoch wuchs das Bauwerk weiter an, sodass auch ich meine eigenen kleinen Stückchen daran mauern durfte. Ich unternahm etwas mit den Frauen und Freundinnen seiner liebsten Freunde, vier Männer, die sich schon zu Beginn des Studiums kennengelernt hatten und zwischen die kein Blatt Papier passte. Oft standen andere vor diesem Kleeblatt und wollten dazugehören, aber da war kein Platz mehr frei. Andere Freundschaften liefen eben dann außerhalb dieser Herrenrunde, waren aber nicht minder eng und sehr geschätzt. Die Freundschaften des Mannes wären ein Lehrstück der Gruppensoziologie gewesen!

Nun bin ich auf die kleinste soziale Einheit zurückgeworfen und frage mich, wie weit ich das Bauwerk stabil erhalten kann. Nicht nur um des Mannes Werk willen, sondern auch um meiner selbst. Ich möchte nicht auf die anderen Steine verzichten, die er doch mit Bedacht ausgesucht hat. Noch eint uns die Trauer um den Mann.

Kann ich den menschlichen Mörtel neu anrühren? Vielleicht mit anderen Zutaten, die das Bauwerk erhalten? Oder wird es zusammenstürzen, Stück für Stück bröckeln?

Bauen und halten, das wird wohl jetzt meine Aufgabe sein.

5 Gedanken zu „Bauen und halten.

  1. Ich wünsche Dir ebenfalls Gelingen beim Bauen und Halten. Dazu aber auch dass Du die Balance findest, zwischen dem Bauen & Halten und dem Loslassen & Neues bauen.

    Manches bröckelt halt irgendwann und ist dann nicht mehr dauerhaft zu retten, so gerne man das auch hätte. Den Punkt zu erkennen, wo alles Bauen und Halten nichts mehr nutzt, das ist eine Kunst, gerade wenn man eigentlich erhalten möchte.

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