Kochverlust.

Rosenkohl mit Kartoffeln in der Pfanne geschwenkt, dazu Bacon und gehobelter Parmigiano und ein Schuss Muskat-Pinienkern-Sahne. Gesalzen mit Tränen.

esse

Ich werde so lange nicht mehr für mich kochen, bis ich keine Portionen für zwei bemesse und beim Einkaufen überlege, wie ich jemandem Appetit machen kann, der eigentlich nicht mehr essen möchte.

Note to self: öfter Freunde zum Essen einladen. Dann würze ich auch wieder mit normalem Salz.

[Was schön war] #kw35.

Franziskript und Mek haben immer mal wieder zusammengefasst, was für sie gerade schön war und ist. Ich finde das eine sehr probate Idee, die wirklich schönen Dinge und Erlebnisse zusammenzustellen, um sich gewahr zu werden, was für ein Glück auch in kleinen Momenten zu finden ist.

Was für mich in dieser Woche schön war? Doch, einiges. Trotz des unterschwelligen Gefühls der Unwirklichkeit, das in diese Zeit eingewebt ist.

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Am Dienstag habe ich nach sehr langer Zeit wieder einen Vortrag gehalten. Ich musste ein Konzept vorstellen, das möglicherweise bis 2021 Bedeutung haben wird. Meine Nervosität verschwand nach einigen Minuten, ebenso wie meine zu Beginn doch etwas klirrende Stimme. Am Ende stand eine Entscheidungsfrage an das Publikum. Wenn ich nicht noch seltene Lurche und Feldhamster oder Fledermäuse rauskramen muss, ist das ein dauerhaft schönes Gefühl, dass ich etwas bewegen kann.

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Die Musik auf der Trauerfeier war gut gewählt und wurde von der Trauerrednerin an den richtigen Stellen eingesetzt. Keine Requiem-Pampe, sondern einige Stücke, die den Mann ausgemacht haben. Brahms‘ 3. Sinfonie, daraus den 3. Satz. Dann zwei Klavierstücke von Carlos Ruiz Zafon, die er extra als Vertonung seines Buches „Der Schatten des Windes“ komponiert hatte. Den Choral „Vois sur ton chemin“ aus dem Film „Die Kinder des Monsieur Mathieu“, den wir beide sehr gern gesehen haben. Und dann ein Lied, das mich zum Lächeln brachte, das ganze vergangene Wochenende. Das ich immer wieder vor mich hinpfeifen musste, denn singen kann ich nicht gut: „Fly me to the moon“ in der Version von Julie London. Ich wünsche mir, dass viele Menschen dieses Lied hören und an eine Cabriofahrt an einem lauen Sommerabend denken, vielleicht über eine Landstraße, wenn es nach satten Feldern riecht, nach Weizen, Heu und einem kleinen bisschen erdiger Vorahnung auf den bald kommenden Herbst. Dann stellen Sie sich den glücklichen Mann vor, der das alles genießen kann. Diese Vorstellung und, ja, auch die Erinnerung daran, hat mich sehr glücklich gemacht. Es ist ein schönes Lied.

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Meine neue Vespa ist nicht nur schön, sondern auch sehr zuverlässig. Ein kleines, aber nicht zu unterschätzendes Glück in Zeiten des Öffentlichen Personennahverkehrs.

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Kleine, liebe Nachrichten von Menschen, die mich erkennen. Das ist schön.

Bauen und halten.

Es gibt Menschen, die sind sowas wie menschlicher Mörtel. Sie verbinden Einzelne zu einem Bauwerk, das stabil ist und trotz widriger Umstände nicht umkippt. Dann und wann kommen ein paar Steine dazu, verschönern und erweitern es, und so mancher steht dann außen vor und denkt sich: Wow, das sieht gut aus! Da möchte ich auch rein.

So einer war der Mann. „K. hat wieder Zucker in der Tasche“, sagte oft sein bester Freund, wenn dem Mann wieder einmal fremde Kinder, Frauen oder ältere Herrschaften zuliefen und ihr Vertrauen schenken wollten. Sie und alle seine Freunde, Freundinnen und Wegbegleiter mochten das, diese unaufdringliche, zugewandte Art. Sehr das Gegenteil von mir, der misstrauischen Krähe, die lieber beobachtete als dabei zu sein. Aber ganz nebenbei hat der Mann auch mich eingearbeitet – nicht gemauert – in das Bauwerk seiner, unserer Freunde und Freundinnen, die ja doch mitunter viel wichtiger sind als die Familie.

Die Trauerfeier war voll mit Menschen seines Bauwerks. Unsere Freundeskreise hatten sich im Lauf der letzten Jahre unmerklich verzahnt – nicht komplett, das war uns beiden wichtig, dass wir immer auch unsere „eigenen“ Freunde hatten. Dennoch wuchs das Bauwerk weiter an, sodass auch ich meine eigenen kleinen Stückchen daran mauern durfte. Ich unternahm etwas mit den Frauen und Freundinnen seiner liebsten Freunde, vier Männer, die sich schon zu Beginn des Studiums kennengelernt hatten und zwischen die kein Blatt Papier passte. Oft standen andere vor diesem Kleeblatt und wollten dazugehören, aber da war kein Platz mehr frei. Andere Freundschaften liefen eben dann außerhalb dieser Herrenrunde, waren aber nicht minder eng und sehr geschätzt. Die Freundschaften des Mannes wären ein Lehrstück der Gruppensoziologie gewesen!

Nun bin ich auf die kleinste soziale Einheit zurückgeworfen und frage mich, wie weit ich das Bauwerk stabil erhalten kann. Nicht nur um des Mannes Werk willen, sondern auch um meiner selbst. Ich möchte nicht auf die anderen Steine verzichten, die er doch mit Bedacht ausgesucht hat. Noch eint uns die Trauer um den Mann.

Kann ich den menschlichen Mörtel neu anrühren? Vielleicht mit anderen Zutaten, die das Bauwerk erhalten? Oder wird es zusammenstürzen, Stück für Stück bröckeln?

Bauen und halten, das wird wohl jetzt meine Aufgabe sein.

Nachlasssachen.

Wenn ein Mensch geht, bleibt nicht nur eine Leerstelle, sondern auch unendlich viel Verwaltungs- und Organisationskram. Den kann einem zumindest teilweise ein fähiges Bestattungsinstitut abnehmen (z.B. Sterbescheinbeantragung, Standesamts-, Krankenkassen- und Rentenabmeldung). Der große Rest bleibt aber den Hinterbliebenen. Es ist durchaus auch hilfreich, sich mit den Verwaltungsangelegenheiten zu befassen: es lenkt ab, schafft die nötige Distanz zum Verstorbenen oder entwickelt eine neue, respektvolle Erinnerungsnähe. Der Mann hat mir in den letzten Wochen und Monaten vor seinem Tod eine Jobübergabe der wesentlichen Dinge gemacht. Wir haben in den letzten Tagen noch einmal ganz offen über seine Wünsche bezüglich der Trauerfeier, der Bestattung etc. gesprochen. Es blieben wenige unbeantwortete Fragen. Das hat zumindest mir sehr geholfen. Nicht jeder Kranke oder Sterbende hat dieses Privileg, ebenso wie seine Angehörigen.

Dennoch bleiben etliche organisatorische Sachen, an die man nun wirklich nicht denken konnte oder die im Lauf der Zeit aufkommen und die in ihrer Gesamtheit durchaus überfordern können. Ich liste hier einmal exemplarisch einige auf. Vielleicht hilft es anderen in ähnlicher Situation.

  1. Nachlassberechnung und Vermögen zum Zeitpunkt der Hochzeit
    Ein Testament existiert, das ist schon mal hilfreich. Sind z.B. Pflichtteilsansprüche – das ist die Regel, wenn die Eheleute sich als Alleinerben eingesetzt haben und die Kinder (auch uneheliche aus früheren Beziehungen) daraus ihren Pflichtteil ableiten – vorhanden, muss das berechnet werden. Dazu kann man sich professionelle Unterstützung holen oder selbst berechnen. Ich habe mich für die Eigenberechnung entschieden. Woran man aber als Ehepartner im Falle der gesetzlichen Erbfolge, also ohne Testament, denken sollte: der Zugewinnausgleich wird vom Nachlasswert abgezogen, und dieser wird auch aus dem Kontenvermögen zum Zeitpunkt der Hochzeit berechnet. Nun habe ich zufällig feststellen können, dass die Vermögensfeststellung via Onlinebanking nur bis zu einem Zeitraum von zwei Jahren in die Vergangenheit reicht. Sie müssen sich also die Mühe machen, alte Kontoauszüge zu suchen oder sich mit ihrer Bank in Verbindung zu setzen.
  2. Versicherungen und ADAC, Trauerpost
    Teilweise schließen Versicherungen den Ehepartner gleich mit ein, z.B. Rechtsschutz. Hier müssten Sie überprüfen, ob Sie den Vertrag so fortführen können oder eventuell zu einer anderen Tarifform oder einer anderen Versicherung wechseln. Mein ADAC-Vertrag wurde zu gleichen Konditionen umgeschrieben, aber nun zu einem günstigeren Tarif. Da ich schon berufsbedingt ein großer Fan von Serienbriefen bin, empfehle ich, eine Liste mit den entsprechenden Adressen anzulegen und darauf ein Standardanschreiben mit der Information über den Sterbefall zu beziehen.Das Gleiche gilt für die Trauerpost. Ich habe mit dem Dienstleister vereinbart, Weiterlesen

Arbeit.

Langsam taste ich mich in ein Leben zurück, fern von Krankheit und Tod. Die Tage in der Klinik haben Spuren hinterlassen. Es war schwer. Es war lang. Er hat gekämpft und konnte doch nicht gehen. Sein Löwenherz, im Leben wie im Sterben.

Jeder Tag ist nun Arbeit. Das Aufstehen ist Arbeit, das Essen, das Trinken, die Verwaltung eines vergangenen Lebens. Die Arbeit selbst ist das, was noch am Leichtesten fällt. Sie gibt Struktur und fordert den Kopf, die Bilder der vergangenen Zeit auszublenden und mit neuen Bildern zu füllen.

Allein, was fehlt, ist die Trauer. Ich falle nicht in ein Loch, weine wenig, gräme mich nicht und kann durchaus lächeln. Ich funktioniere bestens. Ich bin nur so unendlich müde. Die Freundin sagt, das käme noch, mit der Trauer. Auch Trauerarbeit sei schließlich Arbeit.

In der Zwischenzeit spreche ich wenig, räume auf, putze und wische die Krankheit und den Tod aus der Wohnung.