Nachlasssachen.

Wenn ein Mensch geht, bleibt nicht nur eine Leerstelle, sondern auch unendlich viel Verwaltungs- und Organisationskram. Den kann einem zumindest teilweise ein fähiges Bestattungsinstitut abnehmen (z.B. Sterbescheinbeantragung, Standesamts-, Krankenkassen- und Rentenabmeldung). Der große Rest bleibt aber den Hinterbliebenen. Es ist durchaus auch hilfreich, sich mit den Verwaltungsangelegenheiten zu befassen: es lenkt ab, schafft die nötige Distanz zum Verstorbenen oder entwickelt eine neue, respektvolle Erinnerungsnähe. Der Mann hat mir in den letzten Wochen und Monaten vor seinem Tod eine Jobübergabe der wesentlichen Dinge gemacht. Wir haben in den letzten Tagen noch einmal ganz offen über seine Wünsche bezüglich der Trauerfeier, der Bestattung etc. gesprochen. Es blieben wenige unbeantwortete Fragen. Das hat zumindest mir sehr geholfen. Nicht jeder Kranke oder Sterbende hat dieses Privileg, ebenso wie seine Angehörigen.

Dennoch bleiben etliche organisatorische Sachen, an die man nun wirklich nicht denken konnte oder die im Lauf der Zeit aufkommen und die in ihrer Gesamtheit durchaus überfordern können. Ich liste hier einmal exemplarisch einige auf. Vielleicht hilft es anderen in ähnlicher Situation.

  1. Nachlassberechnung und Vermögen zum Zeitpunkt der Hochzeit
    Ein Testament existiert, das ist schon mal hilfreich. Sind z.B. Pflichtteilsansprüche – das ist die Regel, wenn die Eheleute sich als Alleinerben eingesetzt haben und die Kinder (auch uneheliche aus früheren Beziehungen) daraus ihren Pflichtteil ableiten – vorhanden, muss das berechnet werden. Dazu kann man sich professionelle Unterstützung holen oder selbst berechnen. Ich habe mich für die Eigenberechnung entschieden. Woran man aber als Ehepartner im Falle der gesetzlichen Erbfolge, also ohne Testament, denken sollte: der Zugewinnausgleich wird vom Nachlasswert abgezogen, und dieser wird auch aus dem Kontenvermögen zum Zeitpunkt der Hochzeit berechnet. Nun habe ich zufällig feststellen können, dass die Vermögensfeststellung via Onlinebanking nur bis zu einem Zeitraum von zwei Jahren in die Vergangenheit reicht. Sie müssen sich also die Mühe machen, alte Kontoauszüge zu suchen oder sich mit ihrer Bank in Verbindung zu setzen.
  2. Versicherungen und ADAC, Trauerpost
    Teilweise schließen Versicherungen den Ehepartner gleich mit ein, z.B. Rechtsschutz. Hier müssten Sie überprüfen, ob Sie den Vertrag so fortführen können oder eventuell zu einer anderen Tarifform oder einer anderen Versicherung wechseln. Mein ADAC-Vertrag wurde zu gleichen Konditionen umgeschrieben, aber nun zu einem günstigeren Tarif. Da ich schon berufsbedingt ein großer Fan von Serienbriefen bin, empfehle ich, eine Liste mit den entsprechenden Adressen anzulegen und darauf ein Standardanschreiben mit der Information über den Sterbefall zu beziehen.Das Gleiche gilt für die Trauerpost. Ich habe mit dem Dienstleister vereinbart, dass er meine Listen mit Adressen und Informationen nutzt. Bei zwei Kondolenzadressen (Schwiegermutter und ich) und zwei Versionen der Trauerpost (mit und ohne Einladung zur Trauerfeier im engsten Familien- und Freundeskreis) lohnt sich das schon allein deshalb, weil man nicht über 100 Adressen per Hand auf die Trauerpost schreiben muss. Bei meinem Schwiegervater war das so und ich empfand es als sehr unangenehm und auch wenig hilfreich für die Trauernden.
  3. Medikamentenentsorgung
    Stirbt ein Schwerkranker, bleiben mitunter etliche Medikamente übrig. Nicht in jedem Fall nehmen Apotheken Alt-Medikamente entgegen. Dazu gibt es im Übrigen auch gar keine Verpflichtung. In Berlin kann man sich darüber hinaus entweder eine Apotheke mit einer sogenannten Medi-Tonne suchen, die von der BSR fachmännisch be- und entsorgt wird. Oder man geht direkt zur Schadstoffsammelstelle der BSR und kann dort Medikamente und Einwegspritzen abgeben. Der Spendegedanke bei Medikamenten ist zwar schön und gut, aber wer kann denn sicher sein, dass die Arzneimittel fachgerecht aufbewahrt wurden (Stichwort Hitze)?Ein Sonderfall sind übrigens BTM-Medikamente wie Opiate oder zytostatische Arzneien. Hier habe ich mich mit der BSR in Verbindung gesetzt, aber noch keine abschließende Antwort erhalten. Daher habe ich erst einmal alle Opiate in den Tresor gepackt. Fentanyl und Capras sind auf dem Drogenmarkt keine unbekannten Waren.
  4. Kleidung
    Es dauert bei dem einen länger, bei dem anderen kürzer, bis er die Schränke ausräumen und die Kleidung und Schuhe des Verstorbenen zur weiteren Verwendung bündeln mag. Ich habe die sichtbaren Kleidungsstücke (Jacken, Schuhe, Kappen) von der Garderobe im Flur relativ schnell zur Altkleidersammlung gebracht. Mit dem Schrankinhalt tue ich mich ein wenig schwerer. Alles ist frisch gewaschen, gebügelt und zusammengelegt, dafür habe ich in den ersten Tagen nach des Mannes Tod gesorgt. Aber was tun damit?Eine, wie ich finde sehr schöne, Idee hat Frau Ringelmiez dazu umgesetzt: Sie fertigt Quilts aus der Kleidung Verstorbener. Ich hatte es auch überlegt, aber es passt nicht zu mir, und es würde mir deutlich schwerer fallen, den Quilt dann in eine Ecke zu verbannen, weil er dann doch nicht die Würdigung im Alltag erhielte. Eine andere Überlegung war die Frage an Freunde, ob sie nicht ein Erinnerungsstück haben wollten. Aber wer mag das schon? Und ein Hawaiihemd oder ein Motorradlieblingsshirt sind ja so persönliche Geschmäcker, dass es mich eher irritieren würde, wenn ein anderer diese Stücke tragen oder aufheben würde.

    Nach dem Tod meiner Großmutter habe ich etliche Kostüme, Jacken und Trachten übernommen, einfach, weil ich sie schon zu ihren Lebzeiten für besondere Anlässe (Fasching…) ausborgen durfte. Das ist sicherlich etwas anderes. Nun werde ich die Kleidung nach und nach bündeln und der Altkleidersammlung, Oxfam oder Humana überantworten. Ich freue mich allerdings auch ein wenig über den bislang neu gewonnenen Platz. Wir haben zu zweit doch sehr beengt unseren Schrank aufgeteilt.

  5. Technik und Verkäufe
    Der Mann war ein Technikfreak, anders kann man es nicht sagen. Ich glaube, ich könnte die halbe Weltbevölkerung mit Mehrfachsteckern, Kabelverlängerungen und diversen Batterien versorgen. Ich sortiere nach und nach und stelle das, was ich nicht unmittelbar benötige, den Notunterkünften für Flüchtlinge zur Verfügung. Dort ist in der Regel immer Bedarf für Kabelagen und Mehrfachstecker.Was die sehr komplizierten Geräte wie die Profikaffeemaschine, die Kaffeemühle und den schicken Tamper betrifft, die mir zwar in der Vergangenheit wunderbaren Espresso, Kaffee crema und anderes bescherten, aber laut, kompliziert und platzraubend sind: das geht in den Verkauf. Die Tochter des Mannes wird sich über ein paar Extra-Euros freuen. Auch das Motorrad des Mannes muss noch einen Käufer finden. Einen, der Gutes damit tut.

    Man sollte sich nicht zu schade sein, die Dinge der Verstorbenen zu verkaufen. Manchmal ist es besser, den Keller oder Speicher frei zu machen und Platz zu schaffen für Neues.

Sie sehen, es bleibt noch viel zu tun. Sollten Sie einmal in der Situation sein, hoffe ich, dass Sie die Kraft und den Pragmatismus besitzen, sich mit der Verwaltung zu befassen. Falls nicht: lassen Sie sich helfen. Jeder Trauerfall, jede Trauer ist individuell. Und manchmal ist es gut, anderen die Verantwortung zu überlassen.

Ein Gedanke zu „Nachlasssachen.

  1. danke. das ist sicher für viele hilfreich.
    übrigens: in hamburg (und möglicherweise auch anderswo, läßt sich sicher leicht klären) darf man medikamente auch in den hausmüll geben, weil der ausnahmslos verbrannt wird.
    (dir weiterhin alles liebe für diese zeit.)
    (gehts der schwiemu wieder besser?)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert