Vertrauensarzt.

Bestimmt kennen Sie das auch? Jahrelang sind Sie bei Ihrem Zahn-, Haut-, Augen- oder Frauenarzt* und eigentlich ganz zufrieden. Dann wechselt er die Praxis, nimmt noch einen Kompagnon auf oder er geht in Rente und ein anderer Kollege hält jetzt die Patientenkartei in den Händen. Oder er steht unter Druck. Dann werden Sie ganz schnell unzufrieden.

Wie, unter Druck, denken Sie? Dazu müsste ich jetzt weit ausholen und die Erklärungen herunterrasseln, die mir der verstorbene Mann – seines Zeichens Facharzt und zwar nicht einer von jenen, die richtig viel Kohle mit ihrer Fachrichtung machen – immer gab. Kurz gesagt: der Kostendruck in Praxen ohne viele Privatpatienten steigt, daher versuchen Ärzte auch, IGEL-Leistungen zu verkaufen, und sie schleusen in der Regel mehr Patienten durch als einer intensiven, patientenbezogenen Untersuchung gut täte. „Ein guter Patient ist einer, der nichts hat und im Quartal auch nicht wiederkommt“, so sieht die Idealformel aus, sagte der Mann immer. (Er war ein sehr guter Arzt, ganz ohne Killefitz, und behandelte jeden gleich und gut! Das nur am Rande.)

Grundsätzlich ist mir das als Patientin aber ziemlich egal. Ob ich nun nur zur regelmäßigen Kontrolle gehe oder ein akutes Problem habe – ich möchte eine gute und fachlich ordentliche Untersuchung haben. Mir reicht es auch, wenn die Kommunikation Arzt-Patient auf ein Minimum beschränkt ist, aber ein wenig Zeit muss der Arzt doch aufwenden. Schade halt, wenn der diese Qualitäten mitbringende Arzt nicht mehr verfügbar ist, siehe oben genannte Gründe.

Und wenn, wie eben geschehen, die jährliche Kontrolluntersuchung meiner Gynäkologin so schlampig ausfällt wie ich es noch nie erlebt habe – und ich habe mindestens sechs sehr gute Fachkollegen vor ihr gehabt, die trotz Kosten- und Zeitdrucks mehr als drei Minimalabtastungen durchgeführt haben, aber nun leider nicht mehr verfügbar sind. Dann, ja, dann muss ich mir einen neuen Kollegen suchen.

Mein Vertrauen hat sie nicht mehr.

*Hier könnte übrigens auch ein generisches Femininum stehen. Tut es halt aber nicht. Vielleicht im nächsten Blogeintrag. Des Ausgleichs wegen.

Alltagsmarginalien (4).

So eine erzwungene Auszeit hat mitunter seltsame Auswirkungen. Zum Beispiel mein Tagesrhythmus. Ich bin ja eher eine „Eule“. Ein Morgen ohne Kaffee ist ein verschenkter (und für meine direkte Umwelt schwieriger) Morgen, ich komme am späten Vormittag in meine sozialkompatible Phase und nachmittags zwischen 15 und 17 Uhr bin ich unglaublich gut im Texte schreiben. Dafür halte ich abends länger durch. Meine Schlafenszeit ist zwischen halb 12 und halb eins.

(Sie merken: wir haben keine Kinder.)

Ich zwinge mich aber mit preußischer Disziplin zum frühen Aufstehen, Miteinanderreden und arbeiten, mit ganz unterschiedlichen Qualitäten und Ergebnissen.

Aber zurück zur Eule. Seit Beginn meiner Bänderriss-Auszeit verschiebt sich mein Tagesrhythmus eindeutig in Richtung meiner chronobiologisch angelegten Eulen-Gene. Vor halb neun bin ich nicht wach, ich lege gern nochmal ein Mittagsschläfchen auf dem Sofa ein und komme ansonsten definitiv noch später ins Bett als vorher.

Ich verlottere. Oder mein Körper will es so. Nein, meine GENE wollen es so! Und wer kann schon gegen seine Anlagen? Ich muss da wohl dringend was an meinem Tagesrhythmus ändern, wenn ich wieder arbeitsfähig bin.

 

Glätteisen.

Das erste Mal habe ich an Botox gedacht, nachdem mir ein Surfbrett auf den Kopf gefallen war. (In einer Dachwohnung eines Talkshow-Moderators. Ganz ohne Wasser. Mit Gehirnerschütterung. Fragen Sie nicht.)

Denn unangenehme (eine Woche lang eine fette Beule auf der Stirn) und angenehme (die beiden dicken Stirnfalten waren erst unsichtbar und dann längere Zeit gemildert) Folgen hielten sich in meiner Wahrnehmung die Waage. Das Surfbrett-Erlebnis spielte sich in meinen frühen Dreißigern ab und seitdem hat die Zeit, haben die Lebenserfahrungen in meinem Gesicht und an meinem Körper durchaus ihre Spuren hinterlassen.

Mit meinen Fältchen und Falten, mit den kleinen und großen Polstern kann ich ziemlich gut leben, daran leide ich jedenfalls nicht. Aber diese beiden horizontalen Stirnfalten, die wurden mit der Zeit immer ein bisschen tiefer. Denkerstirn trifft es nicht ganz, eher afrikanischer Grabenbruch, und das gefiel mir nicht mehr. Darum habe ich mich im befreundeten Ärztekreis kundig gemacht und ließ mich nach eingehender Beratung durch die Medizinerin und Prüfung meines Kontostandes botoxen.

Vier kleine Minimaldosen wurden in den oberen Bereich meiner Stirn gespritzt. „Dann haben Sie auch weiterhin Mimik und Ihre Augenbrauen fangen nicht an zu hängen“, erklärte die Ärztin, denn ich wollte nur eine kleine Faltenminderung und nicht aussehen wie Renée Zellweger. Es piekste ein winziges bisschen, war aber sehr erträglich. „Wundern Sie sich nicht, der erste Effekt zeigt sich in drei Tagen“, gab mir die Ärztin zusätzlich zum Kühlkissen mit auf den Weg. „Und rechnen Sie mit Kopfschmerzen!“

Also wartete ich. Die Kopfschmerzen kamen verlässlich, gingen aber am Tag 2 vorbei. Tag 3 kam und nichts passierte. Meine Runzelstirn war weiterhin beweglich wie die von Stan Laurel, die Falten deutlich und präsent. Ein wunderschöner Herbstnachmittag, wir fuhren über Land, und die Sonne schien in einem letzten Aufbäumen warm vom Himmel. Hinterher hatte ich einen leichten Sonnenbrand, so fühlte es sich jedenfalls an. Bewegen ließ sich der Musculus frontalis immer noch. Ich ging zu Bett. Um am Tag 4 mit einer Betonstirn zu erwachen. Das Augenbrauenheben ging, war aber deutlich mühsamer als sonst. Ein unsichtbares Band lag um meine Stirne.

Am Tag 5 war irgendwas mit meinem Lachen passiert. Ich lachte, aber mit angezogener Handbremse, so jedenfalls mein Empfinden. Nun habe ich derzeit nicht so viel zu lachen, aber irgendwas ist ja immer und dann lache ich sehr breit und laut und mit allen Muskeln. Es schien aber niemandem aufzufallen, was mir deutlich mehr Sorgen machen sollte. An Tag 6 sprach mich dann doch Kollegin I an, die ihre – wenig erfolgreiche – Botox-Erfahrung bereits gemacht hatte. Ich sähe entspannter aus, ob sich denn daheim wieder alles ein wenig zum Besseren wenden würde?

Nun haben wir Tag 7 und ich beginne, mich an meine fast glatte Stirn zu gewöhnen. Das Lachen geht wieder, wie mit dem Glätteisen gezogen sehe ich zum Glück nicht aus. Ich bin gespannt, wie das Experiment weitergeht und ob ich es dabei belasse.

Im Zweifelsfall: Kann mir einer von Ihnen ein Surfbrett leihen?