Kinder, Kinder.

In dieser Woche wurde ich spontan zum Abendessen in Familie eingeladen. Von den beiden Jungs im Teeniealter ist der jüngere wohl gerade sehr zwischen dem Noch-nicht-Teenager und Nicht-mehr-ganz-Kind. Er taxierte mich vorsichtig und unsicher, um herauszufinden, wer und wie ich denn wohl sei. Beim Beobachten der familiären Rituale und dem Lauschen der Pubertätsthemen fiel mir einmal mehr auf, wie wenig ich doch über Kinder oder junge Erwachsene weiß. Ich bin einfach irgendwann nicht mehr in Kontakt mit ihnen gekommen. Mein Patensohn ist im Grundschulalter und wir unternehmen dann und wann etwas gemeinsam, aber mehr eintauchen in diese jungen Leben konnte ich nie.

Mein Kind, das ich damals nicht bekommen konnte (und wollte), wäre heute 15 Jahre alt. Die anderen, nie gewachsenen, würden mit dem Patensohn gemeinsam Fußball spielen. Was würde ich ihnen mitgeben, wenn sie noch bei mir wären? Wie würden wir miteinander leben? Welche Themen hätten wir? Würden sie mich ebenso wahnsinnig machen wie ich meine Eltern?

Ich glaube, das Wichtigste was ich versuchen würde, ihnen zu vermitteln, wäre, dass sie keine Angst vor dem Leben und auch vor dem Tod haben müssen. Dass alle schlimmen Erlebnisse und Erfahrungen immer nur temporäre Ereignisse sind, die zwar wehtun und manchmal auch lange nachhallen, sie aber letztendlich vorbeigehen und von schönen Dingen überlagert werden. Dass Menschen nicht immer sehr nett zueinander sind, aber sie sich auf die Suche nach jenen machen sollen, die für immer und ewig sind. Und dass sie alles schaffen können, was sie wollen (vorausgesetzt, sie bleiben im halbwegs legalen Rahmen).

Als kinderloser Mensch wird man ja gern von Eltern darauf reduziert, dass man sich keine Meinung zu Sprösslingen oder Erziehungsfragen erlauben dürfe. Anne weiß ein Lied davon zu singen.kinder

Was mich daran erinnert: ich muss mir mal wieder den Patensohn schnappen und Trampolinspringen gehen, in ein Mitmachmuseum oder einfach auf umgestürzten Bäumen balancieren. Und ein bisschen an ihm herum erziehen. Auf Pfiffe reagiert er übrigens ganz ausgezeichnet.

[Was schön war] #kw35.

Franziskript und Mek haben immer mal wieder zusammengefasst, was für sie gerade schön war und ist. Ich finde das eine sehr probate Idee, die wirklich schönen Dinge und Erlebnisse zusammenzustellen, um sich gewahr zu werden, was für ein Glück auch in kleinen Momenten zu finden ist.

Was für mich in dieser Woche schön war? Doch, einiges. Trotz des unterschwelligen Gefühls der Unwirklichkeit, das in diese Zeit eingewebt ist.

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Am Dienstag habe ich nach sehr langer Zeit wieder einen Vortrag gehalten. Ich musste ein Konzept vorstellen, das möglicherweise bis 2021 Bedeutung haben wird. Meine Nervosität verschwand nach einigen Minuten, ebenso wie meine zu Beginn doch etwas klirrende Stimme. Am Ende stand eine Entscheidungsfrage an das Publikum. Wenn ich nicht noch seltene Lurche und Feldhamster oder Fledermäuse rauskramen muss, ist das ein dauerhaft schönes Gefühl, dass ich etwas bewegen kann.

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Die Musik auf der Trauerfeier war gut gewählt und wurde von der Trauerrednerin an den richtigen Stellen eingesetzt. Keine Requiem-Pampe, sondern einige Stücke, die den Mann ausgemacht haben. Brahms‘ 3. Sinfonie, daraus den 3. Satz. Dann zwei Klavierstücke von Carlos Ruiz Zafon, die er extra als Vertonung seines Buches „Der Schatten des Windes“ komponiert hatte. Den Choral „Vois sur ton chemin“ aus dem Film „Die Kinder des Monsieur Mathieu“, den wir beide sehr gern gesehen haben. Und dann ein Lied, das mich zum Lächeln brachte, das ganze vergangene Wochenende. Das ich immer wieder vor mich hinpfeifen musste, denn singen kann ich nicht gut: „Fly me to the moon“ in der Version von Julie London. Ich wünsche mir, dass viele Menschen dieses Lied hören und an eine Cabriofahrt an einem lauen Sommerabend denken, vielleicht über eine Landstraße, wenn es nach satten Feldern riecht, nach Weizen, Heu und einem kleinen bisschen erdiger Vorahnung auf den bald kommenden Herbst. Dann stellen Sie sich den glücklichen Mann vor, der das alles genießen kann. Diese Vorstellung und, ja, auch die Erinnerung daran, hat mich sehr glücklich gemacht. Es ist ein schönes Lied.

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Meine neue Vespa ist nicht nur schön, sondern auch sehr zuverlässig. Ein kleines, aber nicht zu unterschätzendes Glück in Zeiten des Öffentlichen Personennahverkehrs.

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Kleine, liebe Nachrichten von Menschen, die mich erkennen. Das ist schön.

Scheitern.

Gern reichere ich meine Texte/Lebensanschauungen und Welterklärversuche mit Zitaten anderer Leute an. Meine Fans mögen das. Selbstredend vergesse ich nie, die Urheber zu nennen.

Zurzeit bewegt mich das Thema Scheitern. Berufliches, privates, allgemeines und technisches Scheitern. Überhaupt: einen Tag ohne Scheitern, den gibt es in meinem Leben eigentlich nicht. Das fängt schon damit an, dass ich es sehr selten schaffe, genügend Schlaf zu generieren. Ich gehe immer zu spät ins Bett oder scheitere am Einschlafen. Meine Tage enden oft gegen halb zwei Uhr und beginnen dann um viertel vor sieben. Und das ganz ohne Kinder, stellen Sie sich das mal vor! Dergestalt bin ich von kosmetischen Wundermitteln wie Concealer und pastös-langhaftendem Make Up abhängig. Aber das sind ja alles nur Peanuts.

Berufliches Scheitern ist ja viel schlimmer als Augenringe bis zu den Knien. Berufliches Scheitern knabbert an den Rändern der Existenz, stellt in unserer Leistungsgesellschaft den Menschen in Frage. Ich bin in meinem Berufsleben schon das ein oder andere Mal gescheitert. Es nagt und bohrt auch Jahre danach immer noch, dass ich es nicht geschafft habe, mein erstes Studium abzuschließen oder doch zumindest deutlich früher zu schmeißen, dass ich meinen Traum, Journalistin zu werden, nicht mit allem Elan weiter verfolgt habe, dass ich mich in manchen Situationen nicht härter, klarer, fordernder ausgedrückt habe und in anderen wiederum zu sehr. Wer weiß, wo ich heute wäre. Ich streue ein Zitat ein:

„Aus den Trümmern unserer Verzweiflung bauen wir unseren Charakter.“ (Ralph Waldo Emerson)

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