Was in der vergangenen Woche schön war, in der Reiseedition zwischen Moskitos, Rentnern und Großstadtschluchten.
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Zwei schöne, lange, anstrengende Ritte durch den Algonquin-Regionalpark gemacht. Trotz Dauerregens – und hier hat sich mein sonst anlässlich Berliner Wolkenbrüche auf der Vespa zu tragendes „Zelt“, also mein überdimensionierter Regenumhang schon zum zweiten Mal sehr bewährt. Zumal sich die Moskitos an der wenig atmungsaktiven Oberfläche die Saugrüssel eindellten. Jedenfalls: ich glaube, ich kann jetzt langsam reiten. Das Pferd geht in der Regel dahin, wohin ich möchte, es wechselt die Gangarten, wenn ich das möchte und mich an irgendwelchen Sträuchern oder Bäumen abzustreifen hat auch keines mehr versucht. „You’re a horsewoman“, sagte die Tourbegleiterin, „you know what they think.“ Ich mache also weiter mit diesem lang vergessenen Hobby.
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Auf dem Weg zu den Niagarafällen in einer bezaubernden kleinen Rentner-Disneystadt gelandet. In Niagara on the lake ist alles ein bisschen wohlhabender, ein bisschen ruhiger und ein bisschen britischer als im Rest des Landes. Der Landlord meines Hotels erklärte, dass der überwiegende Teil der Bewohner Beamte mit sicherem Pensionsanspruch oder alteingesessene Torontoer seien, die ihre Grundstücke oder Häuser in den vergangenen Boom-Jahren zu Gold gemacht hätten, um sich hier in der Idylle am Ontario-See überdimensionierte georgianische Villen zu kaufen, um dann mit ihren hässlichen kleinen Schoßhunden zweimal am Tag spazieren zu gehen. Ich fand es sehr hübsch dort, ich joggte am See entlang und durch die Villenviertel. Niemand nervte mich, und im Theater war ich auch.
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In Toronto im Hotel ein Upgrade bekommen, ganz ohne Zutun, einfach nur so, weil die Rezeptionistin Berlin mag und die Freiluftkaraoke im Mauerpark ihr so gefallen hat. Im 16. Stock eine Suite zu bewohnen und ein wenig mehr als die engen Hochhausschluchten zu sehen, hat etwas. Toronto ist wie alle kanadischen Städte bisher: Großstadt und für mich ein sicherer Ort, weil schlimmer als Berlin an manchen Orten geht auch kaum. Wohlgefühl, weil alles funktioniert, wie es soll, gepaart mit dem Gedanken, dass es anderswo nicht so toll ist. Und der Sehnsucht nach genau diesen unperfekten Orten wie Buenos Aires und, ja, auch Santiago, wo der Boden immer wieder atmet.
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Immer noch viele Nachrichten mit dem Verehrer ausgetauscht, langsam kommen wir in den Rhythmus, dass wir uns ganz freundschaftlich aneinander erfreuen können und gemeinsam die jeweils gewünschte Fremdsprache lernen (er: Englisch verbessern, ich: Spanisch nicht vergessen). Wir fragen uns abendlich nach den Fortschritten ab und stellen uns kleine Aufgaben. Dass er sich immer noch sehr um mich sorgt, aus der Ferne und doch so ausdauernd, freut. Auch, als ich am Ontario-See entlang fuhr und wie aus heiterem Himmel eine tiefe Traurigkeit ob des Mannes Tod vor fast einem Jahr auf mich fiel und er mir viele kleine aufmunternde Sprachnachrichten sandte. Ich glaube, ich habe einen guten Freund gefunden. Auch nicht alltäglich.
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Mit der Freundin telefoniert und geerdet worden. „Du kommst jetzt erst einmal wieder nach Hause, und dann sehen wir weiter. Mach dir keine Sorgen, du findest Arbeit, da warten Menschen auf dich und helfen dir, wieder in das Leben zurück zu finden. Wir sind für dich da.“
. Wie gut, solche Freundinnen zu haben, nicht wahr? Ich muss mir jetzt auch eine neue Arbeit suchen. Und bin eigentlich grotesk erschöpft. Wir schaffen das, wir Witwen, irgendwie. Gute Reise.
Nehmen Sie sich die Zeit, bitte. Die Erschöpfung nimmt soviel Lebensenergie. Natürlich schaffen wir das, wir sind Überlebende und werden auch wieder ein Leben haben! Ein gutes, ein schönes. Wenn wir es wollen und uns Zeit nehmen.
Den Comedian Harmonists Ohrwurm (Ein Freund, ein guter Freund …) werde ich heute wohl nicht mehr aus den Ohren bekommen. Auf seine Art ist das ja auch schön.
Ja, manches hält dann doch länger als gedacht… 😉