WMDEDGT 01/20.

Sie wissen ja vermutlich alle schon, was WMDEDGT ist? Wenn nein: Frau Brüllen erfand vor einigen Jahren diese schöne Tradition des monatlichen Tagebuchbloggens, in der – mehr oder weniger – minutiös der Ablauf eines jeden 5. eines Monats festgehalten werden solle.

Seit einer Woche bestimmt meinen Tagesablauf noch jemand mit. Max ist ein Straßenhund, der recht unverhofft in mein Leben trat, aber um so mehr bereichert. Ich wollte eigentlich jemanden in einem ganz anderen Viertel in ganz anderen Lebensumständen besuchen und fand auf einer Seite für Adoptionshunde zufällig das Bild eines Fiffis, der ganz in der Nähe sein temporäres Zuhause hatte. Kurz entschlossen rief ich dort an und vereinbarte einen Termin, um den Kleinen kennenzulernen. Gesagt, getan und wie das so ist, es gab auf beiden Seiten eine Spontanverliebtheit. Max ist seitdem bei mir und lernt jeden Tag dazu. Einen acht Monate alten Hundejungen zu erziehen ist nicht eben leicht, aber erstens bin ich mit Hunden und anderen Haustieren aufgewachsen und zweitens gibt es auch für Hundeprägung ganz gute Youtube-Tutorials. Aber ich schweife ab.

Um viertel vor acht wachte ich auf, neben mir schnarchte – nicht der Hund – der Caballero, der vorerst wieder dann und wann mein Sozial- und Sexleben bereichert. Ich überlegte, ob ich gleich den Hund auswringen gehen sollte oder lieber noch ein bisschen warten und entschied mich für letzteres. Ich schlief noch eine knappe Dreiviertelstunde und stand dann auf. Nach einer Katzenwäsche sammelte ich den freudig fiependen Max im Wohnzimmer ein (er hat Schlafzimmerverbot, wenn ich meine Ruhe will und schläft auch dort auf seinem Kissen). Wir gingen zwanzig Minuten seinen nunmehr schon gewohnten Morgengang. Ich kann mittlerweile ganz gut abschätzen, wann er sein Geschäft machen muss und halte die Tüte parat. Liebe deutsche Hundebesitzer, insbesondere die Berlins: es geht. Man kann einen Hund haben und trotzdem dafür sorgen, dass kein Häufchen liegenbleibt, weder auf noch neben dem Gehweg. Ich halte diese Minitüten für eine zivilisatorische Errungenschaft und rate zu deren Anwendung.

Danach fütterte ich Max mit der üblichen dreiviertel Tasse Trockenfutter, knuddelte ihn kurz durch und machte die Schlafzimmertür wieder hinter mir, um noch ein wenig die männliche Gegenwart zu genießen. Bis um zwölf Uhr mittags der Caballero außer Haus ging, um seine beiden halb- und erwachsenen Söhne endlich im neuen Jahr begrüßen zu können. Die Knilche hatten ihren Vater am Neujahrstag nämlich erst vertröstet und ihm dann ganz abgesagt – wegen Kater. Ich hatte Hunger und machte mir mein Sonntagmittagfrühstück: Speck, Rührei, Avocado und Toast. Während ich aß und im Internet las, lag Max neben mir auf seinem Handtuch und träumte mit zuckenden Pfoten vor sich hin.

Um halb drei mussten wir los. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, für einen Artikel über Tourismus in der Krise ein paar Fotos in der Innenstadt zu machen. Ich war ja schon einige Male vor Ort, auch bei Demonstrationen und als ich mich mit einer Freundin in einem Café traf. Aber an einem Sonntagnachmittag ist die Innenstadt Santiagos menschenleer, der Parque Forestal, vormals dicht mit Familien, Liebespaaren und Radlern sowie etlichen Straßenhunden besetzt, zeigte sich karg, verwüstet und traurig. Ich hatte in der Nähe in einem Parkhaus geparkt, was sich auch als gut erwies. Mit Max an meiner Seite wurde ich nicht blöd angemacht, sondern sogar von den üblichen Verdächtigen (Obdachlose, Aggroanarchisten und Drogis) wenn nicht mit einem Lächeln bedacht so doch wenigstens ignoriert. Anders als die Gruppe Touristen, die vor der Fuente Alemana, einem Denkmal, finanziert von deutschstämmigen Chilenen, stand und sich von einigen der üblichen Verdächtigen bepöbeln lassen mussten. Auch eine englische Familie, die mich nach dem Weg fragte, wurde blöd angemacht. Ich empfahl ihnen einen anderen Weg als angedacht. Man muss Dinge nicht provozieren. Überhaupt: es herrschte generell ein ungutes Gefühl und da verlasse ich mich auch gern auf meinen Bauch. Ich lief die Route ab, machte meine Fotos von aufgerissenen Gehwegen, Graffitis an Kulturerbedenkmälern und mich schnellstmöglich wieder von dannen, als die ersten Rauchbomben auf der Plaza Baquedano gezündet wurden. So schnell kann eine sehr ansehnliche, belebte Innenstadt ausbluten.

Gegen zwanzig nach vier waren wir glücklich wieder Zuhause angekommen und Max bekam erst einmal einen Minikauknochen, den er unter dem Teppichvorleger versteckte und erst nach etwas hilflosem Suchen wiederfand. Ein intelligentes Kerlchen, aber manchmal etwas konfus… Ich setzte mich ans Laptop, um die Fotos herunterzuladen und an die Redaktion zu schicken. Morgen geht es an die Finalfassung des Artikels, eine komplette Seite (halbrheinisches Format) ist zu füllen, aber ich bin so gut wie fertig, es fehlen noch Bildunterschriften und ein Insert. Gegen sechs Uhr wechselte ich auf die online verfügbare Zusammenfassung der wöchentlichen Klatschsendung bei einem Boulevardsender und wurde wieder einmal nicht enttäuscht – das Dschungelcamp dräut und ich gestehe, dass Sonja Kirchberger tatsächlich der einzige „Promi“ ist, den ich kenne. Alle anderen: Fehlanzeige. Ich bin jetzt wohl eine andere Generation.

Um viertel vor acht machte ich die Abendrunde mit Max, der diesmal die erste Lektion „Acht um die Beine“ laufen lernte. Das scheint ihm Spaß zu machen und der Tennisball, den ihm eine Freundin gestern mitgebracht hatte, wurde erstmals als Spielobjekt ausgetestet. Danach gab es die zweite Runde Futter und eine Kuschelrunde. Dieser  Hund ist komplett verschmust! Am liebsten liegt er auf dem Rücken ausgestreckt und lässt sich den Brustkorb kraulen. Danach war ich müde und zog mich mit einem Netflix-Film ins Schlafzimmer zurück. Gute Nacht.

 

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