Digitale Kuschelstunde.

Das Ausbildungs-, Universitäts- und Schuljahr beginnt in Chile am 1. März und nicht wie in Deutschland im August/September/Oktober. Am 3. März haben wir unsere neuen Auszubildenden (35) in drei kaufmännischen Berufszweigen feierlich in unseren Schulräumen begrüßt und zwei Tage Kennenlernen und Seminare zu den Themen Zeit-, Selbst- und Stressmanagement, Teamarbeit, Organisationsstrukturen und weitere Skill-Workshops durchgeführt. Danach hatten wir genau eine Woche Präsenzunterricht, bevor es hieß: Eine Schülerin hat sich angesteckt, alle bitte in institutionelle Quarantäne und flott überlegen, wie man von Zuhause aus unterrichten kann.

Wir sind ein Team von 11 Kolleg*innen, die typische kaufmännische Berufsschulinhalte unterrichten sowie Englisch, Spanisch und Deutsch (jeweils mit Wirtschaftsfokus). Unsere Schüler*innen kommen meistens mit 18 Jahren direkt von den Colegios oder haben ein Studium abgebrochen und versuchen eine Alternative. Alle haben mehr oder weniger gutes Deutsch an der Schule gelernt. Die meisten haben noch kein B2-Zertifikat, das sie zum Abschluss der Ausbildung benötigen. Diese erhalten gezielt Förderunterricht in Kooperation mit dem Goethe-Institut und machen am Ende des 2. Ausbildungsjahres eine B2-Prüfung. Alle anderen sind bei mir im Deutschkurs.

Wir hatten ja bereits eine Situation, in der wir die Möglichkeiten digitalen Unterrichts ausloten mussten: Im Oktober 2019 gab es in Chile derartige soziale Unruhen, dass drei Wochen lang ein geregelter Unterricht nicht denkbar schien. Wir haben daraufhin einige Plattformen geprüft, ob sie für unseren Unterricht geeignet sein könnten. Die Formate von Google und Apps hatten sich angeboten, weil die Mailadressen der Schule mit Gmail gekoppelt sind. Die Regelungen des Datenschutzes lasse ich mal außen vor, das ist hier in Chile bislang wenig Thema. Ich führe aber einmal aus, wie und mit was wir arbeiten:

– Gmail
Unser Mailsystem mit entsprechenden Verteilern, die über das interne Mailsystem des Schulverbunds geregelt werden. Relativ verlässlich und per App auch mobil abrufbar. Ich verschicke in der Regel den Meet-Link für den Unterricht und die darin zu erwartenden Unterrichtsinhalte. Nach dem Unterricht schicke ich eine Mail mit den Links zu den in Drive hinterlegten Materialien oder hänge die Dateien an. Was sich leider nicht durchgesetzt hat: selbstständige Handhabe von Google Drive. Die Schüler*innen finden sich selbst in unser gut organisierten Ordnerstruktur nicht gut zurecht. Das müssen wir überarbeiten.

– Meet
Unser Schwesterinstitut hatte bis vor kurzem zoom für den Online-Unterricht, aber wir haben uns für Meet entschieden, weil unsere Gruppen relativ überschaubar und seit Kurzem Gruppenarbeiten auch in weiteren Meet-Räumen möglich sind, ein Vorteil, den bislang zoom hatte. Wir lassen unsere Schüler*innen zu Beginn der Unterrichtsstunde die Kameras anschalten und begrüßen uns gegenseitig während der Anwesenheitskontrolle. Alles wird in ein schulinternes System eingegeben, wo auch Noten, Unterrichtsprotokolle etc. hinterlegt sind. Das haben wir im Übrigen auch im Präsenzunterricht so gestaltet, denn alle Lehrerpulte haben Laptops, die mit Beamer und/oder Dokumentenkamera verbunden sind. Whiteboards gibt es noch nicht (teuer). Dann machen viele ihre Kamera aus, weil sie zurzeit auch weit entfernt bei ihren Familien leben und die Internetverbindung manchmal nicht ausreicht.

Ich teile meine Unterrichtsinhalte über den Bildschirm. In der Regel unterrichte ich Wirtschaft mit einer Powerpoint-Präsentation und reichere mit Videos, Gruppen- und Einzelübungen und Q&A-Runden an, um Wissen zu vermitteln und verfestigen. Fremdsprachenunterricht ist mit diesen Mitteln etwas schwieriger, aber ich mache eben mehr Übungen und versuche, meine Schüler zu Diskussionsrunden zu motivieren. Ich habe aber die Möglichkeit, meine Sprachunterrichtinhalte mit dem Wirtschaftsunterricht zu verzahnen und so Wortschatz zu wiederholen und anzureichern. Soviel zum Thema Methodik.

Manchmal machen wir auch Quatsch. Ich fordere die Schüler*innen auf, mir Fotos von ihren Hausschuhen zu schicken oder wir prosten uns mit Kaffee zu und sprechen kurz über die aktuell trendige Musik.

– Classroom
Classroom ist eine Plattform aus der Google-Familie, mit der sich online Übungen machen lassen und hinterher an den Lehrer geschickt werden. Ich baue die Übungen in der Regel so auf, dass sie bei der Rückgabe (online) gleich die richtige Antwort bekommen und spare mir für einige Teile eine Besprechung. Im Sprachunterricht lassen ich sie erst einen Lückentext mit dem entsprechenden Korrespondenzaufbau machen und danach frei einen (baugleichen) eigenen Text anhand eines typischen Falles (Angebot, Reklamation etc.) schreiben, den ich dann händisch korrigiere. Händisch heißt: Ich kopiere die Antworten in Word und schreibe Kommentare und Korrekturen.

– Weitere Möglichkeiten zur Interaktion, die ich aber selten nutze, weil kostenpflichtig oder kompliziert: miro.com, kahoot, mentimeter und einige mehr

Mit diesen drei Elementen lässt sich ein Online-Unterricht für Erwachsene ganz gut handhaben. Wir werden bis Ende des Schuljahres keinen Präsenzunterricht in der üblichen Form durchführen. Bei einer Umfrage unter unseren Schüler*innen haben sich aus dem 1. Ausbildungsjahr 3 Prozent und aus dem 2. Ausbildungsjahr 13 Prozent für eine Rückkehr zum Präsentzunterricht im November ausgesprochen. Wie das dann ab kommenden März aussieht, steht noch in den Sternen. Aber das Bildungsministerium hat zumindest für die Erwachsenenbildung freigestellt, ob und wann die Institute zurückkehren.

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