Frau Brüllen hat’s erfunden und so schreiben am 5. eines jeden Monats viele Menschen, was sie eigentlich so den lieben langen Tag treiben. Ich auch.
Ich wachte schon um 4:48 auf. Ob das nun die Zeitverschiebung von 4 Stunden nach Deutschland ist oder ich einfach meine üblichen Schlafstörungen mit nach Südamerika genommen habe – egal. Es war jedenfalls deutlich zu früh, denn mein Wecker sollte ja erst um 7:00 klingeln. Ich las ein bisschen im Internet, kommentierte hier und da und regte mich ein wenig über die für mich nervige Art auf, hier und an vielen weiteren Orten der Welt Betten zu machen. Ich bewege mich nachts viel und die unter der Matratze quasi fest getackerten Lacken samt Überschlag über eine wollene oder andere Überdecke machen das fast unmöglich. Von der meiner Ansicht nach zweifelhaften Hygiene der – seltener gewechselten – Überdecke mal abgesehen. Aber gut.
Um 7:00 stand ich dann mittelmäßig wach auf, zog die Vorhänge des Hotels auf und erfreute mich sofort an einem knallblauen Himmel, liebevoll mit kleinen Wolkenfetzen betupft. Im Gegensatz zum komplett verregneten gestrigen Tag, den ich abwechselnd in einer der leckeren Schokoladenmanufakturen und in der Panoramabar des Hotels verbrachte. Bariloche in den Andenkordilleren Patagoniens sollte um diese Jahreszeit eigentlich Kurortähnliche 20 bis 27 Grad haben. Aber bereits gestern sagte mir der Portier, dass der Winter zu kalt und schneereich und das Frühjahr zu feucht gewesen sei, und nun sei der Sommer auch noch nicht wirklich ein Sommer geworden. Das käme erst in der kommenden Woche. Wenn ich schon unter der chilenischen Sonne bei hoffentlich höheren Temperaturen weile.
Ein schnelles Frühstück und einen halbwegs starken Kaffee später setzte ich mich in die Lobby und wartete auf meine Tour. Wäre ich fitter (Bänderdehnung) und es weniger windig (Sturm mit Orkanböhen, der See ist dem Atlantik an rauen Tagen nicht ganz unähnlich), dann hätte ich mir ein Mountainbike geliehen und eine kleine Tour durch den Nationalpark gemacht. Es gibt im Netz mehrere Tourvorschläge, die mit 19 Kilometern sehr handhabbar sind und außerdem bieten mehrere Agenturen Halbtages- oder Tagestouren an. Aber ich hatte gestern in weiser Voraussicht eine Bustour gebucht, den Circo chico, der mich an die schönen Panoramablicke nahe bei Bariloche führen sollte.
Ich wurde pünktlich abgeholt und in einem Minibus mit ausschließlich argentinischen Touristen unter spanischsprachiger Reiseleitung fuhren wir los. Sandra, die Reiseleiterin, sprach sehr verständlich und hatte viele interessante Informationen über Bariloche und Umgebung parat. Auch die Nazivergangenheit einiger zu Bariloche gehöriger Kommunen ließ sie nicht aus. Überhaupt fand ich die Tour für den Preis (knapp 30 Euro) gut strukturiert und sehr entspannt. Wir fuhren bis zum Cerro Campanario, wo wir mit einem Sessellift auf 1.500 Meter über Meeresspiegel kamen und eine wirklich traumhafte Panoramasicht auf den See Nahuel Huapi mit seinen vielen Buchten, Inseln und Halbinseln sowie auf das schneebedeckte Massiv des Cerro Catedral hatten. Ich holte mir in der Confiteria eine heiße Schokolade, DAS Getränk dieses sehr durch Schweizer und Deutsche Einwanderer geprägten Fleckchens Erde.
Danach ging es weiter auf die Halbinsel Llau Llau, auf der ein Riesenklotz an Hotel sowie die oben bereits erwähnten Naziverstecke die Attraktionen menschlichen Daseins sind. Die Natur dagegen ist die wahre Schönheit und bietet neben unterschiedlichen Seefarben von eisblau und jadegrün bis modderbraun je nach Bucht atemberaubende Ausblicke. Auch die endemische Fauna ist interessant, aber von eingeschleppten Usurpator-Pflanzen bedroht. Wir wanderten ein wenig herum, genossen die stärker werdende Sonne und picknickten am Ufer des Sees, wo einige der Mitfahrer abgesetzt wurden, um ihren zweiten Halbtagesteil mit dem Boot zu machen. Danach ging es um 14:00 wieder zurück nach Bariloche, wo ich mich an einem Movistar-Shop absetzen ließ, um meine Prepaid-Card aufzuladen. Ich bummelte ein bisschen durch die gut besuchte Fußgängerzone, erwog kurz, Postkarten zu kaufen, verwarf es wieder und erstand noch Wasser und Kekse für die Busfahrt morgen ein. Denn dann geht es über die chilenische Grenze nach Osorno, von wo aus ich weiter in den Süden reise, um den Arbeitsteil meiner Reise weiter zu betreiben.
Gegen vier – ich hatte noch in chilenische Pesos gewechselt, denn ich erinnerte mich, wie schwierig es war, am Wochenende irgendwo einen ATM zu finden, der Geld ausspucken würde – ging ich ins Hotel zurück und holte den fehlenden Schlaf des frühen Morgens nach. Bis ich eine Nachricht des Verehrers bekam, der einen richtigen Scheißtag hinter sich gebracht hatte. Das Management seines Bereichs hatte einige seiner engsten Kollegen gefeuert, weil sie Umstrukturierungen planen. Ob er selbst davon betroffen ist, wird sich noch herausstellen, aber die rabenschwarze Laune floß aus jeder seiner Nachrichten. Ich hoffe für ihn, dass dem nicht so ist. Eigentlich hat er einen Job, der schlecht zu ersetzen ist.
Ich schrieb und recherchierte noch ein wenig vor mich hin und ging um 20:00 ins Kotèlo, gleich um die Ecke meines Hotels. Es war auf allen Seiten empfohlen worden (nicht billig, aber!) und es wurde der guten Reputation durchaus gerecht. Mein Steak war sehr zart, aromatisch, der Salat frisch und die obligatorischen Pommes handgeschnitzt. Dazu einen dreiviertel Liter Patagonia Pale Ale und gute Musik von der argentinischen FunkJazzReggae-Band CuatroCientosOnce.
Gegen halb zehn war ich wieder im Hotel, für argentinische Verhältnisse deutlich früh, aber ich musste ja noch meine Sachen fertig packen, denn mein Bus sollte um zehn am nächsten Tag gehen und ich wollte wenigstens einmal in Ruhe frühstücken. Gegen halb elf hatte ich diesen Beitrag fertig geschrieben und ging ins Bett.