WMDEDGT 01/18.

Frau Brüllen hat’s erfunden und so schreiben am 5. eines jeden Monats viele Menschen, was sie eigentlich so den lieben langen Tag treiben. Ich auch.

Ich wachte schon um 4:48 auf. Ob das nun die Zeitverschiebung von 4 Stunden nach Deutschland ist oder ich einfach meine üblichen Schlafstörungen mit nach Südamerika genommen habe – egal. Es war jedenfalls deutlich zu früh, denn mein Wecker sollte ja erst um 7:00 klingeln. Ich las ein bisschen im Internet, kommentierte hier und da und regte mich ein wenig über die für mich nervige Art auf, hier und an vielen weiteren Orten der Welt Betten zu machen. Ich bewege mich nachts viel und die unter der Matratze quasi fest getackerten Lacken samt Überschlag über eine wollene oder andere Überdecke machen das fast unmöglich. Von der meiner Ansicht nach zweifelhaften Hygiene der – seltener gewechselten – Überdecke mal abgesehen. Aber gut.

Um 7:00 stand ich dann mittelmäßig wach auf, zog die Vorhänge des Hotels auf und erfreute mich sofort an einem knallblauen Himmel, liebevoll mit kleinen Wolkenfetzen betupft. Im Gegensatz zum komplett verregneten gestrigen Tag, den ich abwechselnd in einer der leckeren Schokoladenmanufakturen und in der Panoramabar des Hotels verbrachte. Bariloche in den Andenkordilleren Patagoniens sollte um diese Jahreszeit eigentlich Kurortähnliche 20 bis 27 Grad haben. Aber bereits gestern sagte mir der Portier, dass der Winter zu kalt und schneereich und das Frühjahr zu feucht gewesen sei, und nun sei der Sommer auch noch nicht wirklich ein Sommer geworden. Das käme erst in der kommenden Woche. Wenn ich schon unter der chilenischen Sonne bei hoffentlich höheren Temperaturen weile.

Ein schnelles Frühstück und einen halbwegs starken Kaffee später setzte ich mich in die Lobby und wartete auf meine Tour. Wäre ich fitter (Bänderdehnung) und es weniger windig (Sturm mit Orkanböhen, der See ist dem Atlantik an rauen Tagen nicht ganz unähnlich), dann hätte ich mir ein Mountainbike geliehen und eine kleine Tour durch den Nationalpark gemacht. Es gibt im Netz mehrere Tourvorschläge, die mit 19 Kilometern sehr handhabbar sind und außerdem bieten mehrere Agenturen Halbtages- oder Tagestouren an. Aber ich hatte gestern in weiser Voraussicht eine Bustour gebucht, den Circo chico, der mich an die schönen Panoramablicke nahe bei Bariloche führen sollte.

Ich wurde pünktlich abgeholt und in einem Minibus mit ausschließlich argentinischen Touristen unter spanischsprachiger Reiseleitung fuhren wir los. Sandra, die Reiseleiterin, sprach sehr verständlich und hatte viele interessante Informationen über Bariloche und Umgebung parat. Auch die Nazivergangenheit einiger zu Bariloche gehöriger Kommunen ließ sie nicht aus. Überhaupt fand ich die Tour für den Preis (knapp 30 Euro) gut strukturiert und sehr entspannt. Wir fuhren bis zum Cerro Campanario, wo wir mit einem Sessellift auf 1.500 Meter über Meeresspiegel kamen und eine wirklich traumhafte Panoramasicht auf den See Nahuel Huapi mit seinen vielen Buchten, Inseln und Halbinseln sowie auf das schneebedeckte Massiv des Cerro Catedral hatten. Ich holte mir in der Confiteria eine heiße Schokolade, DAS Getränk dieses sehr durch Schweizer und Deutsche Einwanderer geprägten Fleckchens Erde.

Danach ging es weiter auf die Halbinsel Llau Llau, auf der ein Riesenklotz an Hotel sowie die oben bereits erwähnten Naziverstecke die Attraktionen menschlichen Daseins sind. Die Natur dagegen ist die wahre Schönheit und bietet neben unterschiedlichen Seefarben von eisblau und jadegrün bis modderbraun je nach Bucht atemberaubende Ausblicke. Auch die endemische Fauna ist interessant, aber von eingeschleppten Usurpator-Pflanzen bedroht. Wir wanderten ein wenig herum, genossen die stärker werdende Sonne und picknickten am Ufer des Sees, wo einige der Mitfahrer abgesetzt wurden, um ihren zweiten Halbtagesteil mit dem Boot zu machen. Danach ging es um 14:00 wieder zurück nach Bariloche, wo ich mich an einem Movistar-Shop absetzen ließ, um meine Prepaid-Card aufzuladen. Ich bummelte ein bisschen durch die gut besuchte Fußgängerzone, erwog kurz, Postkarten zu kaufen, verwarf es wieder und erstand noch Wasser und Kekse für die Busfahrt morgen ein. Denn dann geht es über die chilenische Grenze nach Osorno, von wo aus ich weiter in den Süden reise, um den Arbeitsteil meiner Reise weiter zu betreiben.

Gegen vier – ich hatte noch in chilenische Pesos gewechselt, denn ich erinnerte mich, wie schwierig es war, am Wochenende irgendwo einen ATM zu finden, der Geld ausspucken würde – ging ich ins Hotel zurück und holte den fehlenden Schlaf des frühen Morgens nach. Bis ich eine Nachricht des Verehrers bekam, der einen richtigen Scheißtag hinter sich gebracht hatte. Das Management seines Bereichs hatte einige seiner engsten Kollegen gefeuert, weil sie Umstrukturierungen planen. Ob er selbst davon betroffen ist, wird sich noch herausstellen, aber die rabenschwarze Laune floß aus jeder seiner Nachrichten. Ich hoffe für ihn, dass dem nicht so ist. Eigentlich hat er einen Job, der schlecht zu ersetzen ist.

Ich schrieb und recherchierte noch ein wenig vor mich hin und ging um 20:00 ins Kotèlo, gleich um die Ecke meines Hotels. Es war auf allen Seiten empfohlen worden (nicht billig, aber!) und es wurde der guten Reputation durchaus gerecht. Mein Steak war sehr zart, aromatisch, der Salat frisch und die obligatorischen Pommes handgeschnitzt. Dazu einen dreiviertel Liter Patagonia Pale Ale und gute Musik von der argentinischen FunkJazzReggae-Band CuatroCientosOnce.

Gegen halb zehn war ich wieder im Hotel, für argentinische Verhältnisse deutlich früh, aber ich musste ja noch meine Sachen fertig packen, denn mein Bus sollte um zehn am nächsten Tag gehen und ich wollte wenigstens einmal in Ruhe frühstücken. Gegen halb elf hatte ich diesen Beitrag fertig geschrieben und ging ins Bett.

ZwischenWelt.

Im Englischen gibt es den schönen Ausdruck betwixt and between, über den ich vor vielen Jahren schon einmal im Altblog geschrieben hatte. Vieles im Leben wiederholt sich, und auch, wenn die damalige Situation eine ganz andere war, bin ich gerade sehr in einer Zwischenwelt, einem Zustand des Nicht-mehr-Seins und Noch-nicht-Werdens. Und eine kleine Metaebenen-Ähnlichkeit gibt es auch: damals hatte ich gerade Meike Winnemuths Reise um die Welt begeistert und sehnsüchtig mitgelesen, und nun geht es mir genauso wie ihr nach dieser Ausnahmezeit.

Schon der erste Abend in der eigenen Wohnung ließ mich ratlos zurück. Wer war die Frau, die hier früher wohnte, erst allein, dann mit dem kranken Mann und später wieder allein? Die, wie ich finde, einen ganz guten Geschmack besitzt und ein Händchen für die Inneneinrichtung, die aber auch viel zu viel Unnützes in den Regalen hat. Dafür sehr viele Bücher. Die eine Vorliebe für Kleider hat, für weiße Blusen (sechs! und die aus dem Lager sind noch nicht wieder im Schrank angelangt…). Deren ganze Wohnung ein Versuch zu sein scheint, sich ein stilvolles Zuhause zu schaffen, eines zum Freunde einladen, gut Essen und Trinken. Ein repräsentatives Heim für eine beruflich erfolgreiche Alleinstehende, die niemanden so recht mehr in ihr Leben lassen möchte, es sei denn, sie erlaubt es. Nach ihren Regeln.

Der Versuch, diese Frau zu orten und in mir wieder zu verorten, ist zum Scheitern verurteilt. Zu Beginn der Reise sagte die Freundin: „Du wirst eine Andere sein, wenn du zurück kommst.“ Ich lachte. Aber sie hat Recht behalten. Diese Frau von vor fast sieben Monaten bin ich nicht mehr. Reste finden sich; in der Liebe bleibe ich wohl für immer ein Einsiedlerkrebs, sonst hätte ich meine Koffer dauerhaft an einem anderen Ort ausgepackt. In Sachen emotionaler Schadensbegrenzung bin ich sehr gut trainiert.

Die Frau mit Plan A, B, C und der Notfallalternative D gibt es gerade nicht mehr. Oder doch? So viele Pläne, Projektideen und Luftballons schwirren in meinem Kopf umher. Alle mit dem Ziel, nicht mehr zu erstarren, lebendig zu bleiben und weiter zu lernen. Es wird ein langer Weg werden, bis ich wieder in mir angekommen bin. Vielleicht der beschwerlichste Teil dieser Reise, zu der ich an einem Februarsonntag aufbrach und die mir so viel gegeben hat, dass es für mehrere Leben reichen würde.

Wir werden sehen, wohin mich diese neue Reise führt.

[Was schön war] #kw30/17.

Was in der vergangenen Kalenderwoche schön war – immer frisch am Sonntagabend oder Montag auf den Tisch.

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Die familiäre Reisegesellschaft ruckelte sich langsam zusammen. Durch die ständigen neuen Eindrücke, nur kurzen Verschnaufpausen und jede Nacht in einer anderen Stadt zu übernachten wurden wir ohnehin alle hundemüde und hatten wenig Lust auf Diskussionen. Zumal die Temperaturen in Las Vegas mit knapp 43 Grad tagsüber und milden 35 Grad nachts ihren Teil dazu beitrugen.

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Den ersten Todestag des Mannes überstanden. Eigentlich waren die Tage davor schlimmer als der Tag selbst. Ich verfiel in Schweigen und wollte nur alleine sein – ziemlich unpassend, wenn man mit einer sehr redseligen familiären Reisegruppe zusammengespannt ist. Aber die innere Preußin packte auch das und am nächsten Tag kamen gute Nachrichten von einem zukünftigen Auftraggeber. Die Ausschläge des Gefühlsseismographen können sehr stark sein.

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Das Gefühl: ja, ich kann das. Ich bin gut darin. Ich kann vielleicht noch nicht davon leben, aber ich werde es versuchen.

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Mit der Cousine und dem Cousinenfreund in einem der Provinznester Kaliforniens, in dem wir übernachteten, auf eine Bühne gestiegen und Karaoke gesungen. Die „German Girls“ überzeugten mit schrägen Tönen und ausgesucht schlechter Musik. Meine Darbietung von ABBAs „Dancing Queen“ vermochte zumindest einige der Anwesenden zum Tanzen zu bringen. Und nach vielen Jahren tauchte meine innere Rampensau wieder auf!

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Noch einmal mit dem Yosemite-Nationalpark ein bisschen Kalifornien gesehen, das mir insgesamt ganz gut gefiel. Einzig Las Vegas kann mir herzlich gern gestohlen bleiben. Das ist keine Stadt für Menschen. Das ist nur eine Stadt für Geld.

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Am Freitag durchaus erleichtert ins Flugzeug nach Boston gestiegen. Zwei Wochen Familie und diese Art zu reisen waren schon recht anstrengend. Von Boston aus dann wieder mit dem Mietwagen unterwegs, in meinem eigenen Tempo und Rhythmus, meiner inneren Route folgend. Diese führte mich unter anderem in eine ehemalige Shaker-Gemeinde. Canterbury war eine von rund 20 Communities dieser religiösen Gruppe, die nicht nur ein ausgezeichnetes Kunsthandwerk betrieb sondern auch eine recht interessante Einstellung zur Geschlechtergleichheit hatte.

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Am Sonntag in einem der hübschen Küstenferienorte gelandet und am Strand gelegen. Nur knappe sieben Kilometer weiter urlaubte der frühere POTUS George H. W. Bush in Kennebunkport, einem sehr mondänen und schönen Ort. Überhaupt ist New England entlang der Küste ganz bezaubernd und erinnert mich sehr an Nordfrankreichs Marschlandschaften. Auch die Bundesstraße 11 von Laconia aus ist sehr idyllisch und von der Scenic Route tun sich wirklich schöne Ausblicke auf See und Berge auf.

[Was schön war] #kw26/17.

Die Zeit rast nur so dahin, es ist der fünfte Monat seit dem Beginn meiner Reise und es gab so viel Schönes, so viele schöne Momente und Begegnungen, dass ein Wochenrückblick gar nicht alles wiedergeben kann. Aber nun, fokussieren schadet ja nicht.

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Den letzten Tag in Toronto noch ein bisschen in der Nachbarschaft des Hotels herumgebummelt, ausgezeichnete pikante Waffelburger gegessen und mit der chinesischstämmigen Betreiberin eines Waschsalons geplaudert. Alles sehr heimelig.

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Dann wieder ein neues Land. Diesmal die USA. Seit der Schulzeit hatte ich ein zwiegespaltenes Verhältnis zu diesem Land und seinen Bewohnern. Nicht, weil ich jemals dort gewesen wäre und schlechte Erfahrungen gesammelt hätte, nein, ich bin tatsächlich das allererste Mal im „Land of the free“. Es war vielmehr das Leben in einer von der amerikanischen Armee geprägten Stadt, die ein eigenes Viertel für sich beanspruchte, eigene Läden hatte und die ein Stück weit eine Parallelgesellschaft bildete, die nicht unbedingt ein vorteilhaftes Bild der USA abgab. Und dann noch dieser Trump… Wie angenehm wurde ich doch von Chicago überrascht, einer Stadt, über die ich mir keine Gedanken gemacht hatte. Irgendwas mit Blues Brothers, Al Capone und Backdraft – also von Filmen und Gestalten der Zeitgeschichte geprägt. Wie überraschend also die tolle Hochhausarchitektur, der leichte Wind, welcher die Sommerhitze sehr erträglich machte, die freundlichen und sehr entspannten Leute – und der Stadtstrand am Lake Michigan, an dem ich zwei Nachmittage lang vor mich hin dünstete. Einatmen, ausatmen

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Die Zugfahrt quer durch Illinois und Michigan von Chicago nach Troy, wo mich der Stiefvater abholte. Endlich wieder eine Kleinstadt ohne Hochhäuser, mit Gärten und Villen, mit hübschen kleinen Restaurants und Läden. Einatmen, ausatmen.

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Eine Idee für die berufliche Zukunft nimmt Gestalt an. Luft anhalten. Ins kalte Wasser springen. Schwimmen lernen. Untergehen kann ich immer noch.

[Was schön war] #kw25/17.

Was in der vergangenen Woche schön war, in der Reiseedition zwischen Moskitos, Rentnern und Großstadtschluchten.

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Zwei schöne, lange, anstrengende Ritte durch den Algonquin-Regionalpark gemacht. Trotz Dauerregens – und hier hat sich mein sonst anlässlich Berliner Wolkenbrüche auf der Vespa zu tragendes „Zelt“, also mein überdimensionierter Regenumhang schon zum zweiten Mal sehr bewährt. Zumal sich die Moskitos an der wenig atmungsaktiven Oberfläche die Saugrüssel eindellten. Jedenfalls: ich glaube, ich kann jetzt langsam reiten. Das Pferd geht in der Regel dahin, wohin ich möchte, es wechselt die Gangarten, wenn ich das möchte und mich an irgendwelchen Sträuchern oder Bäumen abzustreifen hat auch keines mehr versucht. „You’re a horsewoman“, sagte die Tourbegleiterin, „you know what they think.“ Ich mache also weiter mit diesem lang vergessenen Hobby.

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Auf dem Weg zu den Niagarafällen in einer bezaubernden kleinen Rentner-Disneystadt gelandet. In Niagara on the lake ist alles ein bisschen wohlhabender, ein bisschen ruhiger und ein bisschen britischer als im Rest des Landes. Der Landlord meines Hotels erklärte, dass der überwiegende Teil der Bewohner Beamte mit sicherem Pensionsanspruch oder alteingesessene Torontoer seien, die ihre Grundstücke oder Häuser in den vergangenen Boom-Jahren zu Gold gemacht hätten, um sich hier in der Idylle am Ontario-See überdimensionierte georgianische Villen zu kaufen, um dann mit ihren hässlichen kleinen Schoßhunden zweimal am Tag spazieren zu gehen. Ich fand es sehr hübsch dort, ich joggte am See entlang und durch die Villenviertel. Niemand nervte mich, und im Theater war ich auch.

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In Toronto im Hotel ein Upgrade bekommen, ganz ohne Zutun, einfach nur so, weil die Rezeptionistin Berlin mag und die Freiluftkaraoke im Mauerpark ihr so gefallen hat. Im 16. Stock eine Suite zu bewohnen und ein wenig mehr als die engen Hochhausschluchten zu sehen, hat etwas. Toronto ist wie alle kanadischen Städte bisher: Großstadt und für mich ein sicherer Ort, weil schlimmer als Berlin an manchen Orten geht auch kaum. Wohlgefühl, weil alles funktioniert, wie es soll, gepaart mit dem Gedanken, dass es anderswo nicht so toll ist. Und der Sehnsucht nach genau diesen unperfekten Orten wie Buenos Aires und, ja, auch Santiago, wo der Boden immer wieder atmet.

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Immer noch viele Nachrichten mit dem Verehrer ausgetauscht, langsam kommen wir in den Rhythmus, dass wir uns ganz freundschaftlich aneinander erfreuen können und gemeinsam die jeweils gewünschte Fremdsprache lernen (er: Englisch verbessern, ich: Spanisch nicht vergessen). Wir fragen uns abendlich nach den Fortschritten ab und stellen uns kleine Aufgaben. Dass er sich immer noch sehr um mich sorgt, aus der Ferne und doch so ausdauernd, freut. Auch, als ich am Ontario-See entlang fuhr und wie aus heiterem Himmel eine tiefe Traurigkeit ob des Mannes Tod vor fast einem Jahr auf mich fiel und er mir viele kleine aufmunternde Sprachnachrichten sandte. Ich glaube, ich habe einen guten Freund gefunden. Auch nicht alltäglich.

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Mit der Freundin telefoniert und geerdet worden. „Du kommst jetzt erst einmal wieder nach Hause, und dann sehen wir weiter. Mach dir keine Sorgen, du findest Arbeit, da warten Menschen auf dich und helfen dir, wieder in das Leben zurück zu finden. Wir sind für dich da.“

[Was schön war] #kw23/17.

Und wieder ein neues Land, wieder eine neue Reiseedition von Schönem der vergangenen Woche.

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Abschiedsabend mit den Damen in Buenos Aires. Wie wunderbar, diese Frauen kennengelernt zu haben. Und wie wunderbar wäre es, wenn wir uns wiedersehen könnten. Eine Verabredung dazu haben wir jedenfalls, und wir haben uns auf Sommer oder Frühling in Buenos Aires geeinigt. Winter oder Herbst braucht dort keiner.

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In einem halbleeren Jumbo von Buenos Aires nach Houston eine ganze Reihe für mich zum Schlafen gehabt. Gut und tief geschlafen, bis mich der Steward sehr nett weckte, um mir zu sagen, dass ich sonst mein Frühstück verpasse.

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Gut in Toronto gelandet und dort einige ziemlich mitgenommene T-Shirts und Kleinkram gegen Neuware gewechselt. Einen sehr schönen Bikini gefunden. (Sie glauben ja gar nicht, wie schwierig man es hat, wenn man obenrum etwas mehr Holz vor der Hütte besitzt, aber der Unterbrustumfang eher mittelgroß ist.) Von der Mietwagenfirma von Klein- auf Mittelklassewagen geupgradet worden, weil: „der Kleinwagen ist heute früh zu Schrott gefahren worden“. Jetzt bin ich mit einem BMW-Derivat eines japanischen Herstellers unterwegs und mit dem ersten Einschalten des Tempomaten auf dem Highway in Richtung Montreal beginnt die schleichende Rentnerwerdung.

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Der Verehrer wurde ungeduldig, weil er seinen Urlaubsplan ummodeln musste. Wegen mir. Damit wir uns noch einmal sehen können. In Montreal, wo er bei seiner Schwester urlaubte. Ich wurde ungeduldig, weil ich mich nicht drängen lassen mag. Beinahe hätten wir uns schon vor dem Treffen in die Haare bekommen. Aber dann wurde alles doch einfach und klar, und das Schicksal und ein bisschen guter Wille von zwei Seiten schenkten uns zwei Tage und Nächte miteinander. Was auch immer uns verbindet – es war und ist gut so.

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Abschiede sind niemals schön. Auch, wenn der Verehrer fragt: „Und wo treffen wir uns das nächste Mal? Im Kongo?“ Er behauptet ja steif und fest, dass wir uns wiedersehen werden. Aber das hat er schon beim letzten Abschied gesagt.

Oh. Wait.

(Und ich habe auch fast nicht geweint. Er auch nicht.)

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Das AirBnB hat eine Waschmaschine. Ganz großes Glück auf Reisen.

[Was schön war] #kw21/17.

Was in der vergangenen Woche schön war, nun aus Buenos Aires.

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Am liebsten entdecke ich Städte, indem ich sie einfach nur ablaufe, mich treiben lasse. Dann und wann stelle ich mich an eine Ecke und beobachte, höre, rieche. Ich wanderte an der Puerto Madero entlang und genoss die Sonne auf meinem Gesicht. Ein Hauch von Frühling im Spätherbst.

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Die Kurzreise nach Ushuaia, einem Sehnsuchtsziel seit mehr als 20 Jahren. Das Licht, die Berge, das Eis, die schneebedeckten Gipfel in der Ferne. Dazu die Leere der Landschaft, die doch wieder ganz anders ist als in Chile, wo die Menschen wie das Land viel erdiger und erdverbundener scheinen. In Ushuaia noch ein Stück näher an der Antarktis gewesen. Bei der Bootsfahrt am Heck gestanden und gedacht: wenn ich jetzt sterbe, ist alles okay gewesen, das war’s, du hast es geschafft.

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Die Rückkehr nach Buenos Aires und die bis in den frühen Morgen vertanzte Nacht mit der vergnügten Damenrunde. Die Herren in den Clubs sind überaus freundlich und beklagen sich nicht, wenn eine Gringa wie ich mal eine Tanzfigur verbaselt.

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Viele, viele Nachrichten vom Verehrer. Ich bin schon weiter weg als gedacht von dieser hübschen, kleinen Illusion. Ob die Telenovela es wirklich bis nach Kanada schafft?

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Mir einen alten Traum erfüllt und mir ein Tattoo stechen lassen. Auch, wenn wieder alle aufschreien „das ist ja so 90er“ – mir egal. Man sieht es ja nicht. Und der Gecko ist nur für mich alleine da und wird mich bis an mein Lebensende begleiten.

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Eine Dinnerparty gegeben. Coq au Vin, Artischocken mit Eierdip, Dulce de Leche-Eis und viele Flaschen Rotwein. Der alte Unifreund sang „Volver“, die indische Studentin tanzte einen Solo-Tango und einen traditionellen indischen Tanz, wir warfen Dartpfeile und lümmelten in der Hängematte in meiner temporären Wohnung. Gute Gespräche. Die verrückte Idee, einfach noch einmal hierher zurückzukehren und ein bisschen länger zu leben, vielleicht zu arbeiten. Auch so eine hübsche Illusion.

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Buenos Aires, meine Zeitkapsel, in der ich mich wohl fühle.

[Was schön war] #kw20/17.

Die Schönheit dieser Woche muss auf zwei Länder verteilt werden, denn nun bin ich in Buenos Aires und Santiago liegt hinter mir.

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Meine Kurzreise mit Jobanteil entpuppte sich als durchaus denkwürdig. Einen in Chile lebenden Reichsbürger samt Aluhutpreisverdächtigen Verschwörungstheorien live und in Farbe zu sehen und zu sprechen war fast zu viel für mich und meine Selbstbeherrschung. Den Termin dann doch mit Anstand und Würde hinter mich gebracht und darüber nachgedacht, wie viel von den Inhalten ich präsentieren möchte ohne dass es jobschädigend wird.

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So simple Dinge wie eine letzte Pediküre und Massage vor der nächsten Reiseetappe haben erheblich zum Wohlbefinden beigetragen und den Abschied ein wenig erleichtert.

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Eine tolle Frau getroffen, die ihr Leben selbst in der Hand hält. Die an jedem verdammten Samstag zusätzlich zu ihrem anstrengenden Job als Psychologin Chinesischunterricht genommen hat, um dann ein Jahr in Peking zu leben – einfach, weil sie es wollte. Wie schade, dass meine Zeit in Santiago vorbei ist – wir hatten sofort einen Draht und hätten uns die eine oder andere Nacht mit Tanzen um die Ohren schlagen wollen.

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Ich habe mich der lateinamerikanischen Pünktlichkeit mehr als angepasst und treffe nun endlich immer eine Viertelstunde nach dem vereinbarten Termin ein. Das hat dem Verehrer übrigens nicht gefallen. Ich habe tatsächlich den einzigen Chilenen abbekommen, der auf die Minute pünktlich ist. Das muss dieser binäre Sinn für Romantik der Informatiker sein.

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Am letzten Abend noch viel Lachen und ein paar traurige Momente mit dem Verehrer. Der frühe nächste Morgen des endgültigen Abschieds. Das mit ungewohnt gepresster Stimme in mein Ohr geraunte „te quiero“*, während der Taxifahrer die Taschen in den Kofferraum lud. Sein Gesicht, wie er im strömenden Regen vor dem Taxi stand. Der Moment, wie er seine Hand auf die Scheibe legte und ich die meine von innen dagegen. Kleine Bilder, die ich in mein Herz einschließe und mitnehme, weil sie Teil sind einer Romanze, wie sie eben sein sollte. Mit Anfang, viel Dazwischen, etwas Herzschmerz, dem Gefühl, da ist doch tatsächlich jemand, der einem leider viel zu ähnlich ist, um wirklich gut zu tun. Und einem Ende mit einem bisschen mehr Gefühl, als es einer kleinen Romanze eigentlich zusteht.

Sie wollten Telenovela? Bitte schön. Das war sie.

*das wollen wir mal bitte nicht überbewerten, das wird hier gern bei jeder Gelegenheit gesagt. Und nach drei Tagen werden die Herzschmerznachrichten via WhatsApp auch weniger.

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Gut in Buenos Aires angekommen, wurde ich am zweiten Abend vom alten Uni-Freund gleich auf eine Party mitgeschleppt. Auch hier bauen Sie bitte wieder eine Telenovela-Szene ein: ein Loft über den Dächern von Palermo, viele schöne, sehr polyglotte Menschen, Gespräche über Kultur, Kunst, Politik auf dem gleichen Niveau, Party bis um halb vier und die Polizei kam, Tanz und Bier und gutes Essen. Kontakte knüpfen.

Freude, in dieser Stadt genau das zu erleben.

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Am nächsten Tag mit drei zauberhaften Frauen aus Syrien, Indien und Spanien rausfahren ins Grüne und ausgiebig über Männer im Allgmeinen und Latinomänner im Besonderen lästern. Oder wie K. aus Kalkutta sagte: „It’s just that I tease them to please them. Then I finish my drink and go home for a good sleep.“ Ein guter Rat. Männer Argentiniens, seid gewarnt.

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Den Sonntag mit der in Argentinien lebenden Arbeitskollegin der besten Freundin verbringen. Eine kleine Party für das kommende Wochenende in meiner Wohnung planen. Eine Verabredung mit einer kleinen Brauerei für Handcrafted Beer nach deutschem Reinheitsgebot („wir haben gerade ein dunkles Hefeweizen angesetzt“).

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Die Vorfreude auf eine kleine Reise nach Ushuaia, seit mehr als zwanzig Jahren ein Ort mit magischem Namen für mich. Wahrscheinlich werde ich erfrieren, aber dann wenigstens am Ende der Welt. Das haben ja schon andere getan und sind in die Geschichte eingegangen.

WMDEDGT 04/17.

Frau Brüllen fragt, was wir eigentlich den lieben langen Tag so machen und zwar immer am 5. eines Monats. Wir haben den 5. April und endlich, endlich nach dreieinhalb Wochen Neuseeland stimmen zumindest die Tagesdaten weitgehend wieder mit der Bezugsgruppe daheim überein. Gestern bin ich das erste Mal in meinem Leben an einem 4. April abends losgeflogen und an einem 4. April mittags angekommen. Das Überfliegen der Datumsgrenze hat allerdings Auswirkungen bis in den heutigen 5. des Monats und so gestaltete sich mein Tag entsprechend ungeordnet.

Um 2.38 – 7.38 nach deutscher Zeit – wachte ich das erste Mal in Santiago de Chile auf. Da ich am Abend zuvor um kurz vor elf todmüde und erschlagen ins Bett gegangen war, erwischte mich der Jetlag eben knappe vier Stunden Schlaf später. Ich kann mit wenig Schlaf ganz gut umgehen, aber die sofort einsetzenden Kopfschmerzen musste ich mit einer Ibu bekämpfen. Ich las ein wenig dem morgendlichen Erwachen meiner Twitter-Timeline hinterher, freute mich über eine Mail aus Mittelamerika samt Reisebeschreibungen (wie anders das Erleben doch sein kann, wenn Reisen mit Arbeiten verbunden ist!) und horchte auf die Geräusche der Stadt, in der ich nun knapp zwei Monate sein werde.

Gegen halb fünf schlief ich wieder ein, nur um kurz nach sieben von den ersten Biep, Bieps der Autoschließanlagen, einem hysterisch bellenden Hund und dem anschwellenden Verkehr auf der ums Eck liegenden Avenida Providencia zu erwachen und mich zu wundern. Nun war ich tatsächlich in Südamerika! In meiner eigenen Mietwohnung! Ich wurde oft gefragt, wie ich es geschafft habe, das alles und die ganze Reise innerhalb von knapp drei Wochen zu organisieren, denn genauso lange hat es von der endgültigen Entscheidung kurz nach Weihnachten bis zum Erledigen der letzten Vorbereitungen (exklusive: Leerräumen der untervermieteten Wohnung) gedauert. Es war sicher ein bisschen Glück dabei, weil ich auf Anhieb fand, was ich wollte (Volunteer Workstelle, Wohnung, Reiseroute auch, die war irgendwie von Beginn an klar). Und ich hatte wenigstens den halben Tag Zeit, mich intensiv um alles zu kümmern. Und ausreichende Geldmittel. Ein Luxus. Mein eigenes, nicht ganz kleines Talent zum Organisieren, Planen und Entscheiden mag mir da auch geholfen haben.

Nach etlichen Wochen relativer Ruhe und mit viel Natur um mich herum muss ich mich erst wieder an eine Großstadt gewöhnen. Berlin ist ja schon für viele ein Härtetest, aber irgendwie sind die meisten Großstädte dieser Welt in ihren Strukturen ähnlich und so habe ich wenig Bedenken, mich hier durchzuschlagen. Nur die Sprache, ja, die muss ich noch bedeutend besser lernen. Ich schlief wieder ein, träumte wilde Dinge, an die ich mich nicht erinnern kann, aber die mit Sicherheit auch die mannigfaltigen Autoalarmanlagentöne einbanden. Ob es tatsächlich Anlass für deren Einsatz gab?

Gegen halb elf stand ich dann endgültig auf und versuchte, mich mit der Dusche anzufreunden. Die Wohnung ist hübsch, aber alt und der Wasserdruck ist nicht eben der Allerbeste. Aber ich werde das noch lernen: mit der einen Hand den Duschkopf auf die schampoonierten Haare halten und mit der anderen die Temperatur auf genau diesen einen schmalen Grat zwischen kochendheiß und eiskalt regeln.

Ich frühstückte das gestern erstandene Müesli mit Banane und Joghurt und winselte ein bisschen vor mich hin, weil ich den Kaffee vergessen hatte. Ein Tagesbeginn ohne Kaffee, nun ja, stellen Sie sich die Apokalypse vor, nur schlimmer. Dann telefonierte ich mit der Agentur, die hier in Chile vieles für mich erledigt hatte und fragte nach einem Autovermieter. Man gab mir einen guten Rat und telefonierte für mich, sodass ich Morgen Vormittag meinen Kleinwagen abholen kann. Endlich wieder Rechtsverkehr! Dann kann ich auch den Großeinkauf im „Jumbo Bilbao“ erledigen, denn in der Wohnung fehlen kleine Dinge, die ich bereits vermisse und für unerlässlich halte (Klobürste, Verlängerungsschnur,…).

Danach ging ich gegen halb drei einen Kaffee trinken im Benevento Jazz-Café, nur einen kleinen Fußweg von meiner Wohnung entfernt. Endlich Kaffee! Und dann noch einen so guten!

Da mir nach den langen Wochen „aushäusigen“ Essens doch sehr nach einer Eigenproduktion gelüstete, ich dringend Geld abheben musste und mir ohnehin noch die „Tarjeta Bip“, also die hiesige aufladbare Karte für U-Bahn und Bus fehlte, machte ich mich auf den Weg die Avenida Providencia entlang. Gerade rechtzeitig, um die After Work-Treffen in den Cervezerias und kleinen Cafés zu erleben. Man trinkt einen Kaffee oder ein Bier, isst ein Dulce dazu und verabredet sich möglicherweise noch für später. Da ich mich noch nicht gewappnet fühlte für den Eintritt ins Santiagoer Nachtleben, tätigte ich nur noch meine Einkäufe und ging – ja! – heim. Hier machte ich mir einen großen Salat mit meiner Hausvinaigrette (geht auch mit dem hiesigen Essig und aus Frankreich importiertem Senf) und Nudeln mit Gorgonzolasauce. Den Rest des Abends verbrachte ich auf dem Sofa, übte ein wenig meine Vokabeln und freute mich darüber, dass ich durchaus schon in der Lage bin, einfachen Handlungsabläufen der hiesigen Soap-Operas im Fernsehen zu folgen. Übrigens: TVN Chile setzt dem Bachelor/der Bachelorette übrigens ein charmantes Format namens „Match“ entgegen, in dem Kinder für ihre alleinerziehenden Eltern den passenden Partner/die passende Partnerin suchen. Nix mit Traummenschen, da präsentieren sich schon interessante Charaktere – natürlich alle gut gecastet, aber überaus amüsant zu sehen, wie sich Tochter und Sohn über die Kandidaten für ihre Mutter beömmeln.

Gegen elf ging ich schlafen, mit dem festen Vorsatz, dem Autoalarmanlagenbesitzer, den ich beim Heimkommen vor dem Haus erwischte – es war gar keine Alarmanlage, sondern einfach nur seine ganz individuelle automatische Türschließung anstatt des üblichen kurzen Biep, Bieps -, bei ausreichend vorhandenem Sprachschatz zur Schnecke zu machen. Oder vielleicht doch nicht und ich gewöhne mich einfach wieder an den Krach der Großstadt. Wir werden sehen. Es gibt ja noch einen zweiten 5. des Monats in dieser Stadt.

VerTrauen.

Den Nachbarn laufe ich gerade über Gebühr häufig über den Weg. Im Treppenhaus, auf dem Hof. Wenn ich das Auto mit Kisten für das Lager belade. Wir unterhalten uns kurz, alle wissen von meiner Reise. Über die eine Nachbarin habe ich meine Untermieterin gefunden. Sie freuen sich für mich, haben sie doch – zufällig alle an jenem Tag – den Mann gesehen, wie er sich zum letzten Mal die Treppen hoch- und runterquälte. Die Nachbarin unter mir half mir, den Ausruh-Hocker von Etage zu Etage zu tragen, auf dass der Mann immer eine kleine Pause machen konnte.

Der Nachbar K. hält kurz an, bevor er in sein nocturnes Künstlerleben eintaucht und wünscht mir eine gute Reise und dass immer Menschen um mich seien, die auf mich acht geben würden. Aber ich sei ja ohnehin reiseerfahren. Ich sehe kurz zum Himmel und sage: Da oben sitzt einer auf seiner Wolke und beschützt mich.