Status.

Beim Nachlassgericht die Aufforderung: „Die Witwe beantragt…“. Erst reagiere ich gar nicht, bis ich realisiere, dass ja ich die Witwe bin. Das Selbstbild passt nicht zum – formalen – Fremdbild und zum Zivilstatus. Der Witwenstand ist etwas für alte Damen, die ihre Männer mit Würde unter die Erde gebracht haben und dann ihre letzten Lebensjahre im Kreise ihrer Bridge spielenden Freundinnen bei Likörchen und Sahnetorte verbrachten. Dachte ich immer. Nun aber Witwe, in mittleren Jahren, und viel zu früh, wie ich finde.

So wie meine Urgroßmutter und meine Großmutter vor mir. Meine Urgroßmutter war mit knapp fünfzig zur Witwe geworden, inmitten des beginnenden Wirtschaftswunders. Ihr Mann starb nach langer Krankheit, die ihn schon rechtzeitig dazu gebracht hatte, die gemeinsame Tochter als Juniorchefin heranzubilden. Meine Urgroßmutter musste als Seniorchefin das Unternehmen gemeinsam mit der Tochter leiten und tat dies sehr kompetent. In späteren Jahren waren ihre Salons inmitten einer sehr illustren Damenriege legendäre Themen auf Familienfesten – Likörchen immer inklusive.

Die Mutter meiner Mutter wiederum wurde bereits in den ersten Kriegstagen zur Witwe. Ihr Mann, ein Verwaltungsbeamter, dem man auf den vergilbten Schwarzweißaufnahmen schon an der Nasenspitze ansehen konnte, dass die Armee nichts für einen Feingeist wie ihn sein würde, fiel und hinterließ sie als kinderlose Mittdreißigerin. Sie war damals Sekretärin und verdiente ihre Brötchen selbst, bis sie meinen (verheirateten) Großvater traf und mit fast Vierzig doch noch Mutter wurde.

Beiden gemein ist die Selbstständigkeit, die sie in ihren Witwenstand mitnahmen. Weder die eine noch die andere Frau war auf die Witwenrente angewiesen, und beide lebten ihr Leben durchaus mit Freude und viel Neugierde weiter. Interessiert hätte mich, wie sie beide mit ihrem Status umgingen. Ich habe zwar bereits über das Witwenglück meiner Großtanten und Großmutter geschrieben, aber Weiterlesen