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Der Kaufvertrag ist gesiegelt. Meine Zustimmung beglaubigt. Vor fast einem Jahr schloss sich die schwere, metallverstärkte Holztüre mit der abgegriffenen Messingklinke und damit ein zweieinhalb Jahrhunderte währendes Firmenkapitel und eine lange Familiengeschichte. Wenn man es genau nimmt, sind es sogar noch einige vierzig Jahre mehr, aber die erste offizielle Beurkundung stammt aus dem Jahr 1765.

Damals schlängelte sich der Main noch ungebändigt und langsam durch die Lande und der mittelalterliche Kern meiner Heimatstadt mit Fachwerkhäusern und einer Wasserburg beherrschte die von calvinistischen Flüchtlingen frisch und rechtwinklig angelegte Neustadt. Der Fluss, das Leben am und auf dem Fluss schufen die Grundlage für die Existenz meiner Vorfahren. Messschiffer waren sie, zu Beginn wohl nicht besonders erfolgreich, datiert doch von 1766 ein Gerichtsurteil auf Rückzahlung von Schulden an einen Bürger und Rotgerber aus Wertheim am Main gegen meinen Vorfahren samt Sohn.

Kriegsgewinnler wurden sie mit dem landgräflichen Auftrag, Soldatennachschub für den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg zu verschiffen. Statt Holz und Waren wurden nun Menschen das entsprechende Handelsgut entlang der rund 26 Main-Zollstationen bis Mainz. So richtig erfolgreich wurden meine Vorfahren aber erst, als ab 1818 die Zölle und ab 1831 das Stapelrecht aufgehoben wurden. Und mit der Entscheidung, eine Holzhandlung in meiner Heimatstadt fest zu etablieren. Viele Schiffer waren damals auch Holzhändler und die Stadt benötigte dringend Holz zum Ausbau der neu hinzugekommenen Viertel.

Am Mainkanal, der damals noch bis in die Innenstadt reichte und heute eine kleine Grünanlage inmitten von Einfamilienhäusern ist, wurde ein solides Haus errichtet. Mit Lager- und Kontorräumen, Wohnungen und Dienstleutekammern, nur wenige Meter von den flachen Mainkähnen entfernt, die stetig neue Ladungen löschten. Das Biedermeier kam und damit ein größeres, herrschaftliches Haus, das heute unter Denkmalschutz steht. Damals wurde wohl auch der Gingkobaum gepflanzt, dessen Blattform eine weißgoldene Familienbrosche an der Brust meiner Urgroßmutter zierte. Aus dieser Zeit stammt noch der Ring, mit Haarstickerei und der emaillierten Inschrift „In Erinnerung an den besten der Väter“.ring

Eine gute Zeit für meine Vorfahren. Auf zwei Gemälden, die lange Zeit bis zu ihrem Diebstahl Weiterlesen