Brüste.

Eins vorweg: ich finde Brüste toll. Jeder sollte Brüste haben. Ich bin überzeugt davon, dass die Welt eine andere wäre, hätten Männer Brüste.

Nicht nur, dass Anzüge etwas anders geschnitten wären. Nein, Anzugträger wären dann möglicherweise eher damit beschäftigt, ihre Brüste in Hemd und Nadelstreifen zu behalten, denn auf jene ihrer Kolleginnen zu starren. Es wäre eine Welt, in der es keinen Unterschied machen würde, ob oder ob nicht. Männer könnten ebenfalls Stillpausen einlegen und sich allgemein gleichberechtigter und ohne Ausreden um ihren Nachwuchs kümmern. Allerdings würde es vermutlich doch kompliziert, denn statt Schwanzvergleich (unter Männern) gäbe es dann den Brustvergleich (unter Männern und Frauen). Nun, auf einen Versuch könnte man es in der nächsten Evolutionsstufe ja ankommen lassen.

Aber wie sieht das Leben einer weiblichen Brust eigentlich aus Sicht der Betroffenen aus? Ich habe die meinen mal befragt und hier sind die Antworten:

Wann war euch eigentlich bewusst, dass Ihr etwas besonderes seid?
Das muss so um 1984 gewesen sein. Wir waren gerade auf dem Weg, erwachsen zu werden, wurden langsam groß und unsere Trägerin entdeckte in den Ferien an der französischen Atlantikküste, dass wir braungebrannt besser aussehen als weiß versteckt unter dem Bikinioberteil. Das hat dann dazu geführt, dass sich zwei kleine Franzosen beinahe um den besten Blick auf uns geprügelt haben.

Und später? Wie ging das weiter?
Naja, wir waren dann nicht mehr wegzudenken aus der Welt. Unsere Trägerin hat sich an uns gewöhnt. Und wir uns an sie. Sie ist ja schon ein bisschen anstrengend, hatte immer ziemliche Komplexe und war unsicher, wie sie mit sich und uns umgehen soll. Wir haben uns dann aber auf eine Art Waffenstillstand geeinigt. Wir stören sie nicht, sie verpackt uns gut. Das war uns wichtig, denn wir hatten Probleme mit Leichtathletikwettbewerben und Volleyballturnieren. Es reicht ja, wenn einer einen Durchhänger hat. (lachen) Entschuldigung, manchmal geht es mit uns durch!

Autos, Häuser, Brüste, Schwänze – es geht ja eigentlich immer um Größe. Wie kommt Ihr eigentlich mit Eurer zurecht?
Wir waren ja nie besonders groß, eher Kompaktklasse, also B-Körbchen. Gut ausgesehen haben wir schon, für natürliche Brüste. Alles im Durchschnitt, würden wir sagen. Heute ist das schwieriger. Da wird dann eine Brust danach beurteilt, „wie sie steht“. Das galt früher für Männerextremitäten, stellen Sie sich das vor!

Später, als unsere Trägerin Mitte 30 war, sind wir dann so richtig groß rausgekommen. Da gab es Hormonbehandlungen, Cortison, und da haben wir um eineinhalb Körbchengrößen zugelegt. Heute schwanken wir zwischen einem C- und D-Cup, je nach Zyklus und Gewicht. Wir haben uns unserer Trägerin angepasst und sind einfach ein bisschen schwerer geworden. Wir sind natürlich nicht mehr so straff wie früher, aber damit kommt unsere Trägerin klar.IMG_0582 - Kopie

Habt Ihr irgendwelche Tipps oder wollt Ihr noch etwas sagen?
Tastet regelmäßig uns regelmäßig auf Veränderungen ab. Vergesst Bürstenmassagen, das ziept und bringt dem Bindegewebe nicht viel. Tragt ordentliche BHs mit soliden Riemen und gebt ein bisschen mehr Geld dafür aus. Und gebt uns um Himmels Willen keine saublöden Kosenamen wie „Hans und Franz“ oder „Titties“!

Vielen Dank für das Interview.

In der letzten Antwort haben meine Brüste übrigens etwas angesprochen, was ich aktuell sehr spannend finde. Letzte Woche war ich bei meiner neuen Gynäkologin. Krebsvorsorge, Ultraschall, Zystenkontrolle. Und Abtasten der Brust. Meine bisherigen FrauenärztInnen haben das flott und unspektakulär durchgeführt, Dauer der Gesamtaktion: gefühlte zwei Minuten. Diese Ärztin stand vor mir, schloss die Augen und tastete millimetergenau ab. Teilweise mehrfach, im Vergleich zur anderen Brust. Jede Brust bekam ihre fünf Minuten Ruhm. Dann schrieb sie mir eine Überweisung für die Radiologie. Mammographie, zur Sicherheit.

Das bringt mich auf etwas, weshalb es vielleicht doch nicht so günstig wäre, hätten Männer Brüste. Stellen Sie sich vor, ein Mann müsste „zur Sicherheit“ zur Mammographie. Geht nicht. Geht gar nicht. Er würde sterben vor Angst. Der Fortbestand der Menschheit wäre in Gefahr.