AltersGerecht.

Via Twitter und Frau Kaltmamsell fischte ich folgenden Artikel zum Thema „altersgerechte Bekleidung“ aus dem Wust der täglichen Informationen. Was mir den Satz der besten Freundin von neulich ins Gedächtnis rief, dass „lange Haare nichts für Frauen ab 40“ seien. Nun, wir sind beide über 40 und tragen beide lange Haare – sofern schulter- bzw. überschulterlang (sie) schon als lang gilt. Es wäre ihrer Meinung nach also an der Zeit, den Friseur zum Erfinden eines alters- und typgerechten Schnitts zu animieren.

Nun habe ich schon vor einiger Zeit mit dem Zauberfriseur besprochen, dass ein kinnlanger Bob mit kurzem Pony in schlohweiß – und maximal einer breiten schwarzen Strähne, ein quasi negativer Piebaldismus – samt schwarzrandiger Klugscheißerbrille am besten zu mir passen würde. Aber da ging es eher um Typgerechtigkeitheit denn Altersgerechtigkeitheit. Denn was mir seit Anbeginn aller Zeiten immer sauer aufstößt, ist die Deutungshoheit, wie sich eine Frau (und natürlich auch ein Mann oder jedes Geschlecht dazwischen) zu kleiden hat, wie sie ihre Haare zu tragen hat oder wie sie sich ganz allgemein zu geben hat – wenn sie/er/es ein bestimmtes Alter überschritten hat!

Mal ganz ehrlich: wen interessiert es, ob ich Weiterlesen

Glätteisen.

Das erste Mal habe ich an Botox gedacht, nachdem mir ein Surfbrett auf den Kopf gefallen war. (In einer Dachwohnung eines Talkshow-Moderators. Ganz ohne Wasser. Mit Gehirnerschütterung. Fragen Sie nicht.)

Denn unangenehme (eine Woche lang eine fette Beule auf der Stirn) und angenehme (die beiden dicken Stirnfalten waren erst unsichtbar und dann längere Zeit gemildert) Folgen hielten sich in meiner Wahrnehmung die Waage. Das Surfbrett-Erlebnis spielte sich in meinen frühen Dreißigern ab und seitdem hat die Zeit, haben die Lebenserfahrungen in meinem Gesicht und an meinem Körper durchaus ihre Spuren hinterlassen.

Mit meinen Fältchen und Falten, mit den kleinen und großen Polstern kann ich ziemlich gut leben, daran leide ich jedenfalls nicht. Aber diese beiden horizontalen Stirnfalten, die wurden mit der Zeit immer ein bisschen tiefer. Denkerstirn trifft es nicht ganz, eher afrikanischer Grabenbruch, und das gefiel mir nicht mehr. Darum habe ich mich im befreundeten Ärztekreis kundig gemacht und ließ mich nach eingehender Beratung durch die Medizinerin und Prüfung meines Kontostandes botoxen.

Vier kleine Minimaldosen wurden in den oberen Bereich meiner Stirn gespritzt. „Dann haben Sie auch weiterhin Mimik und Ihre Augenbrauen fangen nicht an zu hängen“, erklärte die Ärztin, denn ich wollte nur eine kleine Faltenminderung und nicht aussehen wie Renée Zellweger. Es piekste ein winziges bisschen, war aber sehr erträglich. „Wundern Sie sich nicht, der erste Effekt zeigt sich in drei Tagen“, gab mir die Ärztin zusätzlich zum Kühlkissen mit auf den Weg. „Und rechnen Sie mit Kopfschmerzen!“

Also wartete ich. Die Kopfschmerzen kamen verlässlich, gingen aber am Tag 2 vorbei. Tag 3 kam und nichts passierte. Meine Runzelstirn war weiterhin beweglich wie die von Stan Laurel, die Falten deutlich und präsent. Ein wunderschöner Herbstnachmittag, wir fuhren über Land, und die Sonne schien in einem letzten Aufbäumen warm vom Himmel. Hinterher hatte ich einen leichten Sonnenbrand, so fühlte es sich jedenfalls an. Bewegen ließ sich der Musculus frontalis immer noch. Ich ging zu Bett. Um am Tag 4 mit einer Betonstirn zu erwachen. Das Augenbrauenheben ging, war aber deutlich mühsamer als sonst. Ein unsichtbares Band lag um meine Stirne.

Am Tag 5 war irgendwas mit meinem Lachen passiert. Ich lachte, aber mit angezogener Handbremse, so jedenfalls mein Empfinden. Nun habe ich derzeit nicht so viel zu lachen, aber irgendwas ist ja immer und dann lache ich sehr breit und laut und mit allen Muskeln. Es schien aber niemandem aufzufallen, was mir deutlich mehr Sorgen machen sollte. An Tag 6 sprach mich dann doch Kollegin I an, die ihre – wenig erfolgreiche – Botox-Erfahrung bereits gemacht hatte. Ich sähe entspannter aus, ob sich denn daheim wieder alles ein wenig zum Besseren wenden würde?

Nun haben wir Tag 7 und ich beginne, mich an meine fast glatte Stirn zu gewöhnen. Das Lachen geht wieder, wie mit dem Glätteisen gezogen sehe ich zum Glück nicht aus. Ich bin gespannt, wie das Experiment weitergeht und ob ich es dabei belasse.

Im Zweifelsfall: Kann mir einer von Ihnen ein Surfbrett leihen?

Brüste.

Eins vorweg: ich finde Brüste toll. Jeder sollte Brüste haben. Ich bin überzeugt davon, dass die Welt eine andere wäre, hätten Männer Brüste.

Nicht nur, dass Anzüge etwas anders geschnitten wären. Nein, Anzugträger wären dann möglicherweise eher damit beschäftigt, ihre Brüste in Hemd und Nadelstreifen zu behalten, denn auf jene ihrer Kolleginnen zu starren. Es wäre eine Welt, in der es keinen Unterschied machen würde, ob oder ob nicht. Männer könnten ebenfalls Stillpausen einlegen und sich allgemein gleichberechtigter und ohne Ausreden um ihren Nachwuchs kümmern. Allerdings würde es vermutlich doch kompliziert, denn statt Schwanzvergleich (unter Männern) gäbe es dann den Brustvergleich (unter Männern und Frauen). Nun, auf einen Versuch könnte man es in der nächsten Evolutionsstufe ja ankommen lassen.

Aber wie sieht das Leben einer weiblichen Brust eigentlich aus Sicht der Betroffenen aus? Ich habe die meinen mal befragt und hier sind die Antworten:

Wann war euch eigentlich bewusst, dass Ihr etwas besonderes seid?
Das muss so um 1984 gewesen sein. Wir waren gerade auf dem Weg, erwachsen zu werden, wurden langsam groß und unsere Trägerin entdeckte in den Ferien an der französischen Atlantikküste, dass wir braungebrannt besser aussehen als weiß versteckt unter dem Bikinioberteil. Das hat dann dazu geführt, dass sich zwei kleine Franzosen beinahe um den besten Blick auf uns geprügelt haben.

Und später? Wie ging das weiter?
Naja, wir waren dann nicht mehr wegzudenken aus der Welt. Unsere Trägerin hat sich an uns gewöhnt. Und wir uns an sie. Sie ist ja schon ein bisschen anstrengend, hatte immer ziemliche Komplexe und war unsicher, wie sie mit sich und uns umgehen soll. Wir haben uns dann aber auf eine Art Waffenstillstand geeinigt. Wir stören sie nicht, sie verpackt uns gut. Das war uns wichtig, denn wir hatten Probleme mit Leichtathletikwettbewerben und Volleyballturnieren. Es reicht ja, wenn einer einen Durchhänger hat. (lachen) Entschuldigung, manchmal geht es mit uns durch!

Autos, Häuser, Brüste, Schwänze – es geht ja eigentlich immer um Größe. Wie kommt Ihr eigentlich mit Eurer zurecht?
Wir waren ja nie besonders groß, eher Kompaktklasse, also B-Körbchen. Gut ausgesehen haben wir schon, für natürliche Brüste. Alles im Durchschnitt, würden wir sagen. Heute ist das schwieriger. Da wird dann eine Brust danach beurteilt, „wie sie steht“. Das galt früher für Männerextremitäten, stellen Sie sich das vor!

Später, als unsere Trägerin Mitte 30 war, sind wir dann so richtig groß rausgekommen. Da gab es Hormonbehandlungen, Cortison, und da haben wir um eineinhalb Körbchengrößen zugelegt. Heute schwanken wir zwischen einem C- und D-Cup, je nach Zyklus und Gewicht. Wir haben uns unserer Trägerin angepasst und sind einfach ein bisschen schwerer geworden. Wir sind natürlich nicht mehr so straff wie früher, aber damit kommt unsere Trägerin klar.IMG_0582 - Kopie

Habt Ihr irgendwelche Tipps oder wollt Ihr noch etwas sagen?
Tastet regelmäßig uns regelmäßig auf Veränderungen ab. Vergesst Bürstenmassagen, das ziept und bringt dem Bindegewebe nicht viel. Tragt ordentliche BHs mit soliden Riemen und gebt ein bisschen mehr Geld dafür aus. Und gebt uns um Himmels Willen keine saublöden Kosenamen wie „Hans und Franz“ oder „Titties“!

Vielen Dank für das Interview.

In der letzten Antwort haben meine Brüste übrigens etwas angesprochen, was ich aktuell sehr spannend finde. Letzte Woche war ich bei meiner neuen Gynäkologin. Krebsvorsorge, Ultraschall, Zystenkontrolle. Und Abtasten der Brust. Meine bisherigen FrauenärztInnen haben das flott und unspektakulär durchgeführt, Dauer der Gesamtaktion: gefühlte zwei Minuten. Diese Ärztin stand vor mir, schloss die Augen und tastete millimetergenau ab. Teilweise mehrfach, im Vergleich zur anderen Brust. Jede Brust bekam ihre fünf Minuten Ruhm. Dann schrieb sie mir eine Überweisung für die Radiologie. Mammographie, zur Sicherheit.

Das bringt mich auf etwas, weshalb es vielleicht doch nicht so günstig wäre, hätten Männer Brüste. Stellen Sie sich vor, ein Mann müsste „zur Sicherheit“ zur Mammographie. Geht nicht. Geht gar nicht. Er würde sterben vor Angst. Der Fortbestand der Menschheit wäre in Gefahr.

Atlantik (Ost).

Am Meer kann ich gut sein. Gut schlafen, während die Brandung rauscht, im Hintergrund Kinderstimmen klingen, Möwengeschrei. Die Sonne wärmt, brennt mir die kleinen – guten – braunen Schatten ins Gesicht und die schlechten unter den Augen weg. Im Wasser durch die nächste Welle tauchen, kalt, kalt, kalt ist es! Aber ein bisschen was geht immer, wir gehen bis auf 15 Grad Celsius runter, keine Zuckerpüppchen. Kleine Kiessteinchen reiben unter den Sohlen, der Sand knirscht zwischen den Zähnen. Süßes Salzwasser auf den Lippen. Ich küsse den, der mir am besten gefiel, damals auf dem Campingplatz.

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15, 16 Jahre alt waren wir, er mit einem jungen, glatten Gesicht, einem Tennisspielerkörper und einer noch zarten Seele. Ich, unsicher, die Haare wieder wachsen lassen oder doch kinnlang, sitzt der Bikini? Am Tag spielen in der Brandung, spätabends Hand in Hand unter der Milchstraße. Siehst du, die Brecher leuchten im Mondschein, sagst du und es ist eine Ferienliebe, wie sie sein soll. Später schickst du mir Briefe mit Fotos, die dich in Schuluniform zeigen, da siehst du jünger aus als ich. Ich antworte mit Bildern in einem verboten kurzen Jeansrock. Was musste ich meine Mutter überzeugen, dass sie auf den Auslöser drückte! Deine Briefe sprechen von Liebe, ich sende verhaltenere Grüße zurück.

Längst ist der Sommer vorbei, der erste, der richtige Freund ist in mein Leben getreten. Irgendwann schreibst auch du nicht mehr, sie heißt Sandrine und sieht mir ähnlich. Im Jahr darauf, wir sehen uns zufällig wieder am Boule-Spielplatz, zögern wir kurz. Wir sind nicht mehr unschuldig. Aber der Atlantik ist derselbe, das Mondlicht, der Strand locken und wir wissen beide, dass wir uns im nächsten Jahr nicht mehr sehen werden.

Sand rieselt über mein Gesicht, ich wache langsam auf und bin fast 30 Jahre älter. Die Ostsee ist nicht der Atlantik. Aber ich habe gut geschlafen.

Sonnencreme.

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Absolventen des Jahres 1999
Benutzen Sie Sonnencreme,  

Ich stand neulich bei heißen 30° Celsius im Stau und im Radio lief ein lange nicht gehörtes Lied: „Sonnencreme“, die Vertonung einer Zeitungskolumne durch den Regisseur Baz Luhrmann. Ich sah in die anderen Fahrzeuge und die genervten Blicke der Fahrer, las ihre Gedanken. Nur fünf Minuten schneller! Kann der Typ im Audi vor mir nicht aufschließen? Wieso hat mich der Chef nicht dem Oberchef vorgestellt? Jetzt eine rauchen. Nur fünf Minuten schneller, ohne Stau, wären sie!

Die wahren Probleme in ihrem Leben sind meist Dinge an die Sie in ihren sorgenvollen Stunden nie denken würden.

Dinge die zum Beispiel an einem unbeschwerten Dienstagnachmittag um vier aus heiterem Himmel auf Sie niederprasseln.

Bei uns war es kein Dienstagnachmittag um vier. Ich kann mich nicht einmal an das genaue Datum erinnern, aber es war ein Spätherbst vor einigen Jahren und die Diagnose lautete Krebs. Der Mann war krank. Krebs und Krankheit als Synonym beinhaltet ja immer die Chance zur Heilung. Daran hielten wir uns, zumal der Krebs „der gutartige unter den bösartigen“ Arten war. Aber es änderte alles.

Vielleicht heiraten Sie,
vielleicht auch nicht,
vielleicht haben Sie Kinder,
vielleicht auch nicht,
vielleicht lassen Sie sich mit 40 scheiden,
vielleicht feiern Sie auch ihren 75sten Hochzeitstag mit einem Ententanz. 

Wir heirateten nach überstandener Behandlung, um unseren 75sten Hochzeitstag ganz sicher nicht mit einem Ententanz zu feiern. Wir sind beide eher Nichttänzer. Aber wir würden keine Kinder haben. Auch keine Adoptivkinder, denn lebensbedrohliche Krankheiten wie Krebs gelten erst nach fünfjähriger Karenzzeit als geheilt. Das hört sich ungerecht an, dient aber dem Kindeswohl. Und nach zwei Jahren war der Krebs ohnehin wieder da. Und nach weiteren acht Monaten wieder, diesmal schlimmer, akute Lebensbedrohung durch Komplikationen. Wieder eine lange, eine noch längere, noch einschneidendere Behandlung, wieder warten, Bestrahlung, warten, OP. Jetzt, seit einigen Tagen, erneut die Diagnose. Wieder alle Planungen in den Wind schießen. So ist das mit Krankheiten: sie lassen sich kaum in ein „normales“ Leben integrieren, man kann nicht mehr planen, Urlaube, Auszeiten, Kinder – alles wird temporär unplanbar oder sogar unmöglich. Aber was will man machen? Ich halte mich in solchen Zeiten an meinem Mantra „Isso. Aufstehen, weitermachen.“ fest. Was diese Zeit den Mann an Kraft gekostet haben mag, kann ich mir kaum vorstellen. Aber sie kostet auch den Gesunden neben dem Kranken viel, viel Kraft. Wie bei duldenden (leidenden) Partnern von Alkoholikern wird man zum Co-Kranken.

Haben Sie Freude an ihrem Körper,
nutzen Sie ihn soviel wie möglich.
Haben Sie keine Angst vor ihm oder davor,
was Andere über ihn denken,
er ist das beste Instrument, das Sie haben.

Wir müssen uns darüber klar sein, dass wir auf unserem Instrument spielen, mit ihm spielen, wenn wir es nicht pflegen. Ich möchte nicht in esoterische Welten eintauchen, aber: Körper und Geist sind für mich eine Einheit, das eine erhebt sich nicht über das andere, mens sana in corpore sano, eben. Manchmal muss ich mich zwingen, meine Übergewichtskilos anzugehen, mich morgens aus dem Bett zu quälen, um meinen Körper ein bisschen zu spielen. Aber genauso muss ich darauf achten, dass meine Seele an eigenen Krankheiten oder denen anderer keinen Schaden nimmt. Ich kann mir helfen lassen. Ich kann mir Auszeiten nehmen. Ich bin nicht Mutter Teresa. Ich bin ein Mensch.

Machen Sie sich klar,
dass Freunde kommen und gehen,
aber pflegen Sie einige wertvolle Freundschaften, tun Sie alles um sich räumlich und menschlich nahe zu bleiben,
denn je älter Sie werden, desto mehr sind Sie auf Menschen angewiesen, die Sie schon als Kind kannten.

Der Mann und ich haben großes Glück mit unseren Freunden. Sie nehmen uns viel ab, viel auf und sind da, wenn es richtig, richtig Scheiße ist. Er kennt seine, ich die meinen, Freunde aus den Frühzeiten des Studiums, das ist heutzutage ja fast so viel wert wie Sandkastenfreundschaften. Unsere Freunde sind übrigens toll. Ihre, liebe Leser, bestimmt auch. Könnten Sie ihnen ja mal wieder sagen.

Abschließend ist es wie mit dem Luhrmannschen Text: Viele zusammenhanglose Teile ergeben ein Ganzes, ein Leben. Und das geht weiter. Zu zweit.

Aber das mit der Sonnencreme,
können Sie mir glauben.

 Wo er Recht hat, hat er Recht, der gute Baz. Ich fuhr an den ganzen unzufriedenen Staustehern vorbei nach Hause und war zufrieden.

Yoga.

Erinnern Sie sich noch an diese Partei, die sich in ihren Wahlwerbespots in einer Art Schneidersitz in die Luft katapultierten und das als „yogisches Fliegen“ bezeichneten? Okay. Dann können Sie sich vielleicht vorstellen, warum ich mit Yoga an sich relativ lange nichts anfangen konnte. Yoga, das war irgendwas für diese nach Patchouli duftenden Batikmodeträger, bei denen man nie sicher sein konnte, ob das fortgesetzte Abbrennen von Räucherstäbchen oder lange nicht gepflegte Achselhaare einem den Verbleib in ihrer unmittelbaren Nähe, nun ja, schlecht vermittelbar machten.

Bis vor einigen Jahren die ein oder andere Freundin anfing, über „diese wahnsinnige Entspannung“ zu sprechen, eine „neue, innere Ausgeglichenheit“, die sie nach Ende des Scheidungsprozesses und Verbringung der Brut in eine hoffnungsvoll stimmende schulische Laufbahn verspürte. Nun bin ich weder geschieden, noch muss ich mir über die Zukunft eines Nachwuchses Gedanken machen, aber mich ereilen dann und wann Stimmungsschwankungen, die ich nun doch noch nicht mit einer in einigen Jahren dräuenden Menopause in Verbindung bringen möchte.

Um es frank und frei zu sagen: ich habe häufiger Rücken. Und ich habe häufiger schlechte Laune, unter anderem bedingt durch einige Kilogramm zu viel auf den Rippen, was auch möglicherweise für den Rücken verantwortlich… – ach, lassen wir das. Nun, jedenfalls übte eine meiner grandiosen Ex-Kolleginnen einen wohltuenden Einfluss auf mein Sportverhalten aus, indem sie mich einfach jeden Dienstag und Donnerstag in das Büronahe Fitnessstudio zerrte. Um gemeinsam „die alten Knochen in Schwung zu bringen“. Und bei Samara den Yogakurs zu besuchen.

Wir schnauften, dehnten, atmeten, ommten und wurden tatsächlich etwas beweglicher wenngleich nicht ganz so ausgeglichen wie die oben beschriebenen Scheidungsfreundinnen. Wir übten unverdrossen gemeinsam weiter, bis ich endlich und sehnlichst erhofft, die Kleinstadt gegen Großstadt und den Job in einem eher schwierigen Umfeld gegen einen in einem anspruchsvollen (sprich: schwierigen) Umfeld eintauschen konnte, Ende des Fitnessstudiovertrags inklusive. Ich wurde geistig wieder beweglicher, körperlich dagegen immobiler. Was tun, was nun?

Alle Fitnessstudios in Laufweite waren entweder teuer – ich bezahle einfach keine 69 Euro per Monat für eine mäßig ausgestattete Lofthalle – oder eine dieser McDingsbums-Ketten, die ich grundsätzlich ablehne. Die Yogastudios in meinem Kiez dufteten tatsächlich nach Räucherstäbchen und nahmen offenbar nur Mütter und Geschiedene auf, die bereits Bekanntschaft mit dem Wiederaufbau des Beckenbodens gemacht hatten. Also googlete ich und fand: Susanne Fröhlich, mir als Moderatorin aus sehr alten Jugendzeiten von meinem damaligen Heimatsender HR3 bekannt. Frau Fröhlich wurde nach Geburten, Genuss und Scheidung erst moppelig, dann dünn, schrieb einige Bücher darüber und nahm eine Yoga-DVD auf.

Ich machte mich also eines schönen Morgens auf, mit Hilfe ihrer DVD erneut in die Yoga-Welt einzutauchen. Es ist sehr mühevoll. Die Yoga-Matte passt gerade zwischen Bücherregal, Sofa und Fernseher, mitunter schlage ich mit der Handspitze gegen eine Vase oder quetsche mir den Fuß an der Wohnzimmertür. Ganz zu schweigen vom Ehemann, der, gelegentlich zu meiner Übungszeit bereits wach, grinsend durch die Glastüre linst. Widrige Umstände, also. Dennoch bin ich neulich ein wenig geschwebt. Ich versichere Ihnen, es war so. Einige Zentimeter über dem Boden schwebte ich und konnte gerade so aus dem Fenster schauen. Der Nachbar von gegenüber dehnte sich gerade in den Sonnengruß und im dritten Stock darüber konnte ich eine rüstige Seniorin beim Kranich beobachten. Ich sage Ihnen, demnächst machen wir eine neue Partei auf: Hauptprogrammpunkt „Frieden durch Yoga“. Wer fliegt, darf dann auch am Flughafen BER landen.