Zwei Monate.

Beinahe zwei Monate Leben in einer fremden Stadt auf einem anderen Kontinent, sprechen in einer anderen Sprache, während die Träume noch in der Muttersprache sind. Vier Monate habe ich in Paris gebraucht, bis ich mich wirklich heimisch in Französisch fühlte, bis ich die Feinheiten und kleinen Anspielungen ansatzweise verstehen gelernt hatte. Seit gestern kenne ich die guten Wörter, die lieben, die liebevollen und die liebevoll-anspielenden. Seit vorgestern die Flüche. Santiago war dann wohl der Crashkurs. Heute Nacht habe ich das erste Mal auf spanisch geträumt.

 

[Was schön war] #kw18/17.

Was in der vergangenen Woche schön war, zum vorletzten Mal in der Reiseedition Chile, denn bald geht es weiter nach Buenos Aires, und das sind schon einmal schöne Aussichten.

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Mein größter Schwachpunkt, das Telefonieren in einer fremden Sprache, erweist sich als überwindbar, und so habe ich mich durchgebissen, bis ich endlich einen erwünschten Termin bekommen konnte. Ich tue mich immer noch schwer, aber meine Gesprächspartner sind in der Regel so liebenswert und sprechen automatisch langsamer und deutlicher.

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Dienstag eine temporäre Mitbewohnerin bekommen. J. aus Frankreich hatte Pech mit ihrer Unterkunft und so bezog sie das Wohnzimmer, bis ihr Flug nach Peru geht. Als gelernte Barista kredenzte sie mir jeden Morgen mit den Mitteln meiner Küche einen ausgezeichneten Milchkaffee. Dennoch freue ich mich, seit heute meine Wohnung wieder für mich zu haben.

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Die letzte Woche bei der Freiwilligenstelle war noch einmal schön, das Team hatte sich in den vergangenen Wochen gut zusammengefunden. Mein Abschied fiel auch mit dem Abschied von A. zusammen, der dort gut ein halbes Jahr seine Fortbildung als Ergotherapeut komplettierte, und so gab es am Freitag mehr als genug Süßigkeiten für alle. Aus der Arbeit nehme ich mehrere gute Kontakte mit, nette Bekanntschaften und das Gefühl, dass ich das Leben in allen seinen Facetten ertragen und damit arbeiten kann. Mit schwer behinderten Kindern zu arbeiten ist etwas anderes, als einen sterbenden Menschen zu begleiten, denn es gibt Hoffnung auf eine Verbesserung des Zustandes. Nichtsdestotrotz gab es auch Situationen, die mich an den Rand meiner Nerven brachten, z.B. Atemkrisen bei einer Patientin, während ich verhinderte, dass sie vom Pferd fiel. Das Überwinden solcher Momente hat mich stärker gemacht, aber nicht härter.

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Bei der Mutter einer Patientin zum Abendessen eingeladen gewesen. Ein sehr gebildeter Haushalt, die Mutter Biochemikerin in Rente, die Tochter war Medizinerin mit zwei Fachrichtungen, ebenfalls Mutter und verheiratet. Nun ist nichts mehr da, die Tochter ist komplett von ihrer Mutter abhängig, aber sie kämpft so sehr und mit einem nicht zerstörten Sinn für Humor um ihre Freiräume. Ein sehr reicher Abend. Und mit gutem Essen.

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Das Leben gespürt, wie es einmal war. So wie früher, als jüngere Frau, im Nachtleben von Berlin, mit dem Prickeln einer Affäre, der Spannung, der Chemie zwischen zwei Menschen. Es ist und bleibt ein Spiel, die Liebe, die Anziehung, der Sex. Einzig die hinterher auszulöffelnde Gefühlssuppe sollte unterbleiben.

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Gut gemixte Caipirinhas gehören ja eher zu den seltenen Dingen in Chile und so war ich doch angenehm überrascht, dass in der Bar „Matilde“ der hohe Standard gemixt wird. Zudem hat man noch einen tollen Blick über das Bellavista-Viertel von Santiago.

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Ein Stückchen Herz lasse ich hier. Mein Herz ist groß genug geworden, dass ich das verkraften kann.

 

Kleine Roman(z)e.

Macht aus meinem Leben doch einen Rosamunde-Pilcher-Roman, habe ich mal aus Spaß beim Posten eines wirklich sehr schönen Fotos dazugeschrieben und gleich ermahnt, man möge bei der Rollenvergabe bitte die Neubauer und die Ferres auslassen. Die Hauptrolle müsste an eine nicht mehr ganz junge Frau gehen, ein bisschen vom Leben gebeutelt, aber willens, das, was noch davon übrig ist, in die Hand zu nehmen. Also vielleicht die Gedeck, die spielt ja sehr reduziert. Obwohl sie mir manchmal einen Tick zu bitter um den Mund ist, denn der Roman soll ja auch ein bisschen Romantik haben. Und jetzt habe ich in einem Satz doch tatsächlich Tick, Roman und Romantik untergebracht, das soll mir doch mal einer nachmachen.

Jedenfalls. Wir haben da ein paar gute Zutaten für einen Abend voll Kitsch, Tränen, Lachen, schöner Landschaft, exotischer Landschaft, weiter Landschaft, noch mehr Landschaft. Und Pferde. Die müssen sein. Der Mann dazu darf gern auch von der exotischeren Sorte sein und wenigstens einen Abgrund haben, der erklärt, warum er mit Ende 30 immer noch Single ist oder wieder, bis auf die erklärten Differenzen. Die Heldin überlegt noch, ob sie das überhaupt interessiert, denn eigentlich hat sie ihr Leben ganz gut in der Hand und muss jetzt nun wirklich, aber auch wirklich gar nicht, schon wieder für einen anderen mitdenken. Außerdem ist die Sprachverwirrung groß. Was meint er denn jetzt, wenn er sie zu einer sehr speziellen Frau für sich erklärt? Irgendwas sieht er in der Heldin, in mir, ich kann mir das nicht erklären, das passt alles überhaupt nicht, das soll nicht passen und Buchdeckel haben auch nur begrenzt Geduld für solcherlei Dinge. Der Abschied dräut und wir klammern uns noch ein wenig aneinander, gleich den fallenden Blättern draußen, denn es ist Herbst in seinem Land.

Und so bleibt es wohl bei einem Romänchen oder einem Romanzchen, ich tauge nicht für die großen Dramen, nicht mehr, deren hatte ich genug im Leben.

WMDEDGT 05/17.

Der Mai macht alles neu, aber eines bleibt, und das ist die Frage von Frau Brüllen, was wir eigentlich am 5. eines Monats den lieben langen Tag so machen.

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Ich wachte gegen zwanzig vor sechs chilenischer Zeit auf und las ein wenig die morgendliche Twitter-Timeline durch. Ist ja auch selten, dass ich aufgrund der Zeitverschiebung von aktuell fünf Stunden den Tagesrhythmus erwische. Außerdem bin ich schon so lange auf Reisen, dass mir einige Threads und Twitterdorfsäue schon nach Millisekunden die Freude an Twitter verderben und ich sofort auf meine Wohlfühl-Liste springe. Man muss sich ja nicht alles antun.

Wenigstens schlief ich wieder ein und wachte um halb neun einigermaßen ausgeschlafen auf. Der Tinnitus der Nacht nach dem Evanescence-Konzert hatte sich mittlerweile wieder reduziert. Laut und schön war es, auch wenn mich der Taxifahrer nach dem Konzert sauber abgezockt hat. (Sehr zur Empörung des Verehrers, der das als Angriff auf seine Nationalehre auffasste: „Der Schweinehund kann kein Chilene sein!“)

Ich trödelte ein wenig im Bad herum und versuchte, die Auswirkungen des gestrigen Friseurbesuchs etwas in Form zu bringen. Der gute Friseurmeister sah nicht nur aus wie Jürgen von der Lippe, sondern hatte beim Färben und Fönen meiner Haare auch genau jenen süffisanten Zug um den Mund wie der Showmaster, wenn sich einer seiner Probanden so richtig in die Sch… ritt. Ich verließ den Salon gestern demgemäß mit schnurglatt gebügelten Haaren und wunderte mich nur, wie man so etwas ohne Glätteisen hinbekommt. Für mein Evanescence-Konzert passte das allerdings ganz gut.

Nach Müesli und starkem Kaffee beschloss ich, meine Reisen noch ein bisschen zu planen. Nachdem ich das Go für das Schreiben eines Portraits bekommen habe, muss ich ein wenig umdisponieren. Außerdem langweilte sich der Verehrer anscheinend auf seiner Arbeit – was machen eigentlich diese IT-Ingenieure den lieben langen 5. eines Monats so? – und sandte mir etliche kleine WhatsApp-Botschaften, die ordentlich zu beantworten ich immer noch nur mittels Wörterbuch imstande bin.

Mittags telefonierte ich per WhatsApp mit der Freundin, um den gemeinsamen Trip durch Schottland im August zu planen. Durch einen in Chile lebenden Bekannten, Schotte wie er im Buche steht, könnten wir das AirBnB seiner Eltern in Edinburgh zu einem Sonderpreis mieten. Nun hängt es nur noch von der Freundin-Planung ab, wie lange sie Zeit hat. Ich für meinen Teil möchte doch gern ein Stückchen des „Gin-Trails“ abklappern.

Gegen halb zwei machte ich mich langsam fertig für die Arbeit. Vorher musste ich noch tanken. Das chilenische System ist ein bisschen umständlich. Man geht ans Kassenhäuschen (gut gesichert), bezahlt einen Betrag x, den man für seinen Tankinhalt schätzen muss. Dann wird die Tanksäule freigeschaltet. Verbraucht man nicht alles der Summe x, geht man zurück zum Kassenhäuschen und bekommt die Differenz ausgezahlt. Manchmal stehen zehn Leute vor einem, sodass das Volltanken eines Autos durchaus etwas dauern kann. Ich bin noch nicht dahintergekommen, warum das so umständlich läuft, gehe aber davon aus, dass das hier mit den durchaus vorkommenden Raubüberfällen oder Benzindiebstählen zu tun haben könnte.

Danach fuhr ich quer durch die halbe Stadt in den Vorort, wo meine Freiwilligenstelle ist. Es hatten wegen einer umgehenden Magen-Darm-Geschichte mehrere Patienten abgesagt, sodass der Nachmittag eher ruhig verlief und wir früher Schluss machen konnten. Meine mexikanische Kollegin Nati und ich fuhren gemeinsam durch den Feierabendstau zurück in die Innenstadt. Eigentlich wollten wir noch einen kurzen Abstecher zum Gallery-Weekend machen, das heute begann, aber Nati hatte Kopfschmerzen und ich war noch von gestern Abend müde. Also beschlossen wir, nur noch einzukaufen und uns dann nicht mehr ins Nachtleben zu stürzen.

Wir wurden bei Lider-Express fast totgetrampelt. Das System „Einkaufen“ passiert hier eher zufällig und ungeplant. Niemals habe ich Chilenen mit Einkaufszettel gesehen und auch die im meinem Studium eingepaukten Handelsmarketing- und POS-Maximen scheinen hier nicht zu gelten. Aber bislang habe ich fast alles gefunden, und die Superdupermarktkette „Jumbo“ hat nichts, was es nicht gibt.

Ich whatsappte noch ein bisschen mit dem Verehrer, der heute mit seinen Freunden unterwegs ist, machte mir einen Salat und gammelte lesend und schreibend auf dem Sofa herum. Kultur, Tanz und Spaß dann Morgen wieder.

[Was schön war] #kw16/17.

Was war besonders schön in der vergangenen Woche? Was war aufschreibenswert, um sich daran zu erinnern? Die Reiseedition von „Was schön war“ geht in den dritten Monat, und ich bin immer noch überrascht über dieses Unterwegssein mit allen seinen Auswirkungen, Erfahrungen und Bildern.

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Es ist soweit: ich beginne, mich in der fremden Sprache wohl zu fühlen. Ich kann Witze machen, Wortspiele ausprobieren und sogar versuchsweise eine hitzige Diskussion über Rentenkassen führen. Es ist immer noch mühsam, aber ich freue mich wie eine Schneekönigin, wenn mir das (von Herzen kommende) Lachen meines jeweiligen Gegenübers zeigt, dass meine schlechten Witze auch auf spanisch funktionieren.

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Meine kackfrech ins Blaue geschriebenen Akquisemails haben erste Erfolge gezeitigt: ich habe den Auftrag bekommen, für eine Wochenzeitung in Chile ein Portrait zu schreiben. Dass nun das Reiseblog auch technisch langsam wieder auf die Beine kommt, erleichtert mich ungemein, denn es ist ja zugleich eine Art Visitenkarte für derlei Kleinaufträge. Andererseits warten das noch drei bis vier nicht fertiggestellte Blogbeiträge, die ich einfach nicht zu Ende bringe. Nicht schön, aber immerhin passiert zurzeit ja doch so einiges an Schönem, das mich ablenkt und bestens unterhält.

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Von der Mutter einer Patientin zum Abendessen eingeladen worden. Ich bin sehr gespannt.

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Einen überaus amüsanten Abend mit dem Verehrer in einer Bar im Viertel Bellavista verbracht. Er hat eine außergewöhnlich schöne Gesangsstimme und kann damit einen ganzen Laden für sich einnehmen, mich eingeschlossen. Das darf gern so weitergehen, bis ich abreise.

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Nach Patagonien gereist. Mit nur knapp drei Stunden Schlaf von Punta Arenas über Puerto Natales auf eine einsame Estancia mitten im Nationalpark gefahren. Kleiner Tipp: immer noch eine bis zwei Stunden auf die Wegzeit draufschlagen. Zweiter kleiner Tipp: tauchen dunkle Flecken auf der Straße auf – sofort runter vom Gas. Das sind in der Regel ausgewaschene Oberflächen mit Schotter und die können in Nullkommanichts die schönsten Kratzer am Mietwagen verursachen. Dritter kleiner Tipp: glänzen die Flecken, umfährt man sie am besten ganz vorsichtig. Dann umgeht man auch das Risiko, in einem Schlagloch von der Größe einer Kinderbadewanne zu verschwinden. Und letzter kleiner Tipp: taucht das Schild „Peligros“ auf, ist es schon zu spät, vom Gas zu gehen. Aber ansonsten alles kein Problem.

Anders als das sehr eher vergeistigte französische Ehepaar, das ich auf der Estancia traf, kann ich nämlich Reifen wechseln und muss keine drei Stunden warten, bis Hilfe kommt. Das hat mir mein Stiefvater gleich nach dem Führerscheinerwerb beigebracht, was ich immer noch sehr, sehr schätzenswert und schön finde.

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Einen ganzen Tag im Sattel gesessen und mit dem Guide und seiner Freundin durch Patagoniens Nationalpark „Torres del Paine“ geritten. Am nächsten Tag kaum Muskelkater gehabt.

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Nandus, Guanakos, Kondore, Füchse („Zorro“, wisster Bescheid) gesehen.

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In Punta Arenas ein bisschen durch die abenddämmerigen Straßen gewandert und gedacht: von hier aus noch 1.500 Kilometer bis zur Antarktis. Ich bin weit gekommen auf meiner Reise.

[Was schön war] #kw15/17.

Das „Was schön war“ in der Reiseedition findet sich langsam außerhalb der sprachlichen Wohlfühlzone zurecht.

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Intensiv mit den beiden gängigen Vergangenheitsformen auseinandergesetzt. Darüber fast vergessen, wie schwer das vergangene Jahr war. Möglicherweise liegt es aber auch an der chilenischen Unterstützung. Der Verehrer ist so nett und korrigiert eifrig meine Fehler. (Ja, ein Verehrer! Auch mal eine schöne Abwechslung.)

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Das erste Mal aktiv an einer Volkserhebung teilgenommen/teilnehmen müssen. Auch Touristen und Ausländer mussten den Fragebogen zum „Censo 2017“ ausfüllen. Der Cenista war so nett und übersetzte mir die meisten Fragen ins Englische (es gab auch Versionen in Englisch, Deutsch…, aber die hatte er nicht dabei). Nun bin ich mit meinen Antworten Teil der chilenischen Statistik und gespannt auf die Ergebnisse irgendwann in vier Monaten. Hoffentlich sind sie nicht geschönt.

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Was eigentlich eher nicht so schön war: das erste Mal in meinem Leben aktiv ein Erdbeben mitbekommen. (Das erste Mal überhaupt in Neuseeland habe ich verschlafen.) Die 4.irgendwas, die in Santiago angekommen sind – das Epizentrum lag vor der Küste Valparaísos, aber in relativ geringer Tiefe -, haben Bett, Tisch und Schrank wackeln lassen. Die Türen knarzten vernehmbar und ich fand es eigentlich eher interessant, denn ängstigend. Schön ist aber dennoch was anderes und ich hoffe doch sehr, dass ich während meiner Reise nun kein weiteres Beben miterleben muss.

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Passend zum Thema Erdbeben sehr nett ausgeführt worden. Aber: „Einen zweiten ‚Terremoto‘ bekommst du nicht!“ Der Verehrer sorgt sich um meine Leber.

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In den Anden geritten.

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Entscheidung getroffen. Die Freiwilligenarbeit wird um eine Woche gekürzt, dafür noch ein bisschen durch Chile gereist. Freiheit ist schön.

[Was schön war] #kw14/17.

Die vergangene Woche war ganz schön. Staubig. Also, schön und staubig. Aber vor allem staubig. Wenden wir uns den schönen Dingen zu, die nicht von Andenstaub bedeckt sind.

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Mein Sprachkurs begann sehr optimistisch. Ich hatte nicht alles vergessen, was ich in den dreieinhalb Wochen Januar-Intensivkurs gelernt habe. Allein, die Verbkonjugation musste ich intensiver üben.

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Ich konnte nicht widerstehen und habe mir ein paar Stiefeletten in Schlangenlederoptik gekauft. Manchmal gibt es solche Tage, da denkst du dir: ach egal, komm, scheiß drauf, dass du nur Reisegepäck bis 23 Kilo mitnehmen darfst und außerdem: die ollen aus Deutschland wolltest du ja spätestens in Argentinien entsorgen.

(Was ich mir allerdings dabei gedacht habe, mir ein paar sehr, sehr outdoortaugliche Gummi-Goretex-Stiefel anzuschaffen, weiß ich nicht. Hier sind tagsüber 23 Grad. Plus. Ich muss dringend an den Polarkreis.)

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Die Freiwilligenarbeit fordert im positiven Sinne. Ich schlage mich ganz gut darin, andere Menschen meine körperlichen Grenzen überschreiten zu lassen.

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Es war eine gute Entscheidung, am Karfreitag nach Valparaiso zu fahren. Im Hostel eine nette Truppe aus Deutschen und Chilenen kennengelernt. Nun habe ich Bekannte in Santiago und so ziemlich täglich trudeln WhatsApp-Nachrichten ein, was man denn zusammen unternehmen könnte.

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Mich für einen Fotografie-Kurs angemeldet.

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Mich zum Yoga angemeldet.

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Mich an die Stadt gewöhnt.

[Was schön war] #kw13/17.

Die Reise-Edition „Schönheit wochenweise unterwegs“ stellt fest: es gibt wieder schöne Aspekte der vergangenen Kalenderwoche. Auch in Südamerika, genauer in Santiago de Chile.

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Über die Datumsgrenze geflogen. Mir wurde sozusagen ein Tag im Leben geschenkt. Ich bin also einen Tag jünger als gestern. Oder so. Naja, jedenfalls, das ist doch auch schön, oder?

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Die gemietete Wohnung in Santiago bezogen. Ein Mietauto genommen und mich langsam an den Verkehr (rechts) und die vielen Einbahnstraßen gewöhnt. Die Parksituation rund um meine Wohnung ist und bleibt eher unbefriedigend. Es gibt nur wenige freie Parkplätze ohne Bezahlstatus, aber ab 18 Uhr abends ist wenigstens die in meinem Viertel arbeitende Bevölkerung auf dem Weg nach Hause und es gibt wieder freie Plätze. Da ich ab kommender Woche immer von Mittags ab quasi antizyklisch zu meiner Volunteerstelle fahre, schaue ich mal, wie sich das anlässt. Wenn es gar nicht geht, werde ich wieder zu meinem neuen Freund, dem Parkplatzwächter des Geriatriezentrums, zwei Sträßchen weiter pilgern. Er versprach mir, dass er gegen entsprechend Bakschisch einen Platz organisiert.

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Die Orientierung fällt leicht, Großstädte sind sich doch sehr ähnlich. Im Kino gewesen – ohne Untertitel, aber ich war doch schon dankbar, dass „Una mujer fantastica“ überwiegend mit Bildern und klassischem Emotionsspiel arbeitet. Aber ich muss mich ja einhören in diese mir noch unbekannte Sprache. Obwohl mir mein fließendes Französisch und meine Italienischkenntnisse doch beim Ausschöpfen meines Vokabulars helfen. Man hat mich bereits zweimal für eine Italienerin gehalten, vermutlich betone ich sehr italienisch.

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An einem Abend mit Heimwehanteilen und ein wenig Herumgeschluchze Nachrichten von Zuhause bekommen, die sehr gefreut haben.

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Ich habe meiner digitalen Bezugsgruppe meine Adresse bekanntgegeben und nun freue ich mich auf Post und Nachricht nach Chile!

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Von Neuseeland Abschied zu nehmen, fiel einerseits nicht leicht, denn die Inseln und ihre Bewohner machen es sehr einfach, sie so zu mögen, dass man bleiben möchte. Aber ich bin und bleibe auf Reisen. Und andererseits: in 24 Stunden kann man von Berlin aus mit etwas Glück – und einem funktionierenden Flughafen – zu jedem Punkt der Erde gelangen. Und wer weiß? Vielleicht kehre ich ja eines Tages noch einmal ins Land der Kiwis zurück und kann mir dann noch ein bisschen mehr von der Südinsel ansehen. Und Freunde besuchen, denn die habe ich dort gewonnen.

WMDEDGT 04/17.

Frau Brüllen fragt, was wir eigentlich den lieben langen Tag so machen und zwar immer am 5. eines Monats. Wir haben den 5. April und endlich, endlich nach dreieinhalb Wochen Neuseeland stimmen zumindest die Tagesdaten weitgehend wieder mit der Bezugsgruppe daheim überein. Gestern bin ich das erste Mal in meinem Leben an einem 4. April abends losgeflogen und an einem 4. April mittags angekommen. Das Überfliegen der Datumsgrenze hat allerdings Auswirkungen bis in den heutigen 5. des Monats und so gestaltete sich mein Tag entsprechend ungeordnet.

Um 2.38 – 7.38 nach deutscher Zeit – wachte ich das erste Mal in Santiago de Chile auf. Da ich am Abend zuvor um kurz vor elf todmüde und erschlagen ins Bett gegangen war, erwischte mich der Jetlag eben knappe vier Stunden Schlaf später. Ich kann mit wenig Schlaf ganz gut umgehen, aber die sofort einsetzenden Kopfschmerzen musste ich mit einer Ibu bekämpfen. Ich las ein wenig dem morgendlichen Erwachen meiner Twitter-Timeline hinterher, freute mich über eine Mail aus Mittelamerika samt Reisebeschreibungen (wie anders das Erleben doch sein kann, wenn Reisen mit Arbeiten verbunden ist!) und horchte auf die Geräusche der Stadt, in der ich nun knapp zwei Monate sein werde.

Gegen halb fünf schlief ich wieder ein, nur um kurz nach sieben von den ersten Biep, Bieps der Autoschließanlagen, einem hysterisch bellenden Hund und dem anschwellenden Verkehr auf der ums Eck liegenden Avenida Providencia zu erwachen und mich zu wundern. Nun war ich tatsächlich in Südamerika! In meiner eigenen Mietwohnung! Ich wurde oft gefragt, wie ich es geschafft habe, das alles und die ganze Reise innerhalb von knapp drei Wochen zu organisieren, denn genauso lange hat es von der endgültigen Entscheidung kurz nach Weihnachten bis zum Erledigen der letzten Vorbereitungen (exklusive: Leerräumen der untervermieteten Wohnung) gedauert. Es war sicher ein bisschen Glück dabei, weil ich auf Anhieb fand, was ich wollte (Volunteer Workstelle, Wohnung, Reiseroute auch, die war irgendwie von Beginn an klar). Und ich hatte wenigstens den halben Tag Zeit, mich intensiv um alles zu kümmern. Und ausreichende Geldmittel. Ein Luxus. Mein eigenes, nicht ganz kleines Talent zum Organisieren, Planen und Entscheiden mag mir da auch geholfen haben.

Nach etlichen Wochen relativer Ruhe und mit viel Natur um mich herum muss ich mich erst wieder an eine Großstadt gewöhnen. Berlin ist ja schon für viele ein Härtetest, aber irgendwie sind die meisten Großstädte dieser Welt in ihren Strukturen ähnlich und so habe ich wenig Bedenken, mich hier durchzuschlagen. Nur die Sprache, ja, die muss ich noch bedeutend besser lernen. Ich schlief wieder ein, träumte wilde Dinge, an die ich mich nicht erinnern kann, aber die mit Sicherheit auch die mannigfaltigen Autoalarmanlagentöne einbanden. Ob es tatsächlich Anlass für deren Einsatz gab?

Gegen halb elf stand ich dann endgültig auf und versuchte, mich mit der Dusche anzufreunden. Die Wohnung ist hübsch, aber alt und der Wasserdruck ist nicht eben der Allerbeste. Aber ich werde das noch lernen: mit der einen Hand den Duschkopf auf die schampoonierten Haare halten und mit der anderen die Temperatur auf genau diesen einen schmalen Grat zwischen kochendheiß und eiskalt regeln.

Ich frühstückte das gestern erstandene Müesli mit Banane und Joghurt und winselte ein bisschen vor mich hin, weil ich den Kaffee vergessen hatte. Ein Tagesbeginn ohne Kaffee, nun ja, stellen Sie sich die Apokalypse vor, nur schlimmer. Dann telefonierte ich mit der Agentur, die hier in Chile vieles für mich erledigt hatte und fragte nach einem Autovermieter. Man gab mir einen guten Rat und telefonierte für mich, sodass ich Morgen Vormittag meinen Kleinwagen abholen kann. Endlich wieder Rechtsverkehr! Dann kann ich auch den Großeinkauf im „Jumbo Bilbao“ erledigen, denn in der Wohnung fehlen kleine Dinge, die ich bereits vermisse und für unerlässlich halte (Klobürste, Verlängerungsschnur,…).

Danach ging ich gegen halb drei einen Kaffee trinken im Benevento Jazz-Café, nur einen kleinen Fußweg von meiner Wohnung entfernt. Endlich Kaffee! Und dann noch einen so guten!

Da mir nach den langen Wochen „aushäusigen“ Essens doch sehr nach einer Eigenproduktion gelüstete, ich dringend Geld abheben musste und mir ohnehin noch die „Tarjeta Bip“, also die hiesige aufladbare Karte für U-Bahn und Bus fehlte, machte ich mich auf den Weg die Avenida Providencia entlang. Gerade rechtzeitig, um die After Work-Treffen in den Cervezerias und kleinen Cafés zu erleben. Man trinkt einen Kaffee oder ein Bier, isst ein Dulce dazu und verabredet sich möglicherweise noch für später. Da ich mich noch nicht gewappnet fühlte für den Eintritt ins Santiagoer Nachtleben, tätigte ich nur noch meine Einkäufe und ging – ja! – heim. Hier machte ich mir einen großen Salat mit meiner Hausvinaigrette (geht auch mit dem hiesigen Essig und aus Frankreich importiertem Senf) und Nudeln mit Gorgonzolasauce. Den Rest des Abends verbrachte ich auf dem Sofa, übte ein wenig meine Vokabeln und freute mich darüber, dass ich durchaus schon in der Lage bin, einfachen Handlungsabläufen der hiesigen Soap-Operas im Fernsehen zu folgen. Übrigens: TVN Chile setzt dem Bachelor/der Bachelorette übrigens ein charmantes Format namens „Match“ entgegen, in dem Kinder für ihre alleinerziehenden Eltern den passenden Partner/die passende Partnerin suchen. Nix mit Traummenschen, da präsentieren sich schon interessante Charaktere – natürlich alle gut gecastet, aber überaus amüsant zu sehen, wie sich Tochter und Sohn über die Kandidaten für ihre Mutter beömmeln.

Gegen elf ging ich schlafen, mit dem festen Vorsatz, dem Autoalarmanlagenbesitzer, den ich beim Heimkommen vor dem Haus erwischte – es war gar keine Alarmanlage, sondern einfach nur seine ganz individuelle automatische Türschließung anstatt des üblichen kurzen Biep, Bieps -, bei ausreichend vorhandenem Sprachschatz zur Schnecke zu machen. Oder vielleicht doch nicht und ich gewöhne mich einfach wieder an den Krach der Großstadt. Wir werden sehen. Es gibt ja noch einen zweiten 5. des Monats in dieser Stadt.

[Was schön war] #kw12/17.

Was war eigentlich in der vergangenen Woche schön? Vor allem wohl die nach wie vor große Freude an dieser Reise. Denn wieder habe ich andere Landschaften gesehen, neue Menschen kennengelernt, den inneren Akku aufgeladen und neue Bilder auf der Festplatte in meinem Kopf gespeichert.

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Delfine! Auf der Überfahrt von der Nord- zur Südinsel habe ich endlich meine ersten Delfine in freier Natur gesehen! Nach Jahrzehnten, in denen ich immer wieder Ausschau von allen möglichen Booten gehalten habe.

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Weine verkostet, Interviews geführt, terminiert. Es fühlt sich nicht nach Arbeit an, wenn es Spaß macht. Bezahlt werde ich auch nicht dafür. Aber es ist schön, die Jagd nach Geschichten wieder aufgenommen zu haben. Meinen Freizeitjournalismus behalte ich mir ganz im Herzen.

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Beflirtet worden. Widerstanden. Auch, wenn er mit frischgefangenem Fisch lockte, den er zuvor selbst getötet hatte. Ich stehe einfach nicht auf diese Surferjungs. Selbst, wenn die schon Mitte Vierzig sind und ihrer 14-jährigen Tochter den Papaabend schön machen müssen.

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Jobangebot erhalten. Widerstanden.

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Konzertkarten für Evanescence und Bryan Adams in Santiago de Chile erstanden. Den Klassikkalender des Sinfonieorchesters gescannt. Für Musik brauche ich keine Sprache.

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Beschenkt worden. „Es ist alles nur leicht, das kannst du gut mitnehmen“, schreibt die Freundin, als ich in ihr Haus komme, das sie mir in ihrer Abwesenheit zur Verfügung gestellt hat. Ich habe einen wunderbaren Schal mit Motiven von Silberfarn und meinem Lieblingsvogel Tui bekommen, einen Schlüsselanhänger für die Wohnung in Chile und hübsche Kiwi-Untersetzer. Lustigerweise habe ich letztere vor einer Woche ebenfalls gekauft und sie in zwei Päckchen getan, die nach Deutschland gingen.

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An einem wunderschönen, sehr pilcheresken Ort übernachtet, bei einer liebenswerten Landlady.

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Einen ganzen Tag Kilometer gefressen. Anstrengend, aber ich fuhr durch zwei Orte, die ich schon von meiner Reise kannte und die mir sehr gefallen haben. Das Gefühl, sich aufgehoben und sicher zu fühlen in einem Land.