Wir@Mauerfall.

Der Mann.
Am Abend sind die Kumpels und ich in die Wohnheimdisco in der Coppistraße gegangen, wie eigentlich immer. Feiern und was trinken, wie immer. Irgendwann kam der R. an: „Die Mauer ist übrigens auf, Jungs!“ Nee, ist klar. „R., du bist doch besoffen!“ Wir lachten, feierten noch ein bisschen und gingen dann schlafen, um für die Seminare am nächsten Tag fit zu sein.

Spannend wurde es erst am nächsten Tag. Die Nachrichten klangen irgendwie unglaubwürdig. Das kann doch nicht sein. Mauer offen, Grenzverkehr. Mit dem S. auf dem Weg zur Uni, in meinem von einem Verwandten geerbten, knallroten Trabi mit mattschwarzem Dach, auf den ich so stolz war. Kurze, schnelle Entscheidung, doch noch einem Umweg zum Checkpoint Charlie zu machen. Mal gucken, was da wirklich los ist. Wir sahen eine ziemlich lange Autoschlange. Als gelernter Ossi stellt man sich an Schlangen natürlich an. Außerdem wollten wir nur mal gucken. Zurück zur Uni können wir immer noch schnell, ist alles keine Entfernung in Ostberlin.

Die Zolltante: „Wollen Sie denn wieder zurückkommen aus Westberlin?“ Blöde Frage. „Ja, wollen wir!“ Und zack, waren wir im Westen.

Mit einem schnell geschenkten Stadtplan und dem Telefonbuch habe ich dann meinen Onkel ausfindig gemacht, der um diese Uhrzeit in seiner Kanzlei sein musste. Der fiel aus allen Wolken: „Bist du denn total verrückt, du kannst doch deine Eltern nicht im Stich lassen!“ Er hatte noch keine Nachrichten gehört und war völlig von der Rolle. Er, der ehemalige Fluchthelfer, der meine Tante mit einem Diplomatenwagen in den Westen geschmuggelt hatte, war fassungslos. Wir verabredeten uns für den Abend bei seinem Lieblingsitaliener und gingen noch mal auf den Kudamm. Dort trafen wir unseren Pharmakologie-Professor, bei dem wir jetzt eigentlich im Seminar sitzen sollten.

Wir haben dann noch Fotos gemacht, unter dem Straßenschild und gelacht: „Wir auf dem Kurfürstendamm.“ Und als Autoverrückte Studenten haben wir uns bei BMW die Modelle angeschaut und Probe gesessen.

Wir waren wie Touristen.

Die Frau.
17 Uhr. Donnerstag, mein Schwimmtag. Meine Mutter bringt D. und mich in den Nachbarort, wo im Schwimmbad Warmbadetag ist. Wir schwimmen unsere Stunde, quatschen noch ein bisschen am Beckenrand bis uns kalt wird. D. wird nach dem Abi erst einmal eine Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin machen, weil die Noten nicht für den Direkteinstieg ins Studium reichen werden. Das weiß sie schon. Ich weiß noch gar nichts. Meine Noten sind okay, aber ich habe keine Ahnung, was ich will. Nach dem Abi weiß ich es vielleicht, aber bis dahin ist noch ein halbes, dreiviertel Jahr. Und ich muss mich heute noch mal hinsetzen, um für die Halbjahresklausur in Bio, meinem ersten Leistungskurs zu lernen. Geschichte und Französisch, da geht auch noch ein bisschen was, obwohl ich nicht das Gefühl habe, dass unsere Lehrer sehr viel erwarten. In Kunst, meinem zweiten Leistungskurs*, ist ohnehin alles offen, da fragt keiner nach Orientierung und wirklichen Ergebnissen. Zeichnen kann ich, Kunstgeschichte und Interpretation, naja, geht irgendwie alles.

19.30 Uhr. Ich setze mich nach dem Abendessen an den Schreibtisch. Im Hintergrund laufen Nachrichten im alten Schwarzweiß-Fernseher, von Oma geerbt. Zwischen Texten zu Genetik und Nuklein-Basen horche ich auf. „Grenzöffnung“, höre ich. Ich setze mich vor den Fernseher. Wahnsinn, denke ich. Was ist das denn? Meine Eltern kommen rein. „Hast du auch…?“ „Ja. Komisch, gell?“ „Wir gehen jetzt trotzdem zum Tanzabend, bis später, ja?“ „Ja, bis dann.“

22.30 Uhr. Mein Freund ruft an. Eigentlich darf er das nicht. Er sitzt in seiner Kaserne im nordhessischen Schwarzenborn, ist zum Wehrdienst bei den Panzegrenadieren gelandet, bekommt aber häufig die Funk- und Fernmeldedienste, mit Telefonzugang. „Die Mauer ist offen“, sage ich, „Hast du das schon mitbekommen?“ Nein, sagt er, wir haben hier heute noch keine Nachrichten gesehen, da war eine Manöverübung, aber bist du sicher? „Ja“, sage ich, „Sie zeigen das im Fernsehen, da stehen Menschen auf der Mauer am Brandenburger Tor. Wahnsinn.“

23 Uhr. Ich gehe schlafen, nachdem meine Eltern gute Nacht gesagt haben. Ich denke ans Abi. Danach weiß ich vielleicht, was ich will.

*Ja, liebe Kinder, damals im Hessen der 80er Jahre war das noch möglich – Kunst Leistungskurs, unglaublich, nicht?

Erstaunen.

Wer hätte das gedacht.

Dass die Mauer fallen könnte. Dass sich auf einmal das Tor weit öffnet, von Ost nach West, von West nach Ost. Dass sich Menschen treffen, Familien finden. Dass Schicksale nicht mehr parteigemacht sein müssen, sondern auch von Marktregeln abhängen. Dass Auto nicht gleich Auto ist, sondern Menschen in Klassen einteilt. Dass Jammern und Besserwissen zwei Seiten ein und derselben Medaille, dass Medaillen nur ein Haufen Blech sein können. Dass Papierschnipsel manchmal Beweis und Fluch zugleich sein können. Dass blühende Landschaften nicht vom Himmel fallen sondern vieler Hände Arbeit sind. Dass Seilschaften stark und dauerhaft sind und Toleranz sehr gering sein kann.

Dass Freundschaft unabhängig von Sozialisation ist.

Dass Reisen bis ans Ende der Welt geht.

Dass das Glück einer großen Liebe geschenkt wurde.

Wer hätte das gedacht.

Glätteisen.

Das erste Mal habe ich an Botox gedacht, nachdem mir ein Surfbrett auf den Kopf gefallen war. (In einer Dachwohnung eines Talkshow-Moderators. Ganz ohne Wasser. Mit Gehirnerschütterung. Fragen Sie nicht.)

Denn unangenehme (eine Woche lang eine fette Beule auf der Stirn) und angenehme (die beiden dicken Stirnfalten waren erst unsichtbar und dann längere Zeit gemildert) Folgen hielten sich in meiner Wahrnehmung die Waage. Das Surfbrett-Erlebnis spielte sich in meinen frühen Dreißigern ab und seitdem hat die Zeit, haben die Lebenserfahrungen in meinem Gesicht und an meinem Körper durchaus ihre Spuren hinterlassen.

Mit meinen Fältchen und Falten, mit den kleinen und großen Polstern kann ich ziemlich gut leben, daran leide ich jedenfalls nicht. Aber diese beiden horizontalen Stirnfalten, die wurden mit der Zeit immer ein bisschen tiefer. Denkerstirn trifft es nicht ganz, eher afrikanischer Grabenbruch, und das gefiel mir nicht mehr. Darum habe ich mich im befreundeten Ärztekreis kundig gemacht und ließ mich nach eingehender Beratung durch die Medizinerin und Prüfung meines Kontostandes botoxen.

Vier kleine Minimaldosen wurden in den oberen Bereich meiner Stirn gespritzt. „Dann haben Sie auch weiterhin Mimik und Ihre Augenbrauen fangen nicht an zu hängen“, erklärte die Ärztin, denn ich wollte nur eine kleine Faltenminderung und nicht aussehen wie Renée Zellweger. Es piekste ein winziges bisschen, war aber sehr erträglich. „Wundern Sie sich nicht, der erste Effekt zeigt sich in drei Tagen“, gab mir die Ärztin zusätzlich zum Kühlkissen mit auf den Weg. „Und rechnen Sie mit Kopfschmerzen!“

Also wartete ich. Die Kopfschmerzen kamen verlässlich, gingen aber am Tag 2 vorbei. Tag 3 kam und nichts passierte. Meine Runzelstirn war weiterhin beweglich wie die von Stan Laurel, die Falten deutlich und präsent. Ein wunderschöner Herbstnachmittag, wir fuhren über Land, und die Sonne schien in einem letzten Aufbäumen warm vom Himmel. Hinterher hatte ich einen leichten Sonnenbrand, so fühlte es sich jedenfalls an. Bewegen ließ sich der Musculus frontalis immer noch. Ich ging zu Bett. Um am Tag 4 mit einer Betonstirn zu erwachen. Das Augenbrauenheben ging, war aber deutlich mühsamer als sonst. Ein unsichtbares Band lag um meine Stirne.

Am Tag 5 war irgendwas mit meinem Lachen passiert. Ich lachte, aber mit angezogener Handbremse, so jedenfalls mein Empfinden. Nun habe ich derzeit nicht so viel zu lachen, aber irgendwas ist ja immer und dann lache ich sehr breit und laut und mit allen Muskeln. Es schien aber niemandem aufzufallen, was mir deutlich mehr Sorgen machen sollte. An Tag 6 sprach mich dann doch Kollegin I an, die ihre – wenig erfolgreiche – Botox-Erfahrung bereits gemacht hatte. Ich sähe entspannter aus, ob sich denn daheim wieder alles ein wenig zum Besseren wenden würde?

Nun haben wir Tag 7 und ich beginne, mich an meine fast glatte Stirn zu gewöhnen. Das Lachen geht wieder, wie mit dem Glätteisen gezogen sehe ich zum Glück nicht aus. Ich bin gespannt, wie das Experiment weitergeht und ob ich es dabei belasse.

Im Zweifelsfall: Kann mir einer von Ihnen ein Surfbrett leihen?

Eier.

Mich regen ja selten Äußerungen aus Politiker- oder Klerikermund wirklich auf. Ich bin sogar fast versucht, die Klimaerwärmung zu einem Gutteil auf heiße Luft aus ebenjenen Öffnungen zurückzuführen. Was derzeit aber führende Politiker an Verbalemissionen ausstoßen, bringt mein Blut in Wallung und meine Tippfinger zum Kribbeln. Schlechte Konjunkturnachrichten brachten politische Hinterbänkler wie Ramsauer, Hasselfeldt oder Grosse-Brömer dazu, die Abkehr von Koalitionsvereinbarungen wie Rente mit 63, Mindestlohn und die Frauenquote zu fordern. Insbesondere die Frauenquote in Führungsgremien sei „eine Belastung für die Wirtschaft“, diese Aussage ist bei mir hängengeblieben.

Ich bin keine Quotenfreundin, ich mag Erbsenzählen nicht und ich glaube an Vorsprung durch Qualität. Mir sind in meinem Berufsleben viele erfolgreiche Frauen begegnet, die ohne Quote, aber dafür mit einem eisernen Willen den Weg in Führungsetagen geschafft haben. Einige haben Kinder, andere nicht. Was sie aber alle hatten: eine gute Ausbildung, einen scharfen Intellekt und den unbedingten Willen zu gestalten und zu verändern. Dafür haben sie teilweise sehr hart arbeiten müssen, Überstunden geleistet, auf Reisen und Freizeit verzichtet. Und sie haben sich etwas antrainiert, das vielleicht für manche als typisch männliche Eigenschaft gilt: Sie waren laut, durchhaltestark und haben sich und ihre Erfolge nicht unter den Scheffel gestellt. Nicht unbedingt sympathisch, aber eben effektiv.

Wenn also ein politisches CSU-Leichtgewicht behauptet, Quoten-Frauen in Führungsgremien seien eine Belastung, dann müssen wir alle mal herzlich lachen. Worüber ich nicht lachen kann, ist, dass diese Frauen immer noch die Ausnahme bilden. Wenn es ans Eingemachte, sprich: die großen Konzerne geht, dann sieht es in Vorständen und Geschäftsführung mau aus mit der holden Weiblichkeit. Das liegt nicht nur daran, dass da verbohrte Herren in Nadelstreifen wirken, die Frauen keine Führungskraft zutrauen würden (in Zeiten international studierter und beruflich erfahrener Leitungsebenen sowieso eine seltsame Ansicht). Auch Faktoren wie fehlende Ganztagesbetreuung für Kinder, Sauna-Seilschaften nach Büroschluss und ganz allgemein ein ungesundes Verständnis von Arbeit-Freizeit-Balance sind Hemmnisse auf dem Weg nach oben. Welche Frau ohne entsprechende strukturelle Unterstützung will da schon in die Führungsetage? Genau.

Ich bin eine Quotengegnerin, aber in letzter Zeit bin ich immer überzeugter, dass nur ein komplettes Umdenken zur Veränderung führt. Daher bin ich für die flächendeckende Einführung einer Quote in Wirtschaft, Parteien, Institutionen, Menschenhirnen – 50/50 für alle! Krankenbrüder (Brüller, ja, aber ich habe mir nicht die Mühe gemacht, die entsprechend korrekte Bezeichnung für männliche Krankenschwestern zu suchen) sollten genauso selbstverständlich sein wie männliche Hebammen, Bauarbeiterinnen und Ingenieurinnen wünsche ich mir auch gleichmäßiger verteilt. Sie sehen, eine kleine Utopie darf man sich erlauben.

Aber im Ernst: halbherzige Quoten helfen recht wenig, wenn die Grundvoraussetzungen für mehr Ausgeglichenheit fehlen. Sie sind ein erster Schritt, eine Hilfe zur Transformation, die nicht nur auf Aufsichtsräte großer Unternehmen beschränkt sein sollte. Für die Quote zu sein, heißt aber auch: aufstehen, unbequem sein, gegebenenfalls im eigenen Unternehmen für die Installation einer/eines Gleichstellungsbeauftragten einzutreten – und die von uns gewählten Politiker in die Pflicht zu nehmen! Warum nicht einfach mal einen Brief an „meinen“ Abgeordneten des Bundestages schreiben? Via Doodle sollte sich doch ein gemeinschaftliches Dokument entwickeln lassen, das Viele unterschreiben können. Aber was sage ich – anfangen müsste ich damit auch erst einmal bei mir selbst.

Ach, und übrigens, Herr Ramsauer und Frau Hasselfeldt: Frauen haben schon naturgemäß wesentlich mehr Eier in der Hose als Männer. Genügend, um sie einfrieren zu lassen, wenn wir das wünschen. Das nur als Hinweis, falls Ihnen der Mut fehlen sollte, einmal fortschrittlich zu denken.

Damit kommen wir zu einer weiteren Nachricht, die mich zwar nicht ärgerte, aber irritierte: Facebook und Apple finanzieren ihren (US-amerikanischen) Mitarbeiterinnen das sogenannte Social Freezing, also das Einfrieren von Eizellen in jüngeren Jahren. Mit dem Ziel, die Mutterschaft möglicherweise anzutreten, wenn die Frauen es möchten – also unbelastet vom Zwang, in jungen, karrierewichtigen Jahren die Wahl zwischen Joberfolg und Mutterdasein zu treffen. Meiner Meinung nach ist das ein falsches Signal an alle Frauen (Apple und Facebook wenden sich mit ihrem Angebot allerdings eher an die gut ausgebildeten, mit Sonderwissen ausgestatteten). Die Technik an sich finde ich völlig okay – warum auch nicht Eizellen „für alle Fälle“ einfrieren lassen, wenn es möglich und bezahlbar ist? „Für alle Fälle“ sollte aber nicht dazu führen, dass Frauen ihren Kinderwunsch noch mehr von Arbeitsmarktvoraussetzungen und/oder gar Arbeitgeberwünschen abhängig machen. Ich kann nur sagen: schade, Facebook und Apple, Ihr habt eine große Chance vertan. Ihr als zukunftsorientierte, leistungsbewusste Unternehmen hättet die Möglichkeit gehabt, durch aktive Unterstützung eurer Mitarbeiterinnen in puncto Kinderbetreuung, flexible Arbeitszeiten und Strukturänderungen anders mit dem Thema umzugehen und die Diskussion in eine andere Richtung zu lenken. Wenn Ihr gewollt hättet. Stattdessen stellt Ihr die Hingabe und Ausrichtung von Frauen an eure Unternehmen in den Vordergrund. Und setzt sie möglicherweise unter Druck. Schade.

Teresa Bücker hat noch eine andere Seite des Social Freezing beleuchtet: Können (in den USA) gesundheitliche Leistungen und finanzielle Unterstützung Arbeitgeber attraktiver machen einen Beitrag zu einer offeneren Kommunikation leisten?

Ich glaube, das ist (noch) ein US-amerikanisches Phänomen. Es wird vermutlich nur noch eine Frage der Zeit sein, bis auch deutsche Unternehmen viel, sehr viel mehr in ihre hochqualifizierten Mitarbeiterinnen investieren wollen. Man darf gespannt sein.

Strumpfig.

Des Nachts fliegen die Wildgänse und draußen wehen die ersten gelben und braunen Blätter über das Kopfsteinpflaster. Tagsüber gaukeln frühherbstlich warme 20 Grad einen letzten Sommertag vor. Lassen wir uns nicht einlullen, machen wir uns nichts vor – es ist wieder Strumpfhosenzeit!

Und so gerne ich Röcke und Kleider trage, sobald Strumpfhosen ins Spiel kommen, bin ich spätestens nach einer halben Stunde höchst angenervt. Denn egal, ob teure Markenware oder Billigstrümpfe im Doppelpack von Charles & Anthony, Hyper & Munter etc.: sie beginnen im Schritt zu rutschen.

Damenstrümpfe_weites FeldWas auf Twitter mit einem das thematisierenden Frusttweet begann, entspann innerhalb kürzester Zeit einen Thread zum Thema Strümpfe und Strumpfhosen. Die schönste Entdeckung, und dafür ist die Filterbubble da: ICH BIN NICHT ALLEIN MIT MEINEM PROBLEM!

Wofür mich meine Filterbubble übrigens noch liebe: Die Damen und Herren haben immer sehr gute, unklugscheißerische Tipps parat, die das Leben erleichtern und mitunter zur allgemeinen Erheiterung beitragen – ein nicht zu unterschätzendes Talent.

Ein paar Tipps zum richtigen Umgang mit Strumpf- und Feinstrumpfhosen habe ich daraus gesammelt und mit etwas Recherche angereichert. Über das Thema Kompressions- und Stützstrümpfe hat Signora e la moda Wissenswertes geschrieben. Schauen Sie mal dort rein, und das lohnt sich nicht nur, wenn es um dieses Thema geht!

Zum Thema „im Schritt rutschende Strumpfhose“ hatte Frau Mutti aka Dilemma Deluxe einen sehr probaten Vorschlag: Miederhöschen! Warum bin ich bloß nicht längst vorher darauf gekommen? Ich besitze noch eines von meiner Hochzeit, das ich seitdem nie wieder getragen habe. Ausprobiert und für gut befunden! Wahrscheinlich geht auch jedes stramm sitzende andere Höschen, aber damit kaschiere ich auch den kleinen Wohlstandsbauch, wenn nötig.

Ein anderer Tipp ist sicherlich auch sehr vernünftig: Im Strumpfgeschäft anhand der Beinlänge die richtigen Strumpfhosen heraussuchen lassen. Ich bin allerdings eher die Spontankäuferin und selten in derlei Fachgeschäften zu finden. Vielleicht lasse ich es demnächst auf einen Versuch ankommen.

Ein weiteres Thema ist die mangelnde Haltbarkeit – ich kriege auch teure und vermeintlich qualitativ bessere Strumpfhosen verlässlich schnell kaputt. Daher kaufe ich gern günstiger und habe bei Wichtig-wichtig-Terminen immer eine Ersatzstrumpfhose dabei. Hierzu fand ich folgenden Tipp:

Strumpfhosen vor dem ersten Tragen in der Packung ein paar Stunden ins Eisfach legen.

Nun wüsste ich ehrlich gesagt nicht, wo zwischen Tiefkühlgemüse, Eis und Fertigpizza ich noch Strumpfhosen unterbringen kann, aber ich teste das demnächst trotzdem einmal aus, da dieser Tipp im Internet von vielen NutzerInnen bestätigt wurde.

Möglicherweise liegt meine Abrissbirnenartige Zerstörwut feiner Beingewebe aber auch einfach nur an meinen Bauarbeiterhänden. Hierzu hat ein Qualitätsanbieter Rat:

Für ganz besonders feine und teure Exemplare gibt es Anziehhilfen – Wolford nennt sie Hosiery Gloves – in Form von Handschuhen. Ich meine: überflüssig und teuer (handelsübliche Baumwollhandschuhe täten es auch). Es sei denn, in den Handschuhen steckt ein gutaussehender Butler…

Meistens komme ich ja nicht in die Verlegenheit, denn s.o. unter Haltbarkeit, aber: Waschen sollte man Feinstrümpfe von Hand in handwarmem (sic!) Wasser. Hinterher ausdrücken, leicht in Form ziehen und liegend trocknen. Oder nass anziehen und trocken föhnen. Letzteres stelle ich mir überaus unangenehm vor (obwohl ich auch schon ab und an noch nicht komplett durchgetrocknete Jeans getragen habe).

Eine etwas skurrile, aber sparsame Idee las ich irgendwo in den Tiefen des Internets: Hat man zufällig zwei Strumpfhosen der gleichen Farbe und Art parat, die auf der jeweils anderen Seite eine Laufmasche haben, einfach das kaputte Bein abschneiden und die beiden Höschenteile übereinander ziehen. Schon hat man eine neue Strumpfhose! Mal abgesehen davon, dass ich sehr selten zwei Strumpfhosen der gleichen Farbe und Art habe, die GLEICHZEITIG eine Laufmasche am jeweils anderen Bein entwickeln – ich habe dann ZWEI rutschende Höschenteile an, die sicherlich in ihrer Überlagerung ein überaus fruchtbares Mikroklima im Schritt fördern.

Dieser Tipp hingegen hilft vielleicht weiter, wenn keine Pumps getragen werden: Füßlinge unter der Strumpfhose sollen vor Laufmaschen ab Zehen schützen. Hm. Ich trage Feinstrumpfhosen überwiegend dann, wenn ich mal so richtig „richichi“ aussehen muss oder will und dazu gehören Pumps und durchbrochene Schuhe, in denen man Füßlinge sehen würde. Und sind gute Strumpfhosen nicht per se an den Zehen und Fersen verstärkt?

Sie sehen, es ist ein weites Feld. Das man noch bis zum Horizont erweitern könnte, schriebe ich über Strümpfe, Strapse und Strumpfbänder. Ich mache es kurz: ich habe eine Abneigung gegen Rutschen. Und gerade diese Halterlosen stürzen mich in tiefste Verwirrung. Daher zum Abschluss die Dokumentation eines seltenen Ereignisses: Wortschnittchen in Strumpf und Spitze, sitzend und sehr lange her.

StarschnittchenII

Brüste.

Eins vorweg: ich finde Brüste toll. Jeder sollte Brüste haben. Ich bin überzeugt davon, dass die Welt eine andere wäre, hätten Männer Brüste.

Nicht nur, dass Anzüge etwas anders geschnitten wären. Nein, Anzugträger wären dann möglicherweise eher damit beschäftigt, ihre Brüste in Hemd und Nadelstreifen zu behalten, denn auf jene ihrer Kolleginnen zu starren. Es wäre eine Welt, in der es keinen Unterschied machen würde, ob oder ob nicht. Männer könnten ebenfalls Stillpausen einlegen und sich allgemein gleichberechtigter und ohne Ausreden um ihren Nachwuchs kümmern. Allerdings würde es vermutlich doch kompliziert, denn statt Schwanzvergleich (unter Männern) gäbe es dann den Brustvergleich (unter Männern und Frauen). Nun, auf einen Versuch könnte man es in der nächsten Evolutionsstufe ja ankommen lassen.

Aber wie sieht das Leben einer weiblichen Brust eigentlich aus Sicht der Betroffenen aus? Ich habe die meinen mal befragt und hier sind die Antworten:

Wann war euch eigentlich bewusst, dass Ihr etwas besonderes seid?
Das muss so um 1984 gewesen sein. Wir waren gerade auf dem Weg, erwachsen zu werden, wurden langsam groß und unsere Trägerin entdeckte in den Ferien an der französischen Atlantikküste, dass wir braungebrannt besser aussehen als weiß versteckt unter dem Bikinioberteil. Das hat dann dazu geführt, dass sich zwei kleine Franzosen beinahe um den besten Blick auf uns geprügelt haben.

Und später? Wie ging das weiter?
Naja, wir waren dann nicht mehr wegzudenken aus der Welt. Unsere Trägerin hat sich an uns gewöhnt. Und wir uns an sie. Sie ist ja schon ein bisschen anstrengend, hatte immer ziemliche Komplexe und war unsicher, wie sie mit sich und uns umgehen soll. Wir haben uns dann aber auf eine Art Waffenstillstand geeinigt. Wir stören sie nicht, sie verpackt uns gut. Das war uns wichtig, denn wir hatten Probleme mit Leichtathletikwettbewerben und Volleyballturnieren. Es reicht ja, wenn einer einen Durchhänger hat. (lachen) Entschuldigung, manchmal geht es mit uns durch!

Autos, Häuser, Brüste, Schwänze – es geht ja eigentlich immer um Größe. Wie kommt Ihr eigentlich mit Eurer zurecht?
Wir waren ja nie besonders groß, eher Kompaktklasse, also B-Körbchen. Gut ausgesehen haben wir schon, für natürliche Brüste. Alles im Durchschnitt, würden wir sagen. Heute ist das schwieriger. Da wird dann eine Brust danach beurteilt, „wie sie steht“. Das galt früher für Männerextremitäten, stellen Sie sich das vor!

Später, als unsere Trägerin Mitte 30 war, sind wir dann so richtig groß rausgekommen. Da gab es Hormonbehandlungen, Cortison, und da haben wir um eineinhalb Körbchengrößen zugelegt. Heute schwanken wir zwischen einem C- und D-Cup, je nach Zyklus und Gewicht. Wir haben uns unserer Trägerin angepasst und sind einfach ein bisschen schwerer geworden. Wir sind natürlich nicht mehr so straff wie früher, aber damit kommt unsere Trägerin klar.IMG_0582 - Kopie

Habt Ihr irgendwelche Tipps oder wollt Ihr noch etwas sagen?
Tastet regelmäßig uns regelmäßig auf Veränderungen ab. Vergesst Bürstenmassagen, das ziept und bringt dem Bindegewebe nicht viel. Tragt ordentliche BHs mit soliden Riemen und gebt ein bisschen mehr Geld dafür aus. Und gebt uns um Himmels Willen keine saublöden Kosenamen wie „Hans und Franz“ oder „Titties“!

Vielen Dank für das Interview.

In der letzten Antwort haben meine Brüste übrigens etwas angesprochen, was ich aktuell sehr spannend finde. Letzte Woche war ich bei meiner neuen Gynäkologin. Krebsvorsorge, Ultraschall, Zystenkontrolle. Und Abtasten der Brust. Meine bisherigen FrauenärztInnen haben das flott und unspektakulär durchgeführt, Dauer der Gesamtaktion: gefühlte zwei Minuten. Diese Ärztin stand vor mir, schloss die Augen und tastete millimetergenau ab. Teilweise mehrfach, im Vergleich zur anderen Brust. Jede Brust bekam ihre fünf Minuten Ruhm. Dann schrieb sie mir eine Überweisung für die Radiologie. Mammographie, zur Sicherheit.

Das bringt mich auf etwas, weshalb es vielleicht doch nicht so günstig wäre, hätten Männer Brüste. Stellen Sie sich vor, ein Mann müsste „zur Sicherheit“ zur Mammographie. Geht nicht. Geht gar nicht. Er würde sterben vor Angst. Der Fortbestand der Menschheit wäre in Gefahr.

Pilze.

Und auf einmal, beim Überlandfahren, ist er da, der Herbst. Nebelschlieren über noch grünen Wiesen, eine Kette Wildgänse, die Richtung Süden fliegt. Am Straßenrand viele Hauptstädterkennzeichen. „Wir fahren heute in die Pilze.“ In die Pilze fahren. Der innere Hippie freut sich einen Ast. Aber. Wer „wir fahren heute in die Pilze“ sagt, fährt bestimmt Volvo und hat nur deshalb keinen Golden Retriever oder Labrador, weil es die 4-Zimmer-Altbauwohnung in der Stadt und die etwas problematische Putzfrau nicht hergeben. Außerdem: Vor dem zweiten Kaffee mit dem Hund rausgehen? Nein.

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Tief durchatmen. 15 Grad reichen. Der Sommer kann uns mal. Jetzt ist Gummistiefelzeit.

Partner.

Eigentlich wollte ich nie heiraten. Schlechtes häusliches Vorbild, Sie wissen schon. Aber dann traf ich den Mann und wollte eigentlich immer noch nicht heiraten. Bis er gefragt hat, dann habe ich mir das noch mal ganz schnell überlegt und die richtige Entscheidung getroffen. In guten, wie in schlechten Tagen, ganz profan und ohne großes Brimborium, so haben wir das gehalten und so halten wir das weiterhin.

Nun überwiegen seit einiger Zeit die schlechten Tage (ich berichtete). Und das, was für mich das Fundament einer jeden Beziehung und nicht nur Ehe bildet, schwankt. Wird unsicherer Grund, weil da etwas ist, das den einen in eine andere Haltung zwingt. Nicht nur sinnbildlich, denn der Mann sitzt im Rollstuhl und kann sich derzeit nur über kürzere Distanz mit Krücken vorwärts bewegen. Das ist in der dritten Etage ohne Aufzug eher so mittelpraktisch. Außerdem hindert es den Mann daran, selbstständig Auto zu fahren, vom Motorrad ganz zu schweigen. Alle Räder stehen still, weil der Krebs es will. Sie sehen, der Galgenhumor gewinnt dann und wann die Oberhand.

Etwas zwingt uns dazu, unsere Partnerschaft auf Augenhöhe, wie das so schön im Wirtschaftsdeutsch heißt, für das erste aufzugeben. Nicht nur, weil der Mann vorerst eine Etage tiefer vor mir auf der Straße rollt, wenn ich ihn nicht sogar schiebe. Nein, es geht auch um die Rollenverteilung. Er ist jetzt mein Schutzobjekt. Ich würde mich zwar sonst auch ohne zu Zögern vor ihn werfen, wenn es sein muss (muss aber nicht). Aber seitdem er gehandicapt ist – ob mit Krücken oder Rollstuhl – entwickele ich ein (möglicherweise übertriebenes) Beschützerbedürfnis.

Mich ärgert, wenn ein Hotel, das als barrierefrei gilt, seinen Rollstuhlaufzug nicht reparieren lässt, so dass ich den Mann in der Hofdurchfahrt „zwischenparken“ muss, um der Schwiegermutter behilflich zu sein. Das hat mich dazu gebracht, den ersten Beschwerdebrief meines Lebens zu schreiben. Und ich war noch sehr freundlich.

Mich macht wahnsinnig, dass auf einem Bahnhofknotenpunkt Berlins der Aufzug zum richtigen Gleis erst nach ewigem Suchen zu finden ist. Überhaupt: Barrierefreiheit. Mal ist sie perfekt, mal helfen andere Menschen, kleine Schwächen zu überwinden. Manchmal gibt es sie schlicht nicht. (Kleiner Exkurs: Man muss die Deutsche Bahn auch mal für ihren Mobilitätsservice für Reisende mit Handicap loben. Am Vortag abends die Hotline angerufen und am Folgetag vormittags eine Umsteigehilfe bekommen.)

Und mich bringen Menschen zur Weißglut, die Blicke werfen. Blicke, die der Mann möglicherweise nicht bemerkt, aber die mich in meiner Empfindlichkeit treffen. Ekel, Verachtung, Genervtheit – ich kann eine Menge in anderer Menschen Gesichter hineininterpretieren oder in ihnen lesen.

Ich muss mich zügeln, ihn nicht in ein Kind zu verwandeln. Ihm alles abzunehmen, ihn zu verteidigen gegen Angriffe, die es vermutlich oft gar nicht gibt. Ich möchte keine „Helicopter-Frau“ sein, eine, deren Mann Mittelpunkt ihres Daseins ist, krank oder nicht. Eine Balance finden, zwischen krank, gesund, gehend, rollend, schützend und loslassend, das ist jetzt die Aufgabe. So als Partner sollte das eigentlich gehen.

Oder?

P.S. An dieser Stelle sei das großartige Projekt http://wheelmap.org/ genannt.

 

Atlantik (Ost).

Am Meer kann ich gut sein. Gut schlafen, während die Brandung rauscht, im Hintergrund Kinderstimmen klingen, Möwengeschrei. Die Sonne wärmt, brennt mir die kleinen – guten – braunen Schatten ins Gesicht und die schlechten unter den Augen weg. Im Wasser durch die nächste Welle tauchen, kalt, kalt, kalt ist es! Aber ein bisschen was geht immer, wir gehen bis auf 15 Grad Celsius runter, keine Zuckerpüppchen. Kleine Kiessteinchen reiben unter den Sohlen, der Sand knirscht zwischen den Zähnen. Süßes Salzwasser auf den Lippen. Ich küsse den, der mir am besten gefiel, damals auf dem Campingplatz.

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15, 16 Jahre alt waren wir, er mit einem jungen, glatten Gesicht, einem Tennisspielerkörper und einer noch zarten Seele. Ich, unsicher, die Haare wieder wachsen lassen oder doch kinnlang, sitzt der Bikini? Am Tag spielen in der Brandung, spätabends Hand in Hand unter der Milchstraße. Siehst du, die Brecher leuchten im Mondschein, sagst du und es ist eine Ferienliebe, wie sie sein soll. Später schickst du mir Briefe mit Fotos, die dich in Schuluniform zeigen, da siehst du jünger aus als ich. Ich antworte mit Bildern in einem verboten kurzen Jeansrock. Was musste ich meine Mutter überzeugen, dass sie auf den Auslöser drückte! Deine Briefe sprechen von Liebe, ich sende verhaltenere Grüße zurück.

Längst ist der Sommer vorbei, der erste, der richtige Freund ist in mein Leben getreten. Irgendwann schreibst auch du nicht mehr, sie heißt Sandrine und sieht mir ähnlich. Im Jahr darauf, wir sehen uns zufällig wieder am Boule-Spielplatz, zögern wir kurz. Wir sind nicht mehr unschuldig. Aber der Atlantik ist derselbe, das Mondlicht, der Strand locken und wir wissen beide, dass wir uns im nächsten Jahr nicht mehr sehen werden.

Sand rieselt über mein Gesicht, ich wache langsam auf und bin fast 30 Jahre älter. Die Ostsee ist nicht der Atlantik. Aber ich habe gut geschlafen.