„Frau!“

Die erste Unterrichtsstunde. Auf dem Plan steht Kommunikation im Beruf, schließlich müssen die angehenden Groß- und Außenhandels-, Schifffahrts- und Logistikkaufleute wissen, wie sie zukünftig einem (deutschen) Kollegen stilvoll erklären, dass er Bullshit erzählt.

Der Direktor stellt mich vor, ich gebe einen kurzen Überblick darüber, was ich bisher so gemacht habe und einzig bei der Information, ich käme aus Berlin, blitzt kurz ein wenig Interesse in den müden Gesichtern auf. Morgens um 8 in Santiago de Chile.

Mein Gesicht wird nicht eben wacher aussehen als das meiner SchülerInnen. Ich stehe um 6 Uhr auf, um den Bus um 7 erwischen zu können. Wenn er denn kommt. Die Linie 411 fährt nämlich eine Teilstrecke auf der Stadtautobahn und das kann durchaus Stau bedeuten. Wenn ich in der Buschecker-App der städtischen Verkehrsbetriebe Transantiago sehe, dass die Nummer 411 farblich blass unterlegt ist, heißt das: umdenken und mich flugs in eine der beiden Linien werfen, die wenigstens in Richtung der Berufsschule fahren. Weiter heißt das aber auch, dass ich ein tüchtiges Stück Weg mehr zu laufen habe und mich wahrscheinlich verspäten werde. Ich hoffe auf einen für mich attraktiveren Stundenplan im nächsten Semester.

Der Unterricht läuft nach Plan, wir gehen die Aufgaben durch, es gibt eine Wortschatzklärung und -Wiederholung. Ein bisschen Grammatik streue ich ein, weil trotz oder wegen sechs Jahren Deutschunterricht in der Schule das Sprachniveau erschreckend niedrig ist. Mit dem Direktor habe ich besprochen, dass wir bei den Aufgaben bleiben, ich aber versuchen soll, die SchülerInnen ein bisschen zu motivieren, sich aktiver mit der Sprache auseinander zu setzen. 90 Minuten gehen erstaunlich schnell herum, wenn man Lehrer ist und die SchülerInnen viel selbst machen müssen, aber immer wieder Fragen haben. Fragen, die mit einem für mich sehr ungewohnten und lauten „Frau!“ beginnen.

Der Lehrer/die Lehrerin wird nicht wie in Deutschland mit Frau Sowieso/Herr Sowieso angesprochen, sondern klassisch mit einem respektvollen Senora/Senor. Das ist erst einmal irritierend, weil es mir so allgemein und geradezu unhöflich vorkommt. Ist es zwar nicht, aber ich werde es den SchülerInnen erklären, dass sie zukünftig mit dem Nachnamen ansprechen müssen. Schließlich können sie auch keine E-Mail mit der – bereits gelesenen – Phrase „Sehr geehrte Frau“ (ohne Nachnamen) beginnen.

Ich stehe in vielerlei Hinsicht noch ganz am Anfang. Schließlich bin ich keine studierte Pädagogin, sondern nur DaF-Lehrerin nach einer Crash-Ausbildung. Aber ich bin eigentlich ganz zuversichtlich und einen Sympathiepunkt habe ich bei den SchülerInnen zumindest: sie müssen mir ihre Sprache beibringen. Das weckt ein bisschen mehr Verständnis auf beiden Seiten. Nicht wahr, „Frau“?

WMDEDGT 05/18.

Was macht der gemeine Internetmensch eigentlich so den lieben langen Tag? Diese Frage stellt Frau Brüllen einmal pro Monat, und zwar immer am 5. Fleißige BloggerInnen wie ich (haha) antworten dann brav. Seit diesem Mai mit Zeitverschiebung nun auch aus Chile.

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Der erste Samstag in Santiago begann um 7 Uhr früh, als eine WhatsApp-Nachricht meiner Untermieterin in Berlin eintrudelt. Für heute war der Techniker des Telco-Unternehmens angesagt, um nachzuforschen, warum es seit einer Woche kein Internet mehr gibt. Simple Erklärung: das zum neuen Router mitgelieferte Kabel hat einen Knacks. Und dafür musste sie ein Regal abbauen, von der Wand abrücken und alles wieder zurück. Ich wünschte, ich hätte das noch vor meiner Abreise regeln können, aber so ist das eben: Techniker ist informiert. (Kommt dann aber eben erst eine Woche später.)

Mein Hals kratzte ganz erheblich und ich befürchtete, dass dies die bereits dritte Erkältung dieses Jahres bedeuten würde. Aber ich schlief noch einmal ein, bis mich um kurz nach neun endgültig das quäkende Kind der Nachbarn aufweckte. Santiago ist nicht eben eine leise Stadt, aber bis auf meine direkten Nachbarn hört man hier im 7. Stock im Stadtteil Providencia alles ein bisschen gedämpfter. Ich las noch ein bisschen das Internet leer und chattete ein wenig mit dem (gewesenen) Verehrer, gammelte vor mich hin und war gegen 11 Uhr endlich frühstücksfertig. Zur Feier des Tages verbrannte ich den Toast – hier muss ich mangels Toaster in der Pfanne braten -, aber ein Pfund Nutella verdeckt auch die schwärzeste Oberfläche…

Danach setzte ich mich an den Schreibtisch. Es war noch ein Artikel zu kürzen, sich in die Materie für den Arbeitsbeginn am kommenden Montag einzulesen und allgemein Dinge zu recherchieren.

Gegen viertel vor drei machte ich mir Möhren mit Ziegenkäse überbacken – sehr lecker! Zum Nachtisch gab es eine von der Freundin geschenkte Pipeno dulce, besser bekannt unter dem Namen Melonenbirne. Ich hatte diese Frucht noch nie vorher gegessen und war überrascht, wie fein das Fruchtfleisch schmeckt: ein Hauch Vanille, Birne, Melone (aha, daher der Name) und ein bisschen Papaya. Kaufe ich mir sofort wieder, wenn ich irgendwo auf dem Markt eine entdecken kann.

Nach dem Essen kratzte mein Hals stärker, ich fing an zu husten und zu niesen. Sehr unangenehm, denn obwohl ich mich wirklich bemüht hatte, meine Füße warm zu bekommen, waren sie wie Eisklötze. Auch ein Aufenthalt auf dem Balkon in milder Nachmittagssonne konnte nicht wirklich helfen. Ich legte mich aufs Sofa, wo ich kurz einschlief. Einige wirre Träume später wachte ich auf und überlegte, ob ich mich noch an das Kürzen der letzten 122 Zeichen machen und mich vielleicht doch noch um ein Abendprogramm bemühen sollte. Aber mir steckte die vergangene, sehr anstrengende Woche in den Knochen und ich entschied mich, in Klausur zu bleiben. Am morgigen Tag hatte ich immerhin noch einiges vor.

Ich sah ein wenig in den Mediatheken nach netten Beiträgen und machte mir gegen sieben ein Brot (diesmal nicht angebrannt) und zwei Spiegeleier. Die Küche meiner Wohnung ist zwar gut ausgestattet, so dass ich mir auch etwas Ausgefalleneres hätte kochen können. Bislang ist mir hier in der Nähe – eine reine Wohn- und Geschäftsgegend mit einigen Botschaften – kein kleiner Lebensmittelladen aufgefallen, in dem ich gern Obst und Gemüse kaufen würde. Es gibt einen klassischen „Lider-Express“ bei der U-Bahn (1 km entfernt) ums Eck, aber der führt ein Sortiment an Frischwaren, das eher der Kategorie „geschmacklos, könnte auch aus Holland stammen“ zuzuordnen ist.

Um acht schickte mir eine Bekannte eine Nachricht, sie sei  jetzt wieder aus dem Urlaub zurück und würde sich sehr freuen, mich in den nächsten Tagen zu sehen. Ich bin sehr froh, über diverse Online-Netzwerke für Expats neue Kontakte zu finden und bereits gefunden zu haben. Ohne Internet hätte ich das Abenteuer niemals angehen können (wie auch alle anderen…). So werde ich mich am morgigen Sonntag mit der Gruppe „Lecker Essen“ (Arbeitstitel) in einem peruanischen Restaurant zum Mittagessen treffen. Zwei Leute kenne ich schon von meiner Zeit hier Anfang des Jahres und ich bin gespannt auf neue Bekanntschaften.

Ich sah noch einen Film auf dem Laptop und ging gegen Mitternacht sehr müde und sehr erkältet (und nur ein klitzekleines Bisschen frustriert) ins Bett.

 

WMDEDGT 04/18.

Frau Brüllen fragt an jedem 5. eines Monats: „Was machst du eigentlich den ganzen Tag?“ Und das Internet antwortet, ganz in bester Tagebuch-Manier.

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Der Wecker klingelte um halb acht. Ich hörte noch ein wenig Radio, bevor ich mich um kurz vor acht duschte und in tagesübliche Form brachte. Danach trank ich meine erste Tasse Kaffee aus der neuen Packung. Ich hatte mir vor einiger Zeit drei kleine Päckchen aus verschiedenen Kaffeeanbauländern gekauft und dieses war die letzte davon. Der kenianische Kaffee ist erstaunlich mild und nicht so bitter wie die äthiopische Variante. Kaffee aus Kolumbien ist eher mittelspannend. Jedenfalls machte mich der Kaffee sehr, sehr wach. So wach, dass ich mich schnell an den Schreibtisch setzte, um die in den vergangenen Tagen zusammengetackerten 10.000 Zeichen plus Erklärkästen und Statistiken noch einmal gegenzulesen und diverse kreative Satzbaukonstrukte in ihre grammatikalische Handelsüblichkeit zu ändern. Manchmal frage ich mich ja schon, ob die drei Sprachen, in denen ich derzeit zuhause bin, einen schlechten Einfluss auf meine Muttersprache haben.

Gegen zehn schickte ich den Artikel samt Fotos an die Redaktion und hoffe, er gefällt. Ich habe mir eine Menge Arbeit damit gemacht, aber viel Spaß gehabt. Danach schrieb ich ein wenig ins Internet und ärgerte mich über Genderdiskussionen, die sich derzeit in polemischem Aufeinanderdraufhauen erschöpfen anstatt wirklich produktive Änderungen herbeizuführen. Mittendrin begann ich mich auch noch über eine emotionale Verwicklung zu ärgern, die ich mit der puren Lust an der Zerstörung herbeigeführt hatte und die mir in der derzeitigen Form weher tut als ich möchte. Aber diese Suppe muss ich selbst auslöffeln.

Um viertel nach elf rief mein Stiefvater vom Flughafen aus an. Er ist auf dem Weg nach China, diesmal als frischer Neu-Rentner, aber bis Ende des Jahres noch als Nutznießer der Lounge-Berechtigung des bisherigen Executive-Arbeitslebens. Wir plauderten ein wenig und ich berichtete ihm von meinem derzeitigen Zustand des In-der-Luft-Hängens und der damit verbundenen Panikattacken. Ihm als globalem Bürger ist diese Situation nicht ganz unbekannt, obwohl für ihn immer alles die Firma in die Wege leitete, während ich alles alleine stemmen muss. Bislang gelingt es mir noch, aber ich merke, wie viel Energie ich aufwende, um mich zu organisieren und alles fristgemäß fertig zu bekommen.

Um zwölf aß ich einen Käsetoast, eingedenk der Tatsache, dass ich abends noch essen gehen würde. Damit brauchte ich auch den letzten Rest meiner Vorräte auf und ging einkaufen. Im Supermarkt waren überwiegend sendungsbewusste Menschen unterwegs, was mir die Aussicht auf eine später dräuende Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel überaus unangenehm scheinen ließ.

Wieder zuhause verstaute ich das Eingekaufte und machte mich an einen fertig zu stellenden Text. Gegen vier wollte ich eigentlich eine kleine Joggingrunde einlegen, aber es find an wie aus Strömen zu regnen. Also verzichtete ich darauf und setzte mich noch einmal an den Text. Um viertel vor sechs warf ich mir ein Kleidchen über und machte mich auf den Weg zu meiner Abendessenverabredung. Wir aßen vorzüglich chilenisch, tranken Austral-Bier und Pisco Sour dazu und plauderten über Gott und die Welt oder doch eher über die Welt, denn mein Begleiter war ein weitgereister und gebildeter Mensch mit skurrilen Hobbies und einem überaus angenehmen Humor. Wie schade, dass wir uns sehr lange nicht mehr sehen werden.

Gegen elf war ich zuhause, schrieb diesen Text zu Ende und ging ins Bett.

[Was schön war] #kw12+13/18.

Was in den vergangenen zwei Kalenderwochen schön war, diesmal in der ostermontäglichen Kontemplationsverfassung.*

*familienmüde

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Die nachgeforderten Unterlagen der Botschaft von den Unternehmen bekommen. Unbürokratisch, obwohl sie sich so zu etwas verpflichten. Wenn das nun bitte endlich mal in ein komplettes Visum münden würde?

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Mit der Freundin einen Samstagabend und Sonntagmorgen nach unserem Geschmack verbracht. Lecker Essen, gute Cocktails trinken und am nächsten Morgen ausgiebig frühstücken. Nach langen Jahren der Kindergebundenheit ist das nun wieder möglich.

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Eine Untermieterin gefunden. Die erste, an und für sich perfekte, Interessentin sagte ab, weil sie die Wohnung zu laut fand. Ich war ein wenig verwundert, denn abgesehen davon, dass mein bekloppter Nachbar obendrüber gelegentlich herumbrüllt, ist meine Wohnung fast schon zu ruhig für die Innenstadt. Aber gut. Aus den zehn Interessenten wählte ich eine junge Raketenwissenschaftlerin aus, mit gutem Uni-Gehalt und Kochleidenschaft. Sie war die einzige der Interessenten, die meine Kochgerätschaften sehen wollte. Pluspunkt!

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Die Abschiedstour bei der Familie und einigen Freunden gemacht. Natürlich bin ich nicht aus der Welt. Aber eine kleine Träne im Knopfloch trage ich dennoch. Sie werden mich vermissen. Und ich sie. Besuchen wird mich sicherlich keiner, dazu ist Chile zu weit weg. Manche haben es ja nicht einmal nach Berlin geschafft.

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Der Verehrer hat meine Schweigsamkeit zum Anlass genommen, mir seine Liebe zu versichern.

 

[Was schön war] #kw09/10/11/18.

Was war in der vergangenen Woche schön? Tja, wie Sie sehen können, geht es nicht nur um eine Kalenderwoche, sondern gleich um drei und das lag nicht zuletzt daran, dass es gerade wenig berichtenswert Schönes gibt. Die Tage sind ein einziger Brei an Arbeiten verschiedenster Art, Kälte draußen und mönchsgleicher Igelei drinnen und ganz allgemein Befindlichkeitsgedöns. Aber je nun, ich pröklele einmal die schönsten Momente der letzten drei Wochen heraus und mache es kurz.

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Mehrfach sehr schön ausgegangen. Mit lieben Freunden, mit Bekannten. Und das trotz eisiger Temperaturen.

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Gut bekocht worden. Selbst gekocht und festgestellt: es geht noch, sogar ganz ohne Experimentalphysik.

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Seit Jahren das erste Mal wieder mit dem kranken Vater telefoniert. Sonst ist seine Frau am Telefon, weil er nicht mehr viel spricht. Aber diesmal lag sie mit Grippe im Bett und mein Vater war unerwartet selbst am Telefon. Die Anstrengung  ein normales Gespräch zu führen war spürbar und hörbar, aber trotz des weitgehenden Verlustes der emotionalen Ansprechbarkeit habe ich mich unendlich über einen Satz gefreut: „Sehe ich dich nochmal, bevor du weggehst? Ich möchte das gerne.“

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Mir liegen Dinge, die mit komplizierten Strukturen zu tun haben. Diese Strukturen zu verstehen und daraus ein Ergebnis abzuleiten, ist immer ein Erfolgserlebnis besonderer Art. Ich spreche übrigens von Behörden, Verwaltungsakten und vielen, vielen Dokumenten.

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Eine Wohnung am anderen Ende der Welt für die ersten Monate gefunden. Netzwerke sind was Wunderbares.

 

WMDEDGT 03/18.

Frau Brüllen erhebt regelmäßig am 5. eines jeden Monats, was in der Bloggerwelt den Tag ausmacht. 

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Mein Wecker klingelte um 6:45. Ich duschte, wusch mir die Haare und freute mich, dass der winterbedingte Spliss dieses Jahr nicht ganz so extrem ausfiel wie sonst. Im Radio hörte ich von Glatteis und vielen Unfällen und beschloss, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu meinem Termin in der Botschaft zu fahren. Nach einem kleinen Frühstück – Flocken mit Mandeln und Vollmilch – machte ich mich auf den Weg. Um mich herum hustete und nieste es in der Tram, was das Zeug hielt. Ich hoffe doch sehr, dass mich nicht noch eine Erkältung ereilt.

Ich musste in der Botschaft nicht lange warten, es war relativ wenig los. Die Sachbearbeiterin freute sich, dass nun alle meine Unterlagen vollständig und übersetzt vorliegen und stempelte eifrig das Eingangsdatum. Nun heißt es warten. Bis Mitte April soll meine Bestätigung des sogenannten „tramité“ vorliegen, was eigentlich nichts anderes ist als die Bermerkung „Akte ist auf dem Weg zur vollständigen Bearbeitung“. Aber es wird mir ermöglichen, bereits mit dem Status einzureisen und eine RUT, also eine Identitätskarte zu beantragen, Grundlage aller behördlichen und privaten Vertragsangelegenheiten. Ohne RUT kein Bankkonto, keine Rechnungsstellung, keine Wohnung und kein gar nichts.

Gegen halb zehn war ich wieder daheim und gab mir eine etwas höhere Koffeindosis. Ich hörte endlich die Voicemail des Verehrers von letzter Nacht ab, mit dem ich mich gestern über ein sinnloses und unwichtiges Wort gestritten hatte. Ich schätze an ihm sehr, dass er mich wieder einfängt, wenn ich mich in meiner „Keiner-mag-mich-ich-ziehe-mich-vollständig-zurück-Blase“ befinde.

Ich bearbeitete weitere Papiere, kündigte eine sinnlose Versicherung und machte mich nach einer Stulle auf den Weg zum Arzt. Unangenehm die Diagnose, dass ich Anfang April unters Messer muss. Nichts Schlimmes, nur blöd. Aber man muss es machen lassen. Laufe ich halt zwei Wochen als Zombie rum. Allerdings wird sich dann mein Abflugtermin nach Chile zwei Wochen nach hinten verschieben. Gut, dass ich noch nicht gebucht hatte.

Um halb vier machte ich mir Couscous mit den restlichen Rosenkohlköpfchen von gestern, ein bisschen Feta drübergebacken. Danach telefonierte ich mit einer Auftraggeberin und besprach mit ihr einige Feinheiten wie Textlänge und Feintuning.

Gegen fünf räumte ich auf, wusch Wäsche und setzte mich gegen sechs auf das Sofa, um ein bisschen fernzusehen. Ich wurde immer wieder von WhatsApp-Nachrichten aufgeschreckt, denn die chilenische Freundin hatte Informationsbedarf. Ich hatte ihr die Unterlagen für Erbschein und Rentenversicherung schon per Mail geschickt, aber sie hatte noch nicht in ihren Account geschaut. Es ist ja schon kompliziert, diese Prozesse in Deutschland durchzuziehen, aber für jemanden im Ausland ohne Kenntnisse der Landessprache ist es schier unmöglich. Sie wurde schon von Botschaft und Konsulaten abgewimmelt, dass ich mich frage, warum man dort nicht wenigstens Adressen von Anwälten oder Organisationen weitergibt, die helfen wollen.

Ich sah noch etwas fern, whatsappte mit dem Verehrer, dem heute ab 1 eine Nachtschicht bevorsteht. Wir haben uns für Morgen früh verabredet. Wenn ich um halb sieben aufstehe, wird er gerade am Protokollieren des Projektstatus sein und seine Kaffeepause nach chilenischer Zeit um halb drei einlegen. Bis sechs soll sein Job diesmal gehen. Den möchte ich auch nicht machen.

Gegen halb elf ging ich ins Bett und las noch ein wenig.

[Was schön war] #kw08/18.

Was in der vergangenen Kalenderwoche schön war, wieder aus der großen Stadt, die ich gerade nicht so recht Heimat nennen mag, die es aber nun schon seit 28 Jahren ist.

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Verwaltungskram, der einen zwingt, morgens um kurz vor acht auf einem Behördenflur zu warten. Das ist nicht schön, aber die Schlange war kurz, die Sachbearbeiterin fix und keine fünf Tage später hatte ich ein wichtiges Dokument in der Hand.

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Noch mehr Verwaltungskram, Übersetzungszeug und viel Hausaufgaben zu machen. Was im vergangenen Jahr schon voran ging – das Ausmisten -, muss jetzt schneller gehen als zuvor. Wie man aus 10 Aktenordnern Leben die Hälfte macht, kann ich mittlerweile.

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Viel Nachdenken über das, was das eigene Verhalten widerspiegelt. Ob da nicht allzu oft Widersprüche in Haltung und Aussage sind, die es schwierig machen mit der Kommunikation und den Gefühlen.

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Mit der besten Freundin shoppen gewesen und fast nur Nützliches erstanden. Alles, was jetzt gekauft wird, ersetzt entweder fadenscheinig Gewordenes oder muss mehrere Funktionen erfüllen. Ich werde es mir nicht leisten können, in meine vier Koffer mehr als wenige sinnlose, aber schöne Teilchen zu packen.

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„Komm zurück“, sagt der Verehrer und meint damit nicht nur meine physische Anwesenheit.

[Was schön war] #kw07/18.

Was in der letzten Woche schön war? Fragen Sie mein Herz, vielleicht kann es antworten.

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Das unbestimmte Gefühl, dass etwas nicht richtig ist, nicht so ist, wie es sein soll. Die Frage, ob es nur meine für mich typische Bindungsangst ist oder das Bewusstsein dafür, dass etwas nicht passt. Eine Lektion der vergangenen Jahre war: abwarten. Geschehen lassen. Nichts über das Knie brechen. Auch, wenn etwas nicht passt, muss ich nicht immer den harten Schnitt machen. Kein schönes Gefühl, kein schöner Zustand. Aber aushaltbar. Und wieder eine Lektion, die mich zu einem anderen Menschen macht.

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Das letzte Interview geführt, mit einer sehr interessanten Frau und einer Mission. Ich fühle mich so gesegnet, dass ich Menschen kennen lernen darf, die etwas zu erzählen haben, etwas bewegen, um diese Welt zu einer bessern zu machen.

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Den Valentinstag mit dem Verehrer verbracht, aber den Abend gemeinsam mit den Freunden meinen letzten Tag in Chile (vorerst) gefeiert. Dabei wieder dieses Gefühl gehabt, dass etwas nicht richtig ist. Der Freund des Verehrers brachte es nach dessen Nach-Erzählung eines gemeinsamen Ausflugs auf den Punkt: „Lass sie für sich sprechen.“ Ich bin ich. Ich bin nicht sein Interpretationsmodell. Entweder er lernt das oder er ist raus.

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Am Abschiedstag sehr glücklich darüber, unter allen Umständen Haltung bewahren zu können. Niemals das Gesicht zu verlieren, wenn einer mich nicht so will, wie ich bin. Ich reite keine toten Pferde weiter. Nur sagen müsste ich es ihm dann doch irgendwann.

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In Buenos Aires Vertrautes wiederfinden, schon wieder neue berufliche Verbindungen und Perspektiven, die sich auftun. Ich bin ein anderer Mensch dort unten in Südamerika, nicht besser, aber geschätzter für das, was ich kann.

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Ein Taxifahrer in Buenos Aires, der – wie alle hier – für die Dauer der Fahrt die Funktion eines Vertrauten übernimmt. „Du musst aufhören, gegen dein Herz zu kämpfen, Mädchen“, sagt er. Folge deinen Gefühlen, das habe ich immer gemacht, dafür habe ich vier Kinder von drei Frauen und alle liebe ich sie, erzählt er weiter. Nun, ich habe sie nicht, diese Leichtigkeit der Emotion, wie sie hier in Argentinien oder Chile ist. Ich bin ich. Ich bin hier leichter, aber nicht leicht genug. Aber ich lerne es, leichter zu werden.

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Die Erkenntnis, dass Letzteres genau das ist, was vollkommen okay ist. Und damit das Schönste in dieser Woche für mich gefunden. Und das Gefühl, dass sie Entscheidung, im April wieder in dieses Land mit den Vulkanen am Ende der Welt zurück zu kehren,  die richtige ist.

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Der Verehrer lässt mich nicht in Ruhe. Ich lasse gewähren. Leichtigkeiten.

[Was schön war] #kw06/18.

Was in der vergangenen Woche schön war. (Und immer noch schön ist.)

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Noch einige Interviews geführt, die interessante Artikel versprechen. Allerdings hatte ich auch einen eher drögen Gesprächspartner, der nicht so recht wollte. Ich denke, es lag nicht an mir, sondern er ist tatsächlich so. Ich hoffe mal, seine Geschäftspartnerin sorgt im Business für mehr Leben als er.

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Eine Friseurin aus Berlin in Santiago kennengelernt, deren Salon „Berlin“ heißt. Kannste nix falsch machen. Sie schaute sich meine Haare an und meinte: „Beim nächsten Mal kommst du zu mir.“ Ich habe dann wohl eine Friseurin vor Ort.

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Mit dem Verehrer einen Tag am Meer verbracht. Und obwohl es ihm anfangs nicht gut ging (Magen), hatten wir einen superschönen Tag, gänzlich ungestresst und mit gutem Kaffee. In einer Woche muss er wieder arbeiten und diese kleine Ungesetzlichkeit in Punkto Krankschreibung wollte er unbedingt mit mir teilen.

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Viel aus der Vergangenheit des Verehrers erfahren. Er macht auf.

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Sonntagsherausforderung: bei 35 Grad auf den Hausberg Santiagos gewandert. Nur 300 Höhenmeter und 2 Kilometer Weg. Hinterher platt wie eine Flunder, aber glücklich.

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Verdammt viel und verdammt gut gegessen. Ich steige jetzt aber wieder auf Salat um.

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„Wenn du glücklich bist, bin ich glücklich.“

WMDEDGT 02/18.

Frau Brüllen erhebt regelmäßig am 5. eines jeden Monats, was in der Bloggerwelt den Tag ausmacht. Und alle schreiben und liefern. So auch ich, diesmal aus Santiago de Chile.

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Dank meiner fabulösen Schaum-Ohropax nur einmal vor der Zeit um kurz nach sechs aufgewacht, als die Feuerwehr über die nahe Hauptstraße raste – sie trägt hier den Namen „Bomberos“ und ich finde, das passt absolut zu den Geräuschen, die deren Signalhörner ausmachen. Deutsche Feuerwehren mit dem Martinshorn sind ein Flüstern gegen das Gebrüll, das diese Sirenen hier ausstoßen. Weitergeschlafen bis um halb neun der Alarmwecker meines Handys anging. Auch nicht mit Ohropax zu überhören.

Ich hüpfte schnell ins zweite WG-Gemeinschaftsbad, damit meine argentinischen Nachbarn nicht allzu lange warten müssen. Denn anders als ich haben sie eine Mission und die heißt: einkaufen. Die Nachbarn von der anderen Seite der Anden fallen regelmäßig an langen Wochenenden oder in den Ferien nach Chile und insbesondere Santiago ein, um ihre riesigen Koffer mit den hier günstigeren Produkten wie Kleidung, Spielsachen oder Bildschirmen zu füllen.

Außerdem wollte ich noch meinen Flug umbuchen. Drei Tage mehr in Santiago, um noch einige Dinge zu erledigen und vorzubereiten, bevor ich nach Buenos Aires und von dort aus (vorerst) zurück nach Berlin reise. Der Hotline-Mensch von Opodo war wirklich hilfsbereit und obwohl die Umbuchung fast genauso teuer wie der (billige) Flug war, hatte ich kein Magengrimmen. Es ist gut so, die Entscheidung, zeitweise hierher zu gehen, steht, und nun muss eben alles in Gang gesetzt werden.

Ich frühstückte auf dem Balkon ein großes Stück der Empanada, die wir gestern auf dem Rückweg von San José de Maipo an der Straße erstanden hatten. Merke: Nutella wird deutlich streichfähiger, wenn sie nicht frisch aus dem Kühlschrank kommt. Um viertel nach elf machte ich mich businessfein, denn um 12 sollte ich in Providencia in einer Reiseagentur sein, um ein Interview für die Zeitung zu führen.

Die Metro kam prompt, auch die Anschlussmetro, und so blieben mir noch einige Minuten, um die Threads der verschiedenen WhatsApp-Gruppen zu lesen. Ich bin in den Gruppen „Buenas de Buenos“, „Gintastic“, „Lunes tortuoso“, „Girls Night Out“ und „DaF-Damen“, was ziemlich gut beschreibt, mit was für Leuten ich verkehre – nur den Guten!

Das Interview war eher etwas dröge, die Themen eher faktenorientiert nachfassend denn wirklich mit etwas Neuem. Aber gut, es soll ja auch um eine Übersicht zu einem bestimmten Thema gehen. Immerhin: der Gesprächspartner hatte einige gute Tipps für mich parat, an wen ich mich noch wenden könnte, um mich hier beruflich noch besser zu etablieren. Nach einer dreiviertel Stunde waren wir fertig und ich überlegte kurz, ob ich noch auf den nahen Hausberg von Santiago fahren sollte, die Aussicht erschien am heutigen Tag so klar und die Temperaturen lagen im angenehmen 25 Grad plus x-Bereich. Ich entschied mich aus Hungergründen dagegen und machte stattdessen Bekanntschaft mit der Roten Linie. Meine U-Bahnstation wird nämlich von zwei Linien befahren, aber nur die grüne Linie hält auch tatsächlich. Die rote Linie fährt noch eine Station weiter. Ich stieg versehentlich in die rote und musste dann an der Folgestation den Bahnsteig gegenüber aufsuchen, um eine Station zurück zu fahren. Und ich stieg… – ja, genau. Wieder in die rote Linie. Und fuhr erneut an meiner Station vorbei. Ich bin nicht rotgrünblind, falls diese Vermutung aufkommen sollte. Ich bin nur blöd.

Immerhin war ich um kurz vor zwei wieder in der WG, schnappte mir das Telefon und führte noch einige Gespräche mit der Schule im Süden von Chile, die mir ein Jobangebot gemacht hatte. Alles im Fluss, der Vorstand hat zugestimmt, nun hängt es ein bisschen von der Schulleiterin ab, ob sie mich noch einmal persönlich sehen möchte oder auch so meiner Einstellung zustimmt.

Der Verehrer fragte an, warum ich ihn nicht informiert hätte über den Stand der Dinge und ich dachte ein bisschen darüber nach. Ja, warum eigentlich nicht? Gegen 16 Uhr machte ich mir einen Kaffee. Der wirkte immerhin so gut, dass ich über eine Stunde schlief. Immerhin ein Privileg, wenn man keinen festen Arbeitsplatz hat. Man kann auch einfach mal auf dem Bett liegend über seinem Laptop einschlafen. In WhatsApp waren wieder etliche Nachrichten aufgelaufen und ich fragte mich, wie das vorher mal war. Ich bin erst seit einem Jahr auf WhatsApp richtig aktiv, eigentlich erst seitdem ich den Verehrer kenne, denn das ist hier und anderswo in Lateinamerika die einzig gangbare Kommunikationsform – gangbar nicht im Sinne von „die Menschen gehen schneller dadurch, dass sie Nachrichten auf ihrem Handy tippen“! Freunde wollten nach der Arbeit ins Pub, aber weder der Verehrer noch ich hatten Lust und wir entschieden unabhängig voneinander, zuhause bleiben zu wollen. Ich schrieb noch ein bisschen an einem Artikel herum und machte mir gegen acht einen Salat und Pasta mit Thunfisch-Tomaten-Sauce.

Nach dem Essen und einer Dose H*inecken-Bier war ich ziemlich müde. Ich ging nach einem kurzen Schnack mit meinen anwesenden WG-Genossen – der brasilianischen Anwältin auf Sinnsuche und dem Wohnungsinhaber – in mein Zimmer, wo ich noch ein bisschen las, mit dem Verehrer sprach und schließlich einschlief.