Für die Loriot-Momente des Lebens wurde mir heute dieser schöne Adventskalender in den Briefkasten gesteckt. Danke!
[Was schön war] #kw46.
Es war eine dunkle Woche, voller Regen, Kälte und verpassten Gelegenheiten. Im Job schlug mir ein eisiger Wind ins Gesicht, und auf einem nicht überdachten Provinzbahnhof im Regen ohne Schirm auf einen sich sehr verspätenden Zug zu warten, verstärkte das Gefühl der Einsamkeit nicht ganz unerheblich. Was als Freundschaft begann, wurde auf beiden Seiten zu einem nicht greifbaren Gefühl, was das Ende der Unschuld und den Beginn einer kleinen Traurigkeit einläutete. Soweit der Grundtenor der Woche. Es gibt solche Wochen, die nichts Schönes in sich zu bergen scheinen. Dennoch, bei aller Dunkelheit, die mich zurzeit umgibt, waren da winzige Momente des Lichts und der Schönheit.
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Eine Wange, an die ich einen Moment geschmiegt war. So warm und vertrauensvoll. Eine Hand, die mir aufhalf, weil mein Rücken gehexenschusst war, und die länger gehalten wurde als nötig. Jane Austen-Momente.
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Das Lachen der Freunde beim Gansessen.
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Die schwarzen Nüsse, die ich eingelegt hatte, sind zwar nicht perfekt geworden – dafür haben sie noch zuviel „Nusskern“ und sind nicht durchgängig weich und schwarz -, aber ich habe es nach drei vergeblichen Versuchen der vergangenen Jahre geschafft, ein Rezept meiner Omama nachzubauen.
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Freundliche Kollegen, die mir Wertschätzung entgegen bringen.
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Ideen für ein Leben allein: eine Konzertkarte gekauft, nur für mich. Überlegt, mir ein Flugticket für einen Kurztrip nach London zu kaufen. Das Pfund steht günstig derzeit.
Am Meer auf der Mole.
Der letzte Abend. Was macht man an einem Urlaubsabend, bevor es wieder zurück geht, in den November, in das kalte, triste Grau? Heute vor vier Jahren war es unser letzter Abend in Mexiko, auf Yucatán. Um genau zu sein, auf der Insel Holbox. Nachdem wir zweieinhalb Wochen kreuz und quer durch Yucatán gefahren waren, Maya-Pyramiden bestiegen, durch Urwald-Naturschutzgebiete wanderten, im Lagunendickicht schwammen (ich), deshalb um mich bangten (er), uns mit Mennoniten in Hopelchen unterhielten und zum Abschluss ein wenig Hippie-Flair auf Holbox genossen.
Wir nahmen zum Sonnenuntergang einen gut gemixten Gin&Tonic, aßen die beste sizilianische Pasta der Welt (ja, ja, ich weiß, aber wir konnten keine Burritos mehr sehen) und gingen in der Dunkelheit am Strand spazieren. Wir kamen an eine kleine Mole, und dem Mann fiel nichts besseres ein als wie ein Teenager das Handy auf laut zu stellen und Maná zu spielen. En el muelle de San Blas.
Ella despidió a su amor.
El partió en un barco en el muelle de San Blas.
El juró que volvería,
Y empapada en llanto ella juró que esperaría…
Miles de lunas pasaron,
Y siempre ella estaba en el muelle,
Esperando…
Muchas tardes se anidaron,
Se anidaron en su pelo
Y en sus labios.Llevaba el mismo vestido
y por si él volviera no se fuera a equivocar.
Los cangrejos le mordían
Su ropaje, su tristeza y su ilusión…
Y el tiempo se escurrió,
Y sus ojos se le llenaron de amaneceres.
Y del mar se enamoró,
Y su cuerpo se enraizó
En el muelle.Sola,
Sola en el olvido.
Sola,
Sola con su espíritu.
Sola,
Sola con su amor el mar.
Sola…
En el muelle de San Blas.Su cabello se blanqueó
Pero ningún barco a su amor le devolvía.
Y en el pueblo le decían,
Le decían la loca del muelle de San Blas.
Y una tarde de abril
La intentaron transladar al manicomio;
Nadie la pudo arrancar,
Y del mar nunca jamás la separaron.Sola,
Sola en el olvido.
Sola,
Sola con su espíritu.
Sola,
Sola con su amor el mar.
Sola…
En el muelle de San Blas.Sola en el olvido.
Sola con su espíritu.
Sola con su amor el mar.Sola,
Sola en el olvido.
Sola,
Sola con su espíritu.
Sola,
Sola con su amor el mar.
Sola…
En el muelle de San Blas.Se quedó…
Se quedó…
Sola, sola.Se quedó…
Se quedó…
Con el sol y con el mar.Se quedó ahí,
Se quedó hasta el fin.
Se quedó ahí,
Se quedó en el muelle de San Blas.Sola, sola, sola.
Wir tanzten zusammen darauf, ein wenig ungeschickt, denn vor einigen Tagen hatte der Mann am rechten Bein eine Muskelzerrung entdeckt, wie er sagte. Dass es wieder ein Tumor sein würde, hat er wohl gewusst.
Wenn ich gewusst hätte, was die folgenden Jahre bringen würden, wer weiß, ob ich nicht einfach auf der Mole geblieben wäre. Versteinert, auf das Meer blickend und darauf wartend, dass der Liebste unverändert und wie unversehrt zurückkehrt. So webt sich nur die Erinnerung in mein Haar, weiß wird es, immer mehr, und ich sehe in Gedanken aufs Meer hinaus und warte, warte, warte.
Dass heute Totensonntag ist muss Ironie des Schicksals sein.
Undinentage.
Tage, an denen ich mich am Liebsten in eine sehr tiefe, unter Wasser liegende Höhle zurückziehen möchte. Fern ab von allen Geräuschen. Nichts kann in mein Wasserschloss eindringen. Keine Erinnerungen, keine Gegenwart. Keine Zukunft. Keine Gefühle. Undinentage. Feste der Wassergeister.
Konzert.
Diese Woche schrecklicher Musik auf einem Konzert gelauscht. Für ein tiefergehendes Verständnis der Absicht des Komponisten hätte ich ein Klavierstudium benötigt. Aber ich bin auch sonst ein sehr simpel gestrickter Mensch und höre allemal lieber ein strenges Barockstück denn Zwölftonmusik.
Dafür habe ich mich spontan entschieden, mir ein Belohnungskonzert zu gönnen: ZAZ, ein Ticket. Vermutlich das erste Konzert meines Lebens, das ich ganz allein besuche und nicht darüber schreiben muss.
Lesen.
Was in Zeiten wie diesen möglicherweise zum Denken anregt: lesen. Heute gerade erst – ich bin ja ein enormer Spätzünder – gehört, dass Hans Falladas „Jeder stirbt für sich allein“ in meiner unmittelbaren Nachbarschaft verortet ist und schon 2011 vom Aufbau-Verlag in einer unlektorierten Ausgabe neu aufgelegt wurde. Widerstand im Kleinen, im Proletariat, mit einfachsten Mitteln. Auch etwas, worüber man, weil so personalisiert wie es eben geht, als Kommunikationsform nachdenken könnte. Wehret den Anfängen.
[Was schön war] #kw45.
In dieser Woche gab es viele schöne Momente, die allerdings nach Mittwoch durchweg vom Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen überlagert wurden. Ich bin nicht leicht aus der Ruhe zu bringen, aber dieses Ereignis hat meiner Ansicht nach so weitreichende Folgen für Europa und die Wahlen im kommenden Jahr, dass mir Angst und Bange wird.
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Am Montag konnte ein Missverständnis bei zweidreiviertel Bieren ausgeräumt werden, das mir das vorvergangene Wochenende ein wenig auf den Magen drückte. Es würde mich schmerzen, würden derlei Dinge ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis zerstören.
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In eisiger Nacht nach Hause gefahren.
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Der Besuch eines Theaterteams zur Auslotung einer Zusammenarbeit brachte neue Erkenntnisse, was auf und hinter Bühnen alles möglich ist. Ich bin immer wieder freudig überrascht, wenn Menschen ihr Wissen teilen und ohne Erwartung einer Gegenleistung wertvolle Hilfeleistung bringen.
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Die gelungene Premiere am Mittwoch. Die E-Mail am Samstag, dass der Medienpartner gern einen Termin für das Planen des Talkshowformats vereinbaren möchte. Ich bin die Superdilettante!
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Manchmal ist es auch einfach schön, sich wie ein Kind zu verkleiden, zu schminken und in eine Rolle zu schlüpfen, die sogar dazu führt, dass man überhaupt nicht erkannt wird. Als Kulturhexe war ich offenbar eine gute Besetzung. (So gut, dass ich am Sonntagnachmittag einen probaten Hexenschuss bekam, der sich auch bis zum Montag nicht recht verflüchtigen wollte. Welche meiner Co-Hexen hat mir auf den Rücken gespuckt?)
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Die Geburtstagsfeier, zu der ich am Samstag eingeladen war, fand wider Erwarten nicht beim Geburtstagskind zuhause statt, sondern in einem Restaurant ein Stück entfernt. Was ich allerdings erst bemerkte, als auf mein Klingeln niemand öffnete. Man verzieh mir das späte Erscheinen und ich bekam noch eine leckere Martinsgans. Wie schön es war, alte Freunde wieder zu treffen!
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Die Freude am Kochen wiedergefunden: Spitzkohl mit Kräuterseitlingen, gewürzt mit Ingwer, Szechuan-Pfeffer, Knoblauch in Sojasahnesauce.
Mütter.
In der vergangenen Woche feierte ein Theaterpädagogikprojekt Premiere, das sich mit dem Thema Mütter und ihren Geschichten in der Geschichte befasste. Die beiden Theaterpädagoginnen hatten gemeinsam mit 10 Seniorinnen und Senioren deren Beziehung zu ihren Müttern und die darin verorteten Geschichtskontexte zu einem Stück gestrickt. Nicht zuletzt dank der begehbaren Rauminstallationen, die Oberthemen wie „Zuhause“, „Heimat“ oder auch „Vater“ als Rahmen vorgaben, wurden die geschichtlichen Stationen greifbarer für die Zuschauer. Die Laienschauspieler erzählten Episoden aus dem Leben ihrer Mütter, von Momenten, die ihnen in der Beziehung am prägnantesten erschienen und malten so gleichzeitig nach, wie es den Frauen in der Zeit im und nach dem zweiten Weltkrieg, teilweise als Vertriebene, teilweise als junge DDR-Pioniere, aber auch als schon vorher bettelarme Kleinbauern in Thüringen ergangen war.
Ein Bestandteil des Projektes waren auch direkte Fragen an die kleinen Zuschauergruppen, die von den Laiendarstellern durch die Installationsstationen geführt wurden. Eine der Damen fragte mich direkt, was ich von meiner Mutter gelernt hätte. Ich musste stutzen, denn mir fiel nichts ein. So schob ich meine Großmutter vor, von der ich kochen und haushalten gelernt habe. Mir wollte einfach nicht einfallen, was mich meine Mutter gelehrt haben könnte. Und das tut es bis heute nicht. Das brachte mich im Nachgang doch sehr zum Nachdenken, wie weit der Arm der Mutter-Kind-Beziehung doch ins Heute reicht, selbst, wenn sie eher eine Nicht-Beziehung war und ist.
Nach der – für meine Begriffe – sehr, sehr gelungenen und mitnehmenden Premiere standen wir noch im Foyer und besprachen unsere Erlebnisse. Die Kollegin meinte, dass sie teilweise den Tränen nah war, wenn sie an ihre eigenen Kinder denkt und wie diese vielleicht einmal über ihre Beziehung sprechen würden. Und mir wurde bewusst, dass die Frauen und Männer, die ich soeben über ihre Mütter sprechen sah, meine Elterngeneration sind. Ich habe sie die gesamte (Proben-) Zeit als Großelterngeneration wahrgenommen, die ein gutes Stück weiter weg ist von mir als meine Mutter, der ich mich aber dennoch näher fühle. Meine Mutter wird nächstes Jahr 70 und ist damit genau ein Jahr jünger als die jüngste Laienschauspielerin des Stücks.
Ich bin nicht mehr jung. Und irgendwie habe ich das vergessen.
Edit: Natürlich könnte ich auf das Stück und die Rezensionen verlinken. Aber damit würde ich möglicherweise eine Verbindung schaffen, die ich in meinem Arbeitsumfeld nicht möchte. Googlen Sie selbst, wenn es Sie interessiert. Die Schlüsselworte finden Sie im Text.
Weltentaumel.
Wir sind überrascht. Wir sind unglücklich, wissen nicht, was die Zukunft bringen wird. Uns ist der Glaube an die Zukunft verloren gegangen. Wir haben Angst.
Da ist einer, der uns Angst macht. Ein unberechenbarer Mensch, so scheint es, hat die Macht übernommen, in einem Land, das zwar einmal eine neue Welt war, aber was ist heutzutage schon eine Welt! Sie ist zu klein geworden für all die Konflikte, gesellschaftlichen Umwälzungen, für die Unzufriedenheit der (vermeintlich) Abgeschlagenen. Alles, was woanders passiert, kommt so nah. Das Netz.
Ich versuche ein wenig Zweckoptimismus. Es wird ja nie etwas so heiß gegessen wie es gekocht wird – wäre das tröstlich? Der wird schon wissen, was er tut, schließlich ist er Geschäftsmann! Oder wie wäre es damit: er hat doch auch Familie, da kann er doch gar nicht so schlecht sein. Warten wir doch einfach ab, der wird sich schon an der Realität die Haartolle versengen!
Ja, das hört sich doch gar nicht so schlecht an. Aber bei alledem denke ich an die Geschichten aus der Kindheit, als die Großeltern behaupteten, sie hätten doch nichts gewusst. Man habe doch nie gedacht, dass Hitler das wahr macht! Und außerdem: irgendwie sei es doch auch genug gewesen mit dem Kleinmachen Deutschlands durch die Welt, man habe doch einen Platz an vorderster Front verdient.
Ich zitiere mich aus einer vor einigen Tagen geschriebenen E-Mail: Manchmal glaube ich, dass die Welt aus den Fugen geraten ist und niemand den Kitt hat, um sie wieder zusammen zu fügen. Dass sich Geschichte wiederholt, egal, was wir dagegen tun. Ich kenne niemanden, der aktuell optimistisch in die Zukunft blickt. Die Leichtigkeit früherer Jahre und der unbedingte Glaube an die Zukunft sind mir wie auch vielen meiner Freunde abhanden gekommen. Vielleicht ist es aber auch nur der Herbst, der diesen tristen Pessimismus über uns schickt.
Ich hoffe, dass es nur der Herbst ist. Allein, mir fehlt der Glaube.
[Was schön war] #kw44.
Den Montagabend in angenehmer Gesellschaft bei einer Tatort-Preview verbracht. Ich bin ja nicht so der Fan von Tatorten (hört sich irgendwie komisch an!), und auch dieser hat die bewährten Elemente: Regionalkolorit, ein Ermittlerduo – hier: Ludwigshafen und Ulrike Folkerts -, seltsame Begierden, Süchte und Beziehungen. Dazu noch ein paar Running Gags und fertig ist die Laube. Was diesen Tatort aber ein wenig über das Übliche heraushebt: Jungregisseur Axel Ranisch hat mit seiner Workshop-Methode sogar aus eingeschliffenen Schauspielerstars wie der Folkerts ein gewisses Improtalent hervorgelockt. So natürlich habe ich jedenfalls lange niemanden mehr spielen sehen.
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Spontane Aktionen sind doch die besten! Vor einigen Wochen hatte ich kurzentschlossen Konzertkarten geschossen, nun werde ich Nutznießerin der Spontanität eines anderen sein. Ich bin gespannt auf Mönchsgrasmückenkonzertklänge. Mir wurde viel versprochen.
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„Haben Sie noch Hexennasen?“ Die Verkäuferin fasst sich an die eigene Nase und antwortet: „Die bleibt dran.“ Ich lachte und nahm zehn Stück mit, dazu einige Perücken und drei Zauberhüte. Was tut man nicht alles für den Job.
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Möglicherweise ist das Team bald komplett. Ein sehr versierter Bewerber kann sich hoffentlich für uns erwärmen. Ist ja doch eine Entscheidung, weg vom Theater, hin zum Gastspielhaus mit eher wenig Hochkultur. Ich würde mich freuen, er könnte sehr gut ins Team passen.
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Freundinnen-Zeit verbracht. Hilfe bekommen bei der blöden Nachlasspatientenaktenregelung.
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Sich häufende Übereinandernachdenkzeiten.


